Meschede. Wieder wird in Meschede ein Konflikt zwischen jungen Kurden und Türken bekannt - ausgetragen an der Ruhr. Ein Video soll der Auslöser sein.

Erneut ist ein Konflikt zwischen jungen Kurden und Türken in Meschede bekannt geworden. Dabei sollen auch eine Schusswaffe und eine Machete gezogen worden sein. Hintergrund war offenbar ein Video.

Wie erst jetzt bekannt wird, ereignete sich die Auseinandersetzung Anfang Juni 2022. In diesem Fall sollen Kurden die Täter und Türken ihre Opfer gewesen sein. Zwei junge Männer, 16 und 19 Jahre alt, müssen sich wegen gemeinschaftlicher Bedrohung und Körperverletzung vor dem Jugendschöffengericht in Meschede verantworten. Die Darstellungen gehen weit auseinander: Die jetzt Angeklagten beschuldigen die Opfer, von ihnen angegriffen worden zu sein – und umgekehrt.

Heimlich aufgenommenes Video

Die jungen Männer mit türkischen Wurzeln sind an dem Sommerabend auf dem Parkplatz des Finanzamtes – dort trifft man sich häufig, wie es vor Gericht heißt, unter „richtigen Kollegen“ (das sind engere Bekannte, die immer zusammen sind) und „Kollegen von Kollegen“ (so heißen nicht so gute Bekannte).

Hier am Finanzamt treffen sich abends junge Männer mit ihren Autos - dort beginnt die Konfrontation.
Hier am Finanzamt treffen sich abends junge Männer mit ihren Autos - dort beginnt die Konfrontation. © Jürgen Kortmann

Hauptthema ist an diesem Abend das neue Auto des späteren Haupt-Opfers, ein 23-Jähriger. Dann schickt ein „Kollege von Kollegen“ von außerhalb plötzlich ein gerade heimlich aufgenommenes Video von dieser Gruppe privat an einen in der Gruppe, das er empfangen hatte – und der „Botschaft“ darin, „Wir wollen euch f***!“ Die Absender sollen die beiden Angeklagten und ein dritter Komplize gewesen sein, die in Höhe des DM stehen und schon rufen: „Kommt doch, kommt doch!“

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Darauf gehen auch einige der Türken-Kollegengruppe ein – wie sie sagen, um mal nachzufragen, was das solle. Vorneweg der 23-Jährige, gefolgt von vier anderen „seiner Jungs“, wie er sie nennt. Doch die drei Männer mit kurdischen Wurzeln laufen weg, in Richtung Ruhrbrücke. Dann verschwinden sie plötzlich in Richtung Fußweg zur Ruhr und Kinderspielplatz hinter dem Kolpinghaus.

Ein geplanter Hintergrund?

Jetzt wird daraus, was den Opfern erst hinterher dämmert – nämlich ein offenbar geplanter Hinterhalt. Denn als die fünf auf dem engen Fußweg sind, wartet der 19-jährige Angeklagte bereits oben, der dritte Täter (den ein eigener Prozess erwartet) stürmt plötzlich aus dem Gebüsch und schlägt einem sofort die Faust ins Gesicht – eine „Bombe“, wie man das in der Szene offenbar nennt.

Hier hinter dem Kolpinghaus in Meschede, am Fußweg an der Ruhr, eskaliert die Auseinandersetzung.
Hier hinter dem Kolpinghaus in Meschede, am Fußweg an der Ruhr, eskaliert die Auseinandersetzung. © Jürgen Kortmann

Der 23-Jährige wiederum wird dann mit einem Messer am Bauch von dem dritten Täter bedroht, der 16-Jährige soll eine Machete gezogen haben: „Ich stand da wie eine Statue, ich hatte Angst um mein Leben.“

In dieser ohnehin brenzligen Situation soll der 19-Jährige eine Schusswaffe gezogen und durchgeladen haben – die Opfer erinnern sich alle an dieses auffallende metallische Geräusch (das sie aus Filmen kennen, aus Videospielen). Einer aus der Türkengruppe hat inzwischen die Polizei gerufen, oben auf der Terrasse des China-Restaurants sind auch Gäste auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden. Die drei Täter fliehen.

Angeklagten sagen: Es war genau anders herum

Oder stimmt das alles gar nicht? Die beiden Angeklagten behaupten, an dem Abend nur auf der Bank an dem Spielplatz herumgehangen zu haben. Der 19-Jährige sagt: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt eine Waffe gehabt.“ Dann seien die Türken plötzlich gekommen und hätten ihrerseits die Kurden angegriffen – woraufhin sie dann weggelaufen seien.

Warum das alles? Rätselhaft. Die Opfer vermuten, die Täter hätten sich wohl einen Namen machen wollen. Der 23-Jährige erinnert sich: Früher habe man sogar miteinander gespielt, „aber irgendwann ist etwas mit denen passiert“. Im Prozess jetzt geht es um viele Details, die die Rechtsanwälte der Kurden, Otto Entrup und Egbert Siebers, geklärt haben wollen: Warum können sich die Opfer angeblich an so vieles erinnern, aber nicht einmal an so Offensichtliches – etwa, wie das Wetter war, wann die Auseinandersetzung war, was die Täter an Kleidung trugen. Und warum geht die Opfergruppe nachher zum Geschäft des Vaters eines der Angeklagten? Angeblich sollte sich sein Sohn bei ihnen entschuldigen. Der Prozess wurde vertagt.

Zuletzt war bekannt geworden, dass vor dem Landgericht Arnsberg der Fall einer Massenschlägerei an der Aral-Tankstelle aus 2017 neu aufgerollt wird: Auch damals war das eine Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken.