Hochsauerlandkreis. Die Bundesregierung hat neue Pläne zur Legalisierung von Cannabis vorgelegt. Was ist geplant – und was bedeutet das für den HSK und die Polizei?

Das grüne Kraut ins Blättchen, Feuerzeug an, der Joint glüht – und das vielleicht bald sogar legal. Zumindest, wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht. Erst vor einer Woche legten Karl Lauterbach und Cem Özdemir einen neuen Plan für die Entkriminalisierung der beliebten, derzeit verbotenen Droge vor.

Es dauerte nicht lange, da äußerte sich die Gewerkschaft der Polizei zu dem Vorhaben: Bundesvorsitzender Jochen Kopelke kritisierte die Regierung und befürchtet einen „Schwarzmarkt für Jugendliche“, NRW-Vorsitzender Michael Mertens bezeichnete das Ganze als „Realsatire“.

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Polizeigewerkschaft: Kreisgruppe Hochsauerlandkreis zu den Vorhaben zur Legalisierung

Bald könnte der Joint legal brennen: Die deutsche Bundesregierung will Cannabis mindestens entkriminalisieren. Die Polizeigewerkschaft im HSK hat dazu eine klare Meinung.
Bald könnte der Joint legal brennen: Die deutsche Bundesregierung will Cannabis mindestens entkriminalisieren. Die Polizeigewerkschaft im HSK hat dazu eine klare Meinung. © dpa | Christoph Soeder

Wie die Kreisgruppe Hochsauerlandkreis zu den Entwürfen der Bundesregierung steht, erklärt ihr Vorsitzender Sven Brandes aus Meschede im Gespräch mit unserer Zeitung.

Doch zu allererst: Was ist überhaupt geplant, und wie kam es dazu? „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Dieser Satz steht im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vom 7. Dezember 2021. Soweit die Idee.

EU kippte alte Pläne

Letztlich war es die EU, die der deutschen Bundesregierung einen Strich durch die Rechnung machte. Im Oktober stand im Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium noch der „Verkauf in lizenzierten Geschäften und Apotheken“, neben einigen anderen Eckpunkten zu Menge und THC-Gehalt. Weil sich das mit allgemeingültigem EU-Recht nicht vereinen ließ, war der Entwurf vom Tisch.

Maximal 50 Gramm im Monat

Nun gibt es einen neuen: In so genannten „Cannabis-Clubs“ – dabei soll es sich um nicht-gewinnorientierte Vereinigungen handeln – sollen Mitglieder mit Produkten aus eigenem Anbau versorgt werden. Erlaubt sein sollen dann 25 Gramm pro Person pro Tag, oder maximal 50 im Monat.

Dazu soll jeder Bürger bis zu drei Pflanzen im Eigenanbau aufziehen dürfen.

Lizenzierte Fachgeschäfte

Darüber hinaus sollen in einem nächsten Schritt in so genannten Modellregionen lizenzierte Fachgeschäfte entstehen, die mit wissenschaftlicher Begleitung den Verkauf der Nummer-Drei-Volksdroge testen. Soweit, so gut.

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Sven Brandes, Vorsitzender der Kreisgruppe HSK der Polizeigewerkschaft.
Sven Brandes, Vorsitzender der Kreisgruppe HSK der Polizeigewerkschaft. © WP | WP

Jugendschutz gewährleistet?

In einem Statement zu den Aussagen seiner Kollegen, fasst sich Kreisgruppenvorsitzender Brandes kurz: „Die Pläne der Regierung sehen vor, dass der Erwerb über die so genannten Clubs beziehungsweise der Eigenanbau ab 18 Jahren erlaubt ist. Jüngere Konsumenten werden sich also weiterhin illegale Wege suchen müssen, wenn sie Cannabis erwerben wollen“, erklärt er.

Die Folgen liegen auf der Hand: Wenn Minderjährige an die Droge gelangen wollen, brauchen sie einen Dealer. Der macht sich strafbar. Und der Jugendschutz ist nicht gewährleistet.

Illegaler Erwerb nachweisbar?

Nichtsdestotrotz könnte es sein, dass das Gesetz in dieser oder ähnlicher Form in Kraft tritt. Das wirkt sich auf die Kontrollen der Polizei aus – eine ganz neue Situation entsteht.

„Unter anderem muss dann geklärt werden, ob das Cannabis legal oder illegal erworben wurde“, erklärt Brandes. „Ich glaube, dass es nur noch schwer möglich sein wird, den illegalen Erwerb nachzuweisen.“

Fahrtüchtigkeit unter Cannabiseinfluss

Sollte es so kommen, würde das den Schwarzmarkt eher stärken, als schwächen, so seine Einschätzung. Hier sei nun der Gesetzgeber gefordert, Regelungen zum Nachweis des legalen Besitzes zu schaffen.

Derzeit wird Marihuana in Deutschland zu medizinischen Zwecken angebaut und angewendet. Plantagen könnte es demnächst mehr geben, in sogenannten Cannabis-Clubs. Und das auch im HSK.
Derzeit wird Marihuana in Deutschland zu medizinischen Zwecken angebaut und angewendet. Plantagen könnte es demnächst mehr geben, in sogenannten Cannabis-Clubs. Und das auch im HSK. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Damit nicht genug – es bleiben weitere Fragen. Zum Beispiel der Umgang mit dem Führerschein und möglichen Drogenkontrollen: „Betäubungsmittel werden im Körper deutlich langsamer abgebaut als Alkohol. Auch nach mehreren Tagen kann bei einer Verkehrskontrolle der Drogenkonsum nachgewiesen werden“, schildert der Polizeigewerkschafter.

Auch hier sei der Gesetzgeber dringend gefordert, sich vor einer Legalisierung mit dem Thema zu befassen.

Mehrbelastung für die Polizei möglich

Dass eine Legalisierung dieser Form die Polizei entlasten würde, glaubt Brandes nicht: „Die Bearbeitung wird sich im Falle einer Legalisierung verändern.“ Soviel ist klar.

Doch da der Nachweis des Handels schwieriger werde, glaube er nicht, dass seine Kolleginnen und Kollegen tatsächlich entlastet würden. „Ich gehe letztlich sogar von einer Mehrbelastung aus“, erklärt er.

Schwarzmarkt: So hoch ist das Risiko

Und nun ein Blick auf die Frage, die in der ganzen Debatte wahrscheinlich am meisten diskutiert wird: Wie wird sich der Schwarzmarkt entwickeln? Schließlich ist es eins der wichtigsten Argumente der Legalisierungs-Befürworter, dass dieser eingegrenzt werden kann.

Was tut die Polizei?

Wie sieht eigentlich die Gesetzeslage derzeit aus? Ab wann ist Cannabisbesitz illegal?

Laura Burmann, Pressesprecherin der Polizei HSK erklärt: „Es gibt keine Mindestmenge, ab der die Polizei tätig wird. Die Beamten schreiten immer ein und leiten ein Verfahren ein. Ob eine Anzeige fallengelassen wird, liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaft.“

Rauschgiftdelikte im HSK in den vergangenen drei Jahren:

Im Jahr 2020 gab es 1262 Rauschgiftdelikte (975 Konsumdelikte; 241 Handel/Schmuggel) und 39 Unfälle unter Einwirkung von Alkohol/Drogen.

Ein Jahr später – 2021 – waren es 1403 Rauschgiftdelikte (1068 Konsumdelikte; 267 Handel/Schmuggel) und 48 Unfälle unter dem Einfluss von Alkohol/Drogen.

Im vergangenen Jahr 2022 beläuft sich die Zahl auf 1292 Rauschgiftdelikte (978 Konsumdelikte; 265 Handel/Schmuggel). 2022 kam es zu 49 Unfällen unter dem Einfluss von Alkohol/Drogen.

Ganz verschwinden wird er wohl nie, wie auch Brandes verdeutlicht: „Da auf dem Schwarzmarkt sämtliche Betäubungsmittel und nicht nur Cannabis gehandelt werden, wird es den Schwarzmarkt auch weiterhin geben“, erklärt er.

50 Joints

Durch die Legalisierung werde es für die Polizei nur schwieriger, diesen Schwarzmarkt zu kontrollieren. Vorgesehen ist nämlich derzeit, dass der Besitz und das Mitführen von 25 Gramm Marihuana erlaubt sind.

„Das entspricht übrigens in etwa dem Inhalt einer DIN A5 Versandtasche und reicht für mindestens 50 Joints“, sagt Brandes über die Größenordnung der Pläne.

