Brilon/Scharfenberg. Patzige und unfreundliche Gäste gehören für Mitarbeiter in der Gastronomie oft zum Alltag. Wirt Erik Toupal hat genug davon und zieht eine Grenze

Es ist ihr dritter Abend im Service. Der 16-jährigen Aushilfskraft, die gerade angelernt wird und zum ersten Mal einen Tisch allein übernimmt, unterläuft bei einer Kundenbestellung ein kleiner Fehler: Hähnchen mit Salat und ohne Pommes, statt Hähnchen mit Pommes ohne Salat. Die Gäste gehen sofort an die Decke, beschimpfen das Mädchen und beschweren sich ungehemmt beim Wirt: Das sei ja mal wieder eine Vollkatastrophe hier. „Szenen wie diese spielen sich regelmäßig ab“, erklärt Erik Toupal, Besitzer vom Landhotel Schnier in Scharfenberg. Es sei kein Wunder, dass niemand mehr in der Gastronomie arbeiten wolle: Viele Gäste seien patzig und ungeduldig, reagierten überzogen auf Fehler. „Natürlich ist es ärgerlich, wenn Fehler passieren, und wir tragen Sorge dafür, dass der Kunde entschädigt wird.“ Ein derart aggressives Verhalten halte er jedoch für unangemessen: „Das wollte ich mir nicht länger anschauen.“

Die Resonanz auf den Post hat Erik Toupal überwältigt

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In einem Facebook-Post wendet sich der Lokalbesitzer an seine Gäste. Darin schreibt er, dass er es nicht tolerieren werde, wenn sein Personal für jeden Fehler, der passiert, angegangen wird. Insbesondere den Jüngeren, die neu angelernt werden, werde von vielen Gästen zu wenig Verständnis und Geduld entgegengebracht. Als Arbeitgeber stellt er sich schützend vor seine Mitarbeiter und macht seinen Standpunkt mehr als deutlich: „Wenn keine Fehler verziehen werden und keine Toleranz da ist, kommt bitte nicht zu uns. Ich werde nicht eine Mitarbeiterin für einen Fehler fallen lassen oder nieder machen!“ Damit hat der Wirt einen Nerv getroffen: In den Sozialen Medien schlägt ihm eine überwältigende Resonanz entgegen, die Reaktionen sind ausnahmslos positiv. „Dieses Problem kennen fast alle.“ Nicht nur in der Gastronomie, sondern branchenübergreifend sei der Umgangston vieler Kunden rauer geworden. „Seit Pandemiebeginn hat sich das Kundenverhalten extrem verändert. Das hört man von vielen Seiten.“ Damals habe man in der Gastronomie vor allem den Frust der Kunden über die Coronaschutzmaßnahmen zu spüren gekriegt. „Durch Corona hat sich einiges verändert, auch das Verhalten vieler Gäste. Statt Dankbarkeit für die Bewirtung bekommen die Mitarbeiter viel Unzufriedenheit und Zorn zu spüren.“

Auch deshalb werde es immer schwieriger, Arbeitskräfte für die Gastronomie zu gewinnen. „Vor allem die Jüngeren werden durch so ein Kundenverhalten stark verunsichert und trauen sich dann kaum noch, Gäste zu bedienen. Früher gab es mehr Verständnis für neues Personal.“ Für Erik und Tanja Toupal, die das Landhotel gemeinsam führen, ist ein gutes Betriebsklima sehr wichtig. „Unsere Mitarbeiter sollen sich hier wohl fühlen und mit Spaß herkommen, nicht mit Bauchschmerzen. Aber dazu leisten auch die Kunden einen Beitrag.“ Doch nicht nur das Personal würde durch diese Verhältnisse auf die Probe gestellt, auch für die Wirte und Gastronomiebetreiber sei die Situation belastend. „Solche Gäste, die nur meckern, verderben einem auch selbst den Spaß am Beruf.“

Mehr Wertschätzung für Mitarbeiter

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Die beiden Lokalbetreiber wünschen sich, dass den Angestellten in der Gastronomie mehr Wertschätzung entgegengebracht wird für das, was sie leisten. „Es wäre schön, wenn es mehr Verständnis und Toleranz für das Personal gebe, das wirklich immer sein Bestes tut.“ Gerade in der Einarbeitungszeit von neuen Aushilfen sei das Wohlwollen der Kunden gefragt, denn Fehler seien normal und könnten immer passieren. Erik Toupal ist jedenfalls entschlossen, seinen Mitarbeitern jederzeit den Rücken freizuhalten: „Ich würde den Laden eher schließen, als meinen Mitarbeitern Druck zu machen.“ Im Landhotel Schnier sei grundsätzlich jeder Gast willkommen, solange er sich angemessen verhalte. „Auch bei uns ist der Kunde natürlich König. Trotzdem sollten Gäste auch Respekt gegenüber den Menschen haben, die hier arbeiten.“

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Während Erik und Tanja Toupal das Problem ganz konkret und öffentlich thematisieren, leiden auch andere Gastronomiebetriebe in der Region unter den Auswirkungen, die der raue Umgangston von vielen Kunden mit sich bringt. Doch so offen über die Situation zu sprechen, traut sich kaum jemand. Eine Gastronomin, die aus Sorge um ihren Betrieb lieber anonym bleiben möchte, lehnt ein Gesprächsangebot der WP ab mit einer Begründung, die das Problem auf den Punkt bringt: „Mittlerweile ist es so, dass kaum Verständnis von einigen Gästen zu erwarten ist und ein dementsprechender Zeitungsbericht leider als negativ für meine Mitarbeiter und mein Restaurant bewertet werden könnte.“ Die Sorge um die Reaktion von Gästen hält manche Wirte ab, über derartige Missstände zu sprechen. Eine Sorge, die nicht unbegründet, wie Erik Toupal aus eigener Erfahrung weiß: „Da wird dann auch schonmal mit Rufmord gedroht, dass sie einem den Laden dicht machen.“ Offenbar ist aus manchem Kunden, der eigentlich König sein soll, ein Tyrann geworden.