Schmallenberg. Der Streit um das Wisent-Projekt hat eine neue überraschende Wendung genommen. Die Meinung der Schmallenberger dazu ist deutlich.
Das Wisent-Projekt steht jetzt offiziell vor dem Aus. Der Kreis Siegen-Wittgenstein hatte das verkündet, nachdem der Trägerverein den öffentlich-rechtlichen Vertrag gekündigt und die wildlebende Herde mit rund 25 Wisenten für herrenlos erklärt hatte. Für eine Zusammenarbeit gebe es laut Kreis nun keine Basis mehr. So blicken die Schmallenberger auf die Wendung im Wisentstreit.
„Die Erklärung des Trägervereins kommt völlig überraschend“, sagt Schmallenbergs Bürgermeister Burkhard König. Sie werde der Verantwortung für das Projekt keinesfalls gerecht. „Als Stadt Schmallenberg haben wir von Beginn an die Einstellung des Projektes gefordert.“ Die Konsequenzen, vor allem die rechtlichen Konsequenzen, würden jetzt von den beteiligten Kreisen erörtert.
Rechtliche Schritte prüfen
Wie verärgert man im Kreishaus Siegen über die Ankündigung des Trägervereins ist, die Tiere für herrenlos zu erklären und sämtliche Management-Maßnahmen einzustellen, wird aus der öffentlichen Mitteilung deutlich: „Der Verein will damit die Verantwortung für die Herde auf die öffentliche Hand überwälzen und zu Lasten der privaten Eigentümer eine Pflicht zur Duldung von Fraßschäden auslösen. Dieses vertragswidrige Verhalten des Vereins werden die Dienststellen des Kreises und des Landes nicht auf sich beruhen lassen.“
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Das betont auch Dr. Karl Schneider, Landrat des HSK: „Wir werden prüfen, ob der Verein rechtlich dazu befugt ist, einseitig die Herrenlosigkeit der Tiere zu erklären.“ Eine kritische Reflexion hätte er sich gewünscht, nachdem nun nach jahrelangem Rechtsstreit ein Urteil des Bundesgerichtshof zu Gunsten der Waldbauern gesprochen wurde. „Auf Sauerländer Seite herrscht große Verbitterung“, sagt der Landrat mit Nachdruck. Er ist aber auch dankbar, dass sowohl das Ministerium als auch der Kreis Siegen-Wittgenstein das Wisent-Projekt nun für beendet erklärt haben. Für eine Gatterung und dauerhafte Lenkung der Tiere, wenn man sich für eine derartige Lösung entschieden hätte, wären enorme Kosten angefallen. „Dabei haben wir in diesen Zeiten doch ganz andere Sorgen.“
Langer Atem
Waldbauer Hubertus Dohle ist froh darüber, dass er einen langen Atem hatte. „Es sind uns genügend Knüppel zwischen die Beine geworfen worden.“ Seit 2013 streiten Sauerlander Waldbauern vor Gericht darum, dass ihr Eigentum nicht beschädigt wird, seit 2015 klagt Hubertus Dohle. Das Verhalten des Trägervereins bezeichnet er als „absolutes Chaos! Eine Frechheit! Das zeigt den Charakter.“
Land und Kreis hätten versprochen, dass die Tiere eingefangen werden. „Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber das geht in die richtige Richtung“, ist Dohle zuversichtlich. Der Trägerverein hätte das Equipment und auch die nötige Erfahrung dafür - dass man sich aber nun einfach herausziehe, sei verantwortungslos. Auch gegenüber den Behörden, die das Wisent-Projekt lange unterstützt hätten. „Unsere Bedenken, dass da etwas nicht stimmt, haben sich doch jetzt bestätigt“, sagt der Waldbauer.
Mehrere Millionen Euro Fördermittel
Die bundesweit bekannte Auswilderung der Wisente ist seit Jahren umstritten. Auf der einen Seite des Rothaarkamms in Bad Berleburg ist das Projekt beliebt, weil es den Tourismus belebt. Auf der andere Seite im Hochsauerlandkreis gibt es viele Kritiker. Waldbauern waren letztlich erfolgreich bis vor den Bundesgerichtshof gezogen, weil sie Wildschäden nicht hinnehmen wollten.
Das privat initiierte und getragene Wisent-Projekt wurde seit den ersten Überlegungen im Jahr 2007 finanziell unterstützt: So hat der Kreis Siegen-Wittgenstein das Projekt in seinen Anfängen mit finanziellen Zuwendungen von insgesamt über 350.000 Euro gefördert. Auch das Land NRW hat den Trägerverein mit Zuwendungen in einer Gesamthöhe von rund 3 Millionen Euro unterstützt.