Oberkirchen. Waldbauer Georg Feldmann-Schütte hat einen Brandbrief geschrieben und kritisiert massiv die Wisent-Politik von Land, Trägerverein und Kreis.

Georg Feldmann-Schütte hat keine Geduld mehr - nicht mit den Wisenten, dem Wisentverein, dem Umweltministerium und der Politik. „Wir haben rechtsgültige Urteile - aber es passiert nichts!“, schimpft er. Wieder seien die Tiere in seinem Waldgebiet unterwegs, schälten Buchen, schädigten mittlerweile sogar Nordmanntannen. Die freilebende Herde sei auf fast 40 Stück angewachsen, obwohl sie auf 25 begrenzt werden sollte. Seinen Frust hat er in einem Brandbrief zusammengefasst und den an Funktionsträger in Politik und Wisentverein geschickt. Antworten erhält er keine.

Fotos der Wisent-Herde

Wie vertraut und wenig scheu die Herde mittlerweile ist, zeigt die Beobachtung eines Schmallenbergers, dessen Name dieser Zeitung bekannt ist. Am Heidenstock, zwischen Schanze und Albrechtsplatz, hatte er Mitte Juli die Herde beobachtet und fotografiert. Auch auf lautes Zurufen und Klatschen habe sie nicht reagiert und einfach weitergegrast.

Schäden an Buchen und Nordmanntannen

Wenn es beim Grasen bliebe. Georg Feldmann-Schüttes Fotos zeigen geschälte Buchen, junge und alte, in Misch- und Reinbeständen sowie Solitärbäume, aber auch abgeknickte und abgebrochene Bäume mitten in den Weihnachtsbaum und Nobilis-Schnittgrünkulturen.

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Dass Wisente die Rinde von Buchen abschälen, weil sie die Gerbstoffe als Nahrungsergänzung nutzen, ist bekannt. Dass sie aber auch die eineinhalb Meter hohen Nordmanntannen massiv beschädigen, ist so noch nicht berichtet worden. „Die Wisente kratzen sich daran am Kopf und zwischen den Hörnern, wälzen sich auf dem Boden oder zertreten sie.“

Keine Schadensregulierung

Auf den Schäden bleibt Feldmann-Schütte sitzen. Seit der Trägerverein des Wisentprojektes die Tiere im vergangenen September einseitig für „herrenlos“ erklärt und damit nicht nur das „wirtschaftliche Eigentum“ an den Wisenten aufgegeben hat, sondern auch die Verantwortung für die Schäden „wegdelegierte“, wird es problematisch, überhaupt einen Ansprechpartner zu finden. Bisher gab es dafür einen Schadensfonds - jetzt aber, so schimpft Schütte, „verweist der Wisentverein auf den Hochsauerlandkreis. Und der sagt, dass er nicht zuständig ist.“

Funkstille von allen Beteiligten des Runden Tisches

Dazu herrscht von den Beteiligten, die helfen könnten, Funkstille. Man habe sich zu einem Runden Tisch zusammengefunden und Stillschweigen vereinbart, bis es dort ein Ergebnis gebe, antwortet beispielsweise Bernd Fuhrmann, Bürgermeister von Bad Berleburg und Vorsitzender des Trägervereins, auf eine Anfrage unserer Zeitung. Beim Kreis Siegen-Wittgenstein verweist man ebenfalls auf den Runden Tisch. Die Entschädigung sei eines der Themen, die der Runde Tisch bespreche, solange der keine Entscheidung gefunden habe, werde man dazu nichts sagen. Landrat Dr. Karl Schneider ist aktuell im Urlaub. Der HSK sitzt nicht am Runden Tisch. Die Position des Landrates ist allerdings klar: Wisente und Wolf gehören für ihn nicht ins Sauerland, hatte er zuletzt erklärt.

Das fördert die Politikverdrossenheit

Feldmann-Schütte und sein Kollege Waldbauer Hubertus Dohle, haben rechtskräftige Urteile erstritten, die besagen, dass sie die Wisente nicht auf ihrem Grund dulden müssen. Der Wisent-Verein muss geeignete Mittel ergreifen, um die Tiere von den Wald- und Wiesengrundstücken fernzuhalten.

