Meschede. Offene Worte findet in Meschede das Gericht zum Konflikt zwischen Kurden und Türken. An der Ruhr wurden eine Machete und eine Pistole gezogen.

Das Gericht spricht von einem „vergifteten Klima“ und einem „schwelenden Konflikt“ zwischen Kurden und Türken in Meschede. An der Ruhr bricht dieser Konflikt einmal mehr offen aus: Junge Kurden haben dort junge Türken in einen Hinterhalt gelockt. Das sieht das Jugendschöffengericht als erwiesen an. Dabei werden auch Waffen gezogen. Das Gericht erkennt darin eine „hochaggressive Tat“.

Jugendstrafen für Angeklagte

Anders als im Erwachsenenstrafrecht steht beim Jugendstrafrecht der Erziehungscharakter im Vordergrund. Deshalb sind die Strafen auch anders: Wegen gemeinschaftlich begangener Bedrohung muss ein 16 Jahre alter Kurde nun 40 Sozialstunden ableisten, außerdem muss er einen sozialen Trainingskurs besuchen. Sein 19 Jahre alter Komplize muss 600 Euro Geldbuße an den Weißen Ring bezahlen. Ein dritter Kurde, hier nicht angeklagt, wird sich noch allein in einem Prozess verantworten müssen: Er soll einem der Türken ein Messer an den Bauch gehalten und einen anderen geschlagen haben.

Durch ein Video und Schmährufe provozierten die drei Kurden im vergangenen Juni die Türken, die sich abends an ihren Autos am Finanzamt getroffen hatten. Vier von ihnen gingen daraufhin zu den Kurden, um sie zur Rede zu stellen – die drei liefen aber in Richtung Kolpinghaus weg und verschwanden dort auf dem Fußweg an der Ruhr. Die vier Türken hinterher. Das erwies sich dann als Falle, die Kurden warteten dort schon. Der dritte Täter stürmte aus einem Gebüsch und schlug sofort zu.

19-Jähriger ruft: „Ich knall euch alle ab!“

Am zweiten Prozesstag wurden zwei 20 und 24 Jahre alte Männer aus der Gruppe der Türken erstmals als Zeugen gehört, die (seltsamerweise) am Tatort nicht von der Polizei angehört worden waren.

Hier am Fußweg an der Ruhr in Meschede spielte sich die Auseinandersetzung ab.
Hier am Fußweg an der Ruhr in Meschede spielte sich die Auseinandersetzung ab. © Jürgen Kortmann

Beide identifizierten die Angeklagten: Diese hätten auch Waffen gezogen - der 16-Jährige eine Machete, der 19-Jährige eine Pistole. Der 24-Jährige will auch gehört haben, dass der Pistolen-Mann sagte: „Ich knall euch alle ab!“ Auch der Macheten-Mann soll gerufen haben: „Ich bringe euch um!“ Eingesetzt wurden die Waffen glücklicherweise nicht.

Ein fünfter Türke, der hinzukommt, rief in der Zwischenzeit die Polizei. Die Täter flüchteten. „Wir waren alle unter Schock“, sagte der 24-Jährige. In seiner Gruppe habe niemand eine Waffe gehabt. Angeblich hätten die Kurden schon in der Vergangenheit versucht, die Türken zu provozieren – sie wären zum Beispiel laut Kurdisch sprechend an ihnen vorbei gegangen.

Anwälte fordern Freisprüche

Untereinander gekannt haben wollen sich beide Parteien nicht, man habe sich nur mal im Stadtbild gesehen. Die Namen der Kurden lieferten die Türken selber der Polizei: Man hörte sich über die sozialen Netzwerke entsprechend um – „die Jugendlichen sind so gut vernetzt“, bestätigte eine Kriminalbeamtin.

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Die Anwälte der Kurden, Otto Entrup und Egbert Siebers, forderten Freisprüche. Bei den neu aufgetauchten Zeugen argwöhnte Siebers, dass es zwischen den Prozesstagen eine Absprache gegeben haben könnte zu der entscheidenden Frage: „Habt ihr die Waffe gesehen?“ Es sei schon ein merkwürdiger Zufall, dass jetzt neue Zeugen aufgetaucht waren, die die Polizei angeblich übersehen hatte.

Otto Entrup sprach von einer „Dauerfehde und ständigen Auseinandersetzungen zwischen zwei Volksgruppen in dieser Stadt“ – angesichts des „derart vergifteten Klimas“ dürften sich die Strafverfolgungsbehörden nicht zum „Büttel“ machen: Zu sehr würden Details in den Zeugenaussagen voneinander abweichen.

Auch die Staatsanwaltschaft forderte für den 19-Jährigen einen Freispruch: Eine Bedrohung mit der Pistole sei nicht nachweisbar.

Richterin: „Ein planvolles, gemeinsames Vorgehen“

Das Schöffengericht um Richterin Mareike Vogt aber glaubte den Aussagen: Das Kerngeschehen sei von den Zeugen sehr ähnlich geschildert worden.

Abends treffen sich auf dem Parkplatz am Finanzamt in Meschede junge Männer - hier war der Ausgangspunkt der Auseinandersetzung.
Abends treffen sich auf dem Parkplatz am Finanzamt in Meschede junge Männer - hier war der Ausgangspunkt der Auseinandersetzung. © Jürgen Kortmann

„Es war kein Zufall, dass die Waffen auf einmal auftauchten. Das war ein planvolles, gemeinsames Vorgehen“, so Vogt – ein geplanter Hinterhalt.

Das Gericht hielt auch den Pistolen-Mann für schuldig. Selbst wenn er mit der Pistole nicht auf jemanden gezielt habe: Allein eine Schusswaffe zu ziehen, sei „objektiv geeignet, um eine Bedrohung hervorzurufen“. Und: „In einer ohnehin schon so aufgeladenen Situation mit zwei Stichwaffen eine Pistole zu ziehen, verstärkt die Lage nur noch mehr.“ Angesichts der angespannten Lage in Meschede zwischen den beiden Gruppen „schrillen die Alarmglocken“.

Im sozialen Trainingskurs soll der Macheten-Mann deshalb lernen, „dass diese Art der Konfliktbehandlung nicht die richtige ist“. Nimmt er nicht an dem Training teil, droht ihm ein Arrest wegen Ungehorsams. Keinen Glauben schenkte das Gericht der Version der Angeklagten: Sie behaupteten, ihrerseits nur auf der Bank an dem Spielplatz gechillt zu haben, als sie plötzlich von den Türken angegriffen worden seien.