Jeder könnte Dealer werden

„Der Schwarzmarkt wird sich aber vermutlich mehr auf die Jugendlichen verlagern, da diese legal kein Cannabis erwerben können. Außerdem könnte demnächst jeder, der Cannabis legal besitzt, zum Verkäufer werden. Das ist für die Polizei nur sehr schwer zu kontrollieren“, so sein Fazit.

Thema im HSK

Und hier, im Hochsauerlandkreis? Hat das Thema Cannabishandel hier überhaupt eine große Relevanz, würden hier solche „Cannabis-Clubs“ entstehen?

„Die Kriminalstatistik zeigt ja, dass auch im HSK flächendeckend Betäubungsmittel konsumiert und verkauft werden. Daher würde die Einrichtung von Clubs auch Einfluss auf die Polizeiarbeit im HSK haben“, so Brandes zum lokalen Geschehen.

Kein Verfechter der Pläne

So sehen die Cannabisblüten der weiblichen Pflanze aus der Nähe aus. Bis zu drei Stück sollen User demnächst anbauen dürfen.
So sehen die Cannabisblüten der weiblichen Pflanze aus der Nähe aus. Bis zu drei Stück sollen User demnächst anbauen dürfen. © dpa | Sebastian Kahnert

Möglicherweise mehr Arbeit, definitiv schwierigere Kontrollen und viele offene Fragen: Auch die Kreisgruppe Hochsauerlandkreis der Gewerkschaft der Polizei scheint kein Verfechter der geplanten Schritte seitens der Bundesregierung.

Die Droge

Was genau steckt eigentlich hinter der Droge?

Bis heute ist wissenschaftlich nicht genau geklärt, wie die Droge Cannabis im Gehirn wirkt. Sie kann sowohl negative als auch positive Gefühle verstärken, jeder Konsum und Rausch ist unterschiedlich.

Der Wirkstoff, der „high“ macht, also den Rausch auslöst, ist Tetrahydrocannabinol, oder kurz THC. Im Gehirn gibt es zwei sogenannte Cannabinoid-Rezeptoren, an die die körpereigenen Cannabinoide andocken.

Konsumiert eine Person, dockt das THC an den Rezeptoren an – und nicht mehr die körpereigenen Cannabinoide. Somit übernimmt das THC das System, und kann es aus dem Gleichgewicht bringen, da Informationen ungleich verteilt werden.

Typische positiv empfundene Wirkungen sind Lachanfälle, ein entspanntes Gefühl oder übermäßiger Appetit und Hunger.

Negativ empfunden werden häufig Panik, körperliche Auswirkungen wie Herzrasen, Halluzinationen oder Erinnerungsverluste.

Langfristiger regelmäßiger Konsum kann zu Trägheit, beeinträchtigter Leistung und Konzentration sowie gar Psychosen führen. Depressionen oder Angststörungen treten immer wieder bei chronischem Konsum auf. Beim Konsum durch Rauchen wird das Lungenkrebs-Risiko erhöht.

Cannabis, Haschisch, Marihuana, Gras – die Begriffe

Cannabis ist der lateinische Name für die Hanf-Pflanze. Häufig wird es synonym für die Droge verwendet, es meint aber eigentlich „nur“ die Pflanze.

Das, was letztlich die Droge ist, sind die getrockneten Blüten der weiblichen Hanf- oder Cannabispflanze. Auf diesen sitzt das „Harz“, das eine hohe THC-Konzentration hat. Hier spricht man von Marihuana oder umgangssprachlich Gras.

Haschisch oder kurz Hasch entsteht, wenn das Harz der weiblichen Pflanze gesammelt und gepresst wird.

Joint oder Brownies – der Konsum

Die meisten Konsumenten rauchen Joints oder Blunts – diese sehen aus wie längliche Zigaretten, sind aber gefüllt mit Marihuana (teils gestreckt mit Tabak). Die Droge lässt sich auch durch einen Verdampfer konsumieren, oder aber erhitzen und in Lebensmitteln (wie den bekannten Hasch-Brownies) verarbeiten. Je nach Konsumart hält der Rausch länger an und wird intensiver.

Spannend wird die Debatte bleiben – ob der Joint tatsächlich wirklich demnächst legal brennt, wird sich zeigen.