Schmallenberg. Nadine Hömberg will Hausärztin werden - in Teilzeit. Die Schmallenbergerin berichtet, warum sie das in der Praxis „360 Grad Mensch“ macht.
Hausärzte werden dringend gesucht. Junge Mediziner, die ihre Facharztausbildung im Sauerland machen, geben den Menschen Hoffnung, dass ihre ärztliche Versorgung gesichert bleibt. Doch nur wenige entscheiden sich für die Hausarztpraxis im ländlichen Raum, so scheint es. In der Praxis 360 Grad Mensch von Dr. Martin Riffelmann und Dr. Katja Köhler in Schmallenberg gibt es aktuell gleich drei davon: Dr. Nils Völkel, Dr. Anna Noeke und Nadine Hömberg. Kein Zufall.
Überzeugungsarbeit und glückliche Zufälle
„Es war eine Mischung aus Überzeugungsarbeit und glücklichen Zufällen“, sagt Nadine Hömberg. Die 39-Jährige kannte Martin Riffelmann bereits privat, als sich die Sauerländerin nach ihrer Zeit im Krankenhaus für die Facharztausbildung in Schmallenberg entschied. Sie stammt aus Bremke und lebt heute mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern in Arpe.
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2002 machte sie in Schmallenberg ihr Abitur. „Danach wusste ich nicht so recht, was ich werden soll.“ Nach mehreren Praktika, unter anderem im Krankenhaus in Meschede, begann sie 2003 eine Ausbildung zur Medizinisch-technischen Radiologie-Assistentin an der Uniklinik in Bonn. „Danach wollte ich erst einmal Geld verdienen.“ Unter anderem arbeitete sie knapp zwei Jahre in einem Krankenhaus in der Schweiz. Immer wieder habe sie darüber nachgedacht, doch noch Medizin zu studieren.
Stipendium finanziert das Studium
Doch sie wollte ihren Eltern nicht auf der Tasche liegen. 2010 tat sich dann noch eine Möglichkeit auf: Sie erhielt ein Aufstiegsstipendium des Ministeriums für Bildung und Forschung, studierte in Bochum und Essen. „Mit 27 gehörte ich da noch nicht zu den Ältesten“, erzählt sie. Es seien einige gewesen, die wie sie erst eine Ausbildung absolviert hatten. Medizinische Vorkenntnisse und mehr Lebenserfahrung wirkten sich aus: „Wir sind alle gut durchs Studium gekommen.“ Und Nadine Hömberg nennt einen weiteren Vorteil: „Man hat einen Job, in dem man neben dem Studium arbeiten kann.“
Praktisches Jahr im Klinikum Hochsauerland
Ihr Praktisches Jahr machte sie dann im Klinikum Hochsauerland, wo sie anschließend auch ihre erste Stelle in der Inneren Medizin und Gastroenterologie in Hüsten antrat. 2019 bekam sie ihr erstes Kind und 2020 das zweite. Seit rund einem Jahr ist sie Teil der Praxis 360 Grad Mensch, um dort den zweiten Teil ihrer fünfjährigen Facharztausbildung zu machen - in Teilzeit. Dadurch verlängert sich diese bis zum Jahr 2026.
Medizin wird weiblicher
Nadine Hömberg ist ein Beispiel für den Wandel in der Medizin: Das Fach wird seit Jahren weiblicher. Junge Mütter wollen und können nicht voll arbeiten. Sie suchen sich eine Praxis, in der das akzeptiert wird. „Martin Riffelmann und Katja Köhler sind noch jung und haben selbst Kinder“, sagt Nadine Hömberg. „Sie haben Verständnis für meine Situation.“ Ein weiterer Vorteil: Die Praxis mit mehreren Kollegen - an der Obringhauser Straße sind es insgesamt vier ausgebildete Fachärzte - bietet Entlastung. „Wenn mal jemand krank wird, müssen nicht gleich alle Termine abgesagt werden.“ Und: Katja Köhler darf Fachärzte ausbilden. Sie hat die Weiterbildungsbefähigung, weil es ihr wichtig ist, den Nachwuchs im Sauerland zu fördern.
Großpraxen als Trend der Zeit
Nadine Hömberg ist überzeugt, Großpraxen mit mehreren Kollegen, das ist der Trend der Zeit: „Natürlich wünschen sich Patienten ,ihren’ Hausarzt, der sie gut kennt und alles weiß. Hier kann es sein, dass man immer mal einen anderen Kollegen oder eine Kollegin spricht. Aber dafür ist immer jemand da, wenn man akut einen Termin braucht.“ Für alle, nicht nur in de Ausbildung, sei es ein großer Vorteil, dass man sich schnell eine Zweitmeinung einholen könne. „Und wir dokumentieren die Behandlungen und Therapien ja auch im Computer.“
Für die Hausarztpraxen sieht die Schmallenbergerin übrigens gar nicht so schwarz: „Die meisten Ärzte, die ich kenne, entscheiden sich nach einer Zeit im Krankenhaus dafür, doch noch in einer Praxis zu arbeiten. Die Arbeitszeiten sind einfach deutlich angenehmer.“ Gerade weil es nicht mehr die alte Landarztpraxis ist, in der ein Hausarzt 24 Stunden am Tag für seine Patienten bereitsteht.
Hintergrund
Dr. Nils Völkel arbeitete vor seiner Zeit in der Praxis 360 Grad Mensch im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft.
Dr. Anna Noeke lernte Dr. Katja Köhler bei einem Vortrag kennen. Sie lebt in Meschede und entschied sich für die Schmallenberger Praxis. Wie Nadine Hömberg arbeitet sie bereits eine Zeit am Klinikum Hochsauerland, wo die beiden Frauen sich auch kennenlernten. Unabhängig voneinander bewarben sie sich in Schmallenberg.