Meschede/Hochsauerlandkreis. Es gibt kaum Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber im Hochsauerlandkreis: Der Fall eines in Meschede lebenden Sudanesen zeigt, woran das liegt.
Die Zahl der im Hochsauerlandkreis abgelehnten Asylbewerber ist unverändert hoch: 510 Menschen sind grundsätzlich verpflichtet, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Tatsächlich sind in diesem Jahr im HSK 28 Menschen abgeschoben worden, weil sie nicht freiwillig ausgereist sind. Hinzu kommt die eigene Ausländerbehörde der Stadt Arnsberg, wo 127 Ausländer geduldet werden.
Keine „Kettenduldungen“ durch neues Gesetz
Hintergrund: Zeitliche Verzögerungen machen Abschiebungen eben praktisch fast unmöglich. Aber die hohen Zahlen von Menschen, die abgeschoben werden müssten, aber nicht abgeschoben werden, verschwinden bald. Denn die Bundesregierung plant Erleichterungen für Flüchtlinge, um in Deutschland bleiben zu können. der Gesetzentwurf zum „Chancenaufenthaltsrecht“ sieht unter anderem ein erleichtertes Bleiberecht für „Geduldete mit besonderen Integrationsleistungen“ und für „gut integrierte Jugendliche“ vor (wobei Jugendliche hier bis zum 27. Lebensjahr gelten). So soll auch die bisherige gängige Praxis von „Kettenduldungen“ enden.
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Obwohl das Gesetzgebungsverfahren läuft, hat in NRW das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration die Ausländerbehörden bereits im Juli im Vorgriff auf das Gesetz angewiesen, bei ihren Entscheidungen darauf Rücksicht zu nehmen: Drohende „Aufenthaltsbeendigungen“ dieser Ausländer dürften „zunächst vorsorglich rückpriorisiert werden“, heißt es: „Damit soll der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens nicht vorweggenommen werden.“
Sudanese sagt, er stehe auf „schwarzer Liste“
Der Fall eines in Meschede lebenden Sudanesen zeigt die Verzögerungen praktisch: Der Mann, einer von drei Sudanesen im Kreisgebiet, hat selbst eine Online-Petition an Landrat Dr. Karl Schneider gestartet – und sie betitelt, „Drohende Abschiebung trotz erfolgreicher Integration am Arbeitsmarkt“. Über 2500 Unterschriften erreichte er so bisher.
Das Foto zeigt ihn dabei mitsamt seiner Familie – es suggeriert, die ganze Familie solle abgeschoben werden. Tatsächlich, bestätigt der HSK auf Anfrage, geht es um den Mann, die übrige Familie lebe im Sudan.
Der Mann schreibt selbst, er sei 2018 nach Deutschland gekommen, habe sechs Monate in einem Flüchtlingslager gelebt, danach sei er in eine Flüchtlingsunterkunft in der Stadt Meschede „abgeschoben“ worden. Als Teil der Revolution im Sudan sei er zuvor dort verhaftet und gefoltert worden, dabei habe er ein Blutgerinnsel im Bein und eine Verletzung der Wirbelsäule erlitten. Bei einer Abschiebung sei sein Leben in Gefahr, „weil mein Name auf der schwarzen Liste am Flughafen von Khartum steht“. Er arbeitet bei einer Bildungseinrichtung, die Flüchtlingen digitale Kompetenzen vermitteln will.
Ausreiseaufforderung ist „vollziehbar“
Auf Anfrage bei der HSK-Ausländerbehörde handele es sich hier um ein abgelehntes Asylverfahren, das wie jedes andere Asylverfahren gleichbehandelt werde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag des Sudanesen 2019 ab, es kam zur Klage vor dem Verwaltungsgericht dagegen, die abgewiesen wurde. Daraufhin gab es dagegen eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht, die dann im Mai 2022 abgewiesen wurde. Damit ist, nach Ablauf aller regulären Verfahren, die Ausreiseaufforderung „vollziehbar“, wie es in der Behördensprache heißt – und die Ausländerbehörde des HSK kommt erstmals ins Spiel: Er wird angeschrieben und auf die Rechtslage hingewiesen, praktische Fragen müssen geklärt werden, etwa, ob ein Pass vorhanden ist.
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Jedem, dem die Abschiebung droht, wird dann in einem Gespräch die Möglichkeit gegeben, Deutschland noch freiwillig verlassen zu können: Dafür gibt es Geld, außerdem keine Wiedereinreisesperre. Der Sudanese lehnt das aber ab. Vielmehr sorgt er sich jetzt, sein Bein im Sudan zu verlieren, weil dort die medizinische Versorgung schlechter sei, und fürchtet gesundheitliche Probleme beim Flug.
Verzögerungen zeigen Wirkung
Der HSK muss jetzt ärztlich überprüfen, ob der Sudanese flugtauglich ist – möglicherweise müsste bei einer Abschiebung dann ein Arzt zu seiner Begleitung mit in den Sudan fliegen. Der Mann könnte auch noch die Härtefallkommission des Landes anrufen, um auf sich aufmerksam zu machen – und um Zeit für sich zu gewinnen. Vielleicht ist bis dahin das neue Gesetz beschlossen.
Die Verzögerungen zeigen Wirkung: Im Hochsauerlandkreis ist die Zahl der vollzogenen Abschiebungen von 80 (2019, auf 29 (2020), 32 (2021), 23 (Ende Juni 2022) gesunken. In Arnsberg wurden in diesem Jahr bislang keine Abschiebungen durchgeführt.
Auch die Zahl der freiwilligen Ausreisen gehen im Hochsauerlandkreis deutlich zurück: 75 in 2020, 37 in 2021, 23 bis Ende Juni 2022 – weil die finanziellen Anreize möglicherweise höher sind, in Deutschland bleiben zu wollen. In Arnsberg sind in diesem Jahr bislang acht ausreisepflichtige Ausländer freiwillig in ihren Herkunftsstaat ausgereist.