Hochsauerlandkreis. Die Offensive der Ukraine gegen die russischen Aggressoren steht bevor. Der Sauerländer Militärexperte ordnet die Lage im Ukraine-Krieg ein.

Seit Wochen wartet die Welt auf die Großoffensive der Ukraine im Krieg gegen Russland. Wird dies ein entscheidender Schritt Richtung Friedensverhandlungen? Wie wird Russland reagieren? Der Militärexperte aus Brilon, Patrick Sensburg, gibt im WP-Interview seine Einschätzung.

Noch immer wartet die Welt auf die Offensive, die durch die Ukraine geplant ist. Wann wird diese Ihrer Einschätzung nach starten?

Wann, wo und wie die Gegenoffensive der Ukrainer stattfindet, wird in der Ukraine entschieden. Hier spielt eine gute Planung und deren Geheimhaltung eine entscheidende Rolle. Die Schlacht um Bachmut war für die Ukraine von großer Bedeutung, da sie die russischen Truppen stark gebunden und geschwächt hat. Wir erleben daher in diesen Tagen auch erhebliche Kritik an Putin in Russland.

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Wie könnte diese Offensive aussehen?

Hier sind natürlich verschiedene Szenarien denkbar. Wichtig ist bei allen Überlegungen, dass Russland noch erheblich Personal und Material nachführen kann. Man sollte nicht glauben, dass die russischen Truppen einfach aufgerieben werden können oder einfach zurückzudrängen sind. Anstatt einer großangelegten Offensive auf breiter Fläche könnte es auch gezielte Nadelstiche geben, um russische Einheiten von der Versorgung abzuschneiden. Ich habe immer gesagt, es wird ein langer Krieg sein.

Glauben Sie, mit der großen Offensive wird der Weg frei, Russland nicht nur zurückzuschlagen, sondern auch wieder an den Verhandlungstisch zu zwingen?

Putin wird nicht verhandeln. Er ist eher bereit sein Volk zu opfern, als zu erkennen, dass er den Krieg nicht gewinnen kann. Ein neuer Präsident und eine neue Regierung könnten die Truppen abziehen, da auch aus russischer Sicht dieser Krieg nicht gewonnen werden kann.

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Halten Sie es für möglich, dass die Krim von der Ukraine zurückerobert wird?

Aufgrund der Lage der Krim und den Möglichkeiten der Ukraine, ist dies denkbar. Die Frage ist nur, unter welchem Preis an Menschenleben. Völkerrechtlich gehört die Krim zur Ukraine. Dies ist unbestritten. Russland wird die Krim auch nur schwer auf lange Sicht versorgen können. Nachzudenken ist vielmehr über die Möglichkeit, dass die russischen Truppen auch aus der Krim abziehen, wenn sie aus den übrigen Landesteilen abziehen.

Russlands militärische Stärke bröckelt. Kann sich die Armee überhaupt noch gegen die Ukraine zur Wehr setzen, wenn diese weiterhin auch dank der Unterstützung durch den Westen mit derartiger Kraft angreift?

Lassen Sie mich zuerst betonen: Nicht Russland, sondern die Ukraine wehrt sich. Russland braucht seine Truppen nur aus der Ukraine abziehen und schon wären die Kampfhandlungen zu Ende. Russland kann aber - wie gesagt - noch sehr lange Soldaten an die Front schicken. Selbst die Möglichkeit der Generalmobilmachung ist nicht aus der Welt. Ebenso hat Russland die Produktion von Artillerie-Geschossen stark gesteigert, so dass der Krieg auch diesbezüglich noch lange andauern kann.

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Selenskyj spricht von einer Kampfjet-Koalition. Glauben Sie, Deutschland sollte sich darauf einlassen und die Lieferung von Kampfjets zusagen? Welche Folgen könnte dies haben?

Deutschland hat kaum Kampfjets, die wir abgeben könnten. Im Rahmen der Unterstützer der Ukraine muss klar sein, welches Land welche Aufgaben übernimmt. Hier sollten wir uns in anderen Bereichen stärker engagierten.

Wie bewerten Sie eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO, insbesondere während des laufenden Krieges?

Ein Beitritt zur NATO in einem laufenden Krieg ist nicht möglich. Dass die Ukraine der NATO betreten wird, wurde aber bereits im Jahr 2008 auf dem Gipfel in Bukarest beschlossen. Nun geht es vielmehr darum, wie eine Roadmap für den Beitritt nach dem Krieg ausschauen kann und welche Rolle die Ukraine bei der Sicherung der NATO Ostflanke spielen wird. Diese Ostflanke wird von Finnland und dem Baltikum, über Polen, die Ukraine, Rumänien und Bulgarien bis zur Türkei gehen. Diese Länder sichern unseren Frieden und unsere Werte gegen Aggressionen aus dem Osten.