„Aber was nützen mir diese zwei Urteile, wenn sie nicht durchgesetzt werden können?“, ärgert sich Feldmann-Schütte. „Wir haben einen Rechtsstaat, aber manche glauben, dass sie sich daran nicht halten müssen.“ Das fördere die Politikverdrossenheit.

Der Runde Tisch, der im Herbst des vergangenen Jahres unter der Leitung der ehemaligen Landesumweltminister Ursula Heinen-Esser (CDU) und Johannes Remmel (Grüne) eingesetzt worden war, verzögere nur die letztlich notwendigen Maßnahmen: „Holen Sie umgehend Ihre Tiere aus unseren Wäldern, damit dieser Spuk ein Ende hat“, fordert er.

Fachunternehmen könnte Tiere ein Jahr vertreiben

Einzige Möglichkeit für Feldmann-Schütte wäre es, wie sein Anwalt Hans-Jürgen Thies auf Anfrage erläutert, privat in Vorleistung zu treten, um Mittel zur Vertreibung der Wisente zu ergreifen und sich das Geld im Anschluss vom Wisentverein zurückerstatten zu lassen. Das ist Thies zu heikel, da der Verein auch die Mittel haben müsse, die Rechnung zu zahlen. „Deswegen haben wir jetzt beim Landgericht einen Antrag auf Kostenvorschuss für eine Ersatzmaßnahme in Höhe von 180.000 Euro gestellt“, erläutert der Anwalt. Mit diesem Geld könnte Feldmann-Schütte dann ein Jahr lang ein Fachunternehmen beauftragen, das die Wisente von seinem Grund und Boden vertreibe. Aber auch das löse das Problem nicht, sagt Feldmann-Schütte, sondern verlagere es nur. „Keiner der Waldbauern will die Tiere haben.“

Schmallenberger Anwalt von Weichs bemängelt intransparentes Verfahren

Der Schmallenberger Rechtsanwalt Friedrich von Weichs vertritt den Waldbauern Hubertus Dohle. Auch er verspricht sich nichts vom Runden Tisch: Letztlich gehe es nur darum, Zeit zu gewinnen. Schon die Auswahl der Moderatoren sei ein Fehlgriff gewesen: „Herr Remmel und Frau Heinen-Esser waren im Amt Befürworter des Projektes und werden in eigenem Interesse kaum Wert darauf legen, ihre Entscheidungen nachträglich in Frage zu stellen.“

Und es sei „sehr enttäuschend, dass die geschädigten Waldbauern nicht beteiligt sind.“ Wie schon zu Beginn des Projektes würden die sauerländischen Interessen und Sorgen nicht berücksichtigt. „Es mag Gründe geben, die Verhandlungen nicht öffentlich zu führen, zumal es am Tisch sicherlich um viel Geld geht, Transparenz schafft jedoch Vertrauen. Vertrauen gibt es diesseits des Rothaarsteigs nicht.“

Selbst nach Rechtskraft der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Hamm - die Angelegenheit war Gegenstand zweier Verfahren vor dem Bundesgerichtshof- stehe niemand gerade für das Projekt und die Wisente. „Ganz im Gegenteil: Der Trägerverein argumentiert plump: ,Das sind nicht mehr unsere Tiere. Tschüss.’“

>>< Hintergrund

Auch der WWF hatte zuletzt das Projekt als quasi gescheitert betrachtet. Die einzige Lösung sei, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Verantwortung übernehme und das Artenschutzprojekt mit veränderter Struktur und mehreren kompetenten Beteiligten neu aufstelle. Bisherige Gespräche von Umweltverbänden mit NRW-Naturschutzminister Oliver Krischer (Grüne) seien sehr enttäuschend gewesen.

Sollte das Land sich weigern, die Verantwortung für das Projekt zu übernehmen, kommen nach WWF-Angaben nur zwei weitere Optionen in Betracht: Die Tiere werden entnommen, das Land lässt sie also einfangen und versucht sie in anderen europäischen Ländern in dortigen Projekten unterzubringen. Oder aber - und das hält der WWF für unwahrscheinlich - die Wisente würden erschossen.