Meschede. Soldaten aus der Ukraine werden im Mescheder Krankenhaus behandelt. Chefarzt Dr. Drüppel schildert, wie sein Team schwere Kriegswunden versorgt.
Das Mescheder St.-Walburga-Krankenhaus als Standort des Klinikums Hochsauerlands hat sechs Kriegsverletzte aus der Ukraine aufgenommen. Ein Patient wird in der Onkologie versorgt, fünf Ukrainer in der unfallchirurgischen Abteilung. „Wir behandeln dort Verletzungen, die wir in dieser Art in Deutschland seit 80 Jahren nicht mehr haben“, sagt Dr. Detlev Drüppel, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Krankenhaus St. Walburga.
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Schrapnellgeschosse und Explosionen
Die Patienten wurden alle in ihrem Land erstversorgt, aber wurden nun zur Heilung nach Deutschland gebracht. Die Männer weisen schwere Brüche an den Extremitäten auf, verursacht durch Schüsse, Schrapnellgeschosse und Explosionen. „Ein Mann zeigte mir das Foto seines zerstörten Autos, nachdem es über eine Mine gefahren war. Bei diesem Ausmaß der Zerstörung hätte ich nie gedacht, dass das jemand überleben kann“, berichtet Dr. Drüppel.
Mit Fixateuren stabilisiert
In der Ukraine wurden die Knochenbrüche mit Fixateuren stabilisiert. Die Haltevorrichtung besteht aus einem starren Gestell und langen Schrauben. Es wird außerhalb angebracht und mit Schrauben im Knochen befestigt. Ziel ist bei dieser Erstversorgung, die Weichteile zu erhalten: Blutgefäße, Muskeln, