Reiste. Die Chorgemeinschaft „klangvoll“ Reiste ist lebendig wie eh und je. Und das ist kein Zufall. Über Mut und Kreativität eines erfolgreichen Chores.

Die harten Corona-Zeiten mit langen Lockdowns und monatelangen Probenverboten haben viele Chöre schwer getroffen. Die Chorgemeinschaft „klangvoll“ aus Reiste hat diese Zeiten indes weitgehend unbeschadet überstanden. Der Chor ist lebendig wie eh und je. Und das ist kein Zufall.

Es ist Dienstagabend, 19.30 Uhr. Die Tür zum Saal des Pfarrheims geht auf und herein strömen rund 40 Sängerinnen und Sänger zur Chorprobe. Die Motivation ist groß. Und genau das ist es, was diesen Chor ausmacht. Hinzu kommt eine Menge Mut und Kreativität des Vorstandes sowie das Herzblut eines engagierten Chorleiters.

Mit dieser Mischung begegnet „klangvoll“ Reiste bereits seit Jahren den Herausforderungen, denen sich die Chorlandschaft gegenübersieht. Viele Chöre werden immer kleiner, bis sie letztlich ganz von der Bildfläche verschwinden. Hiervon ist man in Reiste weit entfernt. Während sich viele Chöre nach wie vor in einer Art Corona-Schlaf befinden, arbeitet man hier bereits seit langer Zeit wieder auf Ziele hin. „Und das ist wichtig für die Motivation“, weiß Chorleiter Siegfried Knappstein.

Gute Gelegenheiten

Hinter den Reister Sängerinnen und Sängern liegt gerade erst eine Chor-Matinee in sommerlich-leichter Atmosphäre am Spritzenhaus in Eslohe. „klangvoll“ hatte als Veranstalter die befreundeten Chöre „hörBar“, ebenfalls aus Reiste, und „Vielfalt19“ aus Schmallenberg eingeladen. Die Veranstaltung war ein Erfolg. So, wie das allermeiste, was die Sängerinnen und Sänger aus Reiste zuletzt angepackt haben. Freundschaftssingen und Chorfeste sind inzwischen schön längst nicht mehr das Non-Plus-Utra an Chorveranstaltungen. Das hat man in Reiste schon vor Jahren erkannt. Und genau an dieser Stelle kommt der Mut des Vorstandes ins Spiel. Der Mut zum Risiko.

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Mit Maybebop, Basta und den Bläck Fööss hat „klangvoll“ Reiste bereits drei Mal äußerst prominente Gruppen in die Schützenhalle des Ortes geholt und sich damit nicht nur einen Namen in der Chorszene gemacht. „Solche Veranstaltungen sind eine gute Gelegenheit, sich auch mal einem anderen Publikum zu präsentieren“, sagt Christiane Erves aus dem Vorstand. Denn während der Konzerte bleibt es längst nicht bei den Auftritten der Prominenz. „klangvoll“ Reiste hat jedes Mal quasi als Vorgruppe auf der Bühne gestanden und am Ende gemeinsam mit den Bands das Finale gestaltet. „Ich kriege jetzt immer noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke“, schwärmt Beisitzerin Christina Plett immer noch sichtlich beeindruckt. Momente die bleiben!

Die Vorbereitungen seien zwar stets mit einer Menge Arbeit verbunden gewesen, aber hier habe man sich immer auf den gesamten Chor verlassen können, lobt die zweite Vorsitzende Regina Plett, während Chorleiter Siegfried Knappstein ausdrücklich noch einmal den Mut des Vorstandes hervorhebt, das finanzielle Risiko für solche Veranstaltungen einzugehen. „Das machen nicht viele Vorstände mit“, weiß er aus Erfahrung. Immerhin gehe es hier um Summen zwischen 10.000 und 20.000 Euro. In Reiste aber ist man jedes Mal für diesen Mut und den enormen Aufwand im Vorfeld belohnt worden - mit einer vollen Halle und einem begeisterten Publikum. Genau solche neuen Formate sind es, die es braucht. Das weiß nicht nur Chorleiter Siegfried Knappstein, sondern auch der „klangvoll“-Vorsitzende Norbert Tigges.

