Schmallenberg. Die Zahl der Mediziner, die sich als Hausärzte auf dem Land niederlassen, geht zurück. Schmallenberg steuert mit einem Förderprogramm dagegen.

Mit einem eigenen Förderprogramm will Schmallenberg Hausärzte ins Stadtgebiet ziehen. Die Einzelheiten hat jetzt Nicole Mette, Leiterin des Hauptamtes, im Haupt- und Finanzausschuss vorgestellt. Bürgermeister Burkhard König fasst die Richtlinie selbstbewusst zusammen: „Im interkommunalen Wettbewerb hat Schmallenberg damit ein deutliches Zeichen gesetzt.“

 Burkhard König, Bürgermeister der Stadt Schmallenberg.
Burkhard König, Bürgermeister der Stadt Schmallenberg. © Archiv

Die aktuelle Situation

Die Zahl der niedergelassenen Hausärzte auf dem Land geht zurück. „Immer weniger Mediziner sind bereit, sich als Vertragsarzt in ländlichen Gebieten niederzulassen, was dazu führt, dass Hausärzte Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden“, schreibt die Stadt in ihrer Verwaltungsvorlage und nimmt - ohne einen Namen zu nennen - auch Bezug auf einen Mediziner, der bereits konkret angekündigt habe, dass er zum Jahresende aufhören wolle. Absehbar kämen zwei weitere Praxen hinzu.

Das Problem: Junge Mediziner und Medizinerinnen rücken nicht nach. Sie bleiben nach dem Studium in den Großstädten, arbeiten dort lieber als angestellte Ärzte, statt sich selbstständig zu machen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, so die Stadt: Neben einer besseren Work-Life-Balance im Angestelltenverhältnis und dem Wunsch, zumindest zeitweise nur Teilzeit zu arbeiten, kämen „Budgetierung, zunehmende Bürokratisierung, informationstechnische Hürden und eine schwache Infrastruktur auf dem Land“.

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Medizinstudium bereitet nicht auf die Niederlassung vor

Das deutsche Medizinstudium bereitet zudem nicht auf die Niederlassung vor. Eine Praxis aber ist ein kleines Unternehmen und alles, was nötig ist, um ein solches zu führen, müssen Mediziner zusätzlich zur täglichen Arbeit als Arzt erlernen. Sorge macht vielen daher, ob und wie eine Praxis wirtschaftlich zu führen ist. An dieser Stelle will die Stadt helfen.

Mit finanzieller Unterstützung versucht sie, Ärzten den Wechsel aufs Land zu erleichtern. Dabei gilt die Finanzhilfe nicht nur für neue Niederlassungen, auch Ärzte, die ihre Praxis vergrößern, einen Kassensitz aufkaufen und einen Arzt oder eine Ärztin dafür einstellen, können in den Genuss der Förderung kommen. Theoretisch, so Burkhard König, könnten auch Unternehmer hier tätig werden, indem sie freiwerdende Kassensitze aufkaufen und mit angestellten Medizinern beispielsweise in einem MVZ besetzen.

Die Eckdaten der Richtlinie

Die wichtigsten Eckdaten: Die Mediziner dürfen maximal 55 Jahre alt sein, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Die Stadt gibt entweder selbst ein zinsgünstiges Darlehen für den Erwerb oder die Einrichtung einer Praxis, für die Ausstattung mit medizinischem Gerät, Mobiliar und EDV und unterstützt während der ersten Monate, in denen niedergelassene Ärzte noch keine Einnahmen habe. Oder sie gibt zu einem bestehenden Darlehen einen Zuschuss. Im Gegenzug verpflichten sich die Mediziner, die hausärztliche Versorgung für fünf bis zehn Jahre zu übernehmen. Allein der Kauf einer Immobilie sei nicht förderfähig. König: „Damit würden wir bleibende Vermögenswerte schaffen.“

Beratung der Mediziner inklusive

Die Richtlinie, so betonten Mette und König, sei erstmal auf ein Jahr festgelegt, sie sei leicht anzupassen und beinhalte auch die Beratung der interessierten Mediziner. Man wolle nicht zu viel regulieren, fasste es Jens Winkelmann, der CDU-Fraktionsvorsitzende, in der Diskussion im Ausschuss zusammen: „Es ist ein Signal an die Ärzte: Wir unterstützen euch, kommt auf die Stadt zu. Wenn es Themen gibt, die nicht abgedeckt sind, können wir über alles reden.“

Stefan Wiese (UWG) unterstützte, wie alle übrigen Politiker, die neue Förder-Richtlinie. Das sei zwar „keine ureigene kommunale Aufgabe. Aber wenn wir uns nicht beteiligen, werden wir abgehängt. Schon heute muss hier jeder, der seinen Hausarzt verliert, sehen, wo er bleibt.“

Nicht nur Bürger profitieren

Die Förderung sei wichtig, so unterstrich auch Mette, denn eine gute medizinische Versorgung zahle sich nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger aus, sondern sei auch wichtig zur Fachkräftegewinnung, für den Tourismus und mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen. Einstimmig wurde die Richtlinie - vorbehaltlich kleinerer formaler Änderungen - an den Rat zur Beschlussfassung weitergegeben.

>>> HINTERGRUND

Die zunehmend schlechter werdende Versorgung in Schmallenberg spiegelt sich auch in der Bedarfsberechnung zur Landarztquote der KVWL von Februar 2022 wider. Dort werden 13 anrechenbaren Hausarztsitze genannt. Das entspricht einem Versorgungsgrad von 85,6 Prozent. 2030 allerdings, so die KVWL-Prognose, werden es nur noch 10,5 sein, der Versorgungsgrad wäre dann auf 71,2 Prozent gefallen.

„Akut“, so erklärt die Verwaltung, „fällt Schmallenberg damit nicht als Fördergebiet unter das Aktionsprogramm des Landes“, aber mittelfristig sei ein Förderbedarf gegeben. Hinzu komme, dass zwei der gezählten Arztsitze nicht durch Hausärzte, sondern anderweitig besetzt sind. „Dadurch stellt sich die tatsächliche Situation im Bereich der hausärztlichen Versorgung in Schmallenberg ernster dar als prognostiziert“, fasst die Stadt zusammen. Ein entsprechender Einwand gegenüber der KVWL zur Prognoseberechnung sei bereits erfolgt, eine Änderung jedoch nicht zu erwarten.