Netflix raubt das Personal

Dennoch drückt auch in Reiste der Schuh. Daraus wird kein Hehl gemacht. Wie alle anderen Chöre hat auch „klangvoll“ Probleme, neue junge Sängerinnen und Sänger zu gewinnen. Das jüngste Chormitglied ist Mitte 30, das älteste wird im kommenden Jahr 90. „Dinge wie Netflix rauben uns das Personal, was vielleicht noch Interesse am Chorgesang hätte,“ weiß Knappstein. Die Chorlandschaft habe sich verändert. Viele Bemühungen, neue Leute zu gewinnen schlügen fehl. Daher komme es auf neue frische Ideen und neue Formate an.

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Angesichts der gut gefüllten Reihen bei der Probe im Pfarrheim klagt man in Reiste allerdings noch auf einem recht hohen Niveau. Fast wie bestellt, gesellt sich an diesem Abend sogar eine neue Sängerin hinzu. Mit ihr steigert sich die Zahl der aktiven Sängerinnen und Sänger von 49 auf 50. Und die kommen längst nicht nur aus Reiste. Im Saal sitzen Sängerinnen und Sänger unter anderem aus Meschede, Bad Fredeburg, Freienohl und Wenholthausen. Was sie nach Reiste gelockt hat und dort hält, ist neben der Gemeinschaft und dem guten Zusammenhalt auch das Niveau des Chores. Immerhin ist „klangvoll“ Reiste der einzige amtierende Meisterchor im Kreischorverband Meschede.

Eine Menge getan

„Dass ein Dorfchor mit so vielen Mitgliedern bei einem Leistungssingen den Titel holt, ist schon ungewöhnlich“, sagt Knappstein. Heutzutage seien die Chöre dort deutlich kleiner. Viele von ihnen spezialisieren sich und picken sich für solche Auftritte die besten Sängerinnen und Sänger heraus. So etwas gibt es in Reiste nicht. Hier erinnert man sich derweil immer noch amüsiert an die staunenden und beeindruckten Blicke im Saal, während man den älteren Chormitgliedern auf der Treppe hoch zur Bühne geholfen hat.

Um die Gemeinschaft auch in den harten Lockdown-Zeiten aufrecht zu erhalten, ist in Reiste eine Menge getan worden. Hier ist nicht nur, wie bei einigen anderen Chören auch, über die Videokonferenz-Plattform Zoom geprobt worden. Coronabedingt hatte „klangvoll“ sogar seinen beliebten Chor-Karneval ins Internet verlegt. Kostümiert und mit Getränken haben die Sängerinnen und Sänger daheim vorm Rechner gesessen, sich über Büttenreden amüsiert und auf Abstand - aber eben gemeinsam - gefeiert. Als Proben auf Abstand wieder möglich waren, hat die Chorgemeinschaft diese Möglichkeit direkt genutzt. Drei Mal ging es dafür zur großen Freilichtbühne nach Elspe und später in die Reister Schützenhalle.

Die nächsten Ziele vor Augen

Seine nächsten Ziele hat „klangvoll“ schon vor Augen. Das nächste liegt bereits ganz nah: Am Sonntag, 4. September, ist der Chor beim „Musikalischen Sommerabend in der City“ vor dem „heruM“ in Meschede mit dabei und Anfang November organisiert der Chor einen von zwei Tagen eines großen Chorfestivals auf dem Gelände des Elspe-Festivals. Geboten werden dabei insgesamt 17 Workshops sowie ab nachmittags Auftritte der unterschiedlichsten Chöre - darunter selbstverständlich auch „klangvoll“.

„Es ist wichtig, die Musik- und die Chorszene weiter zu beleben“, sagt Siegfried Knappstein, der nicht nur Chorleiter von „klangvoll“ Reiste und weiteren Chören ist, sondern auch stellvertretender Kreischorleiter im Kreischorverband Meschede. „Hierfür sorgen selbstverständlich auch die einzelnen Kreischorverbände“, sagt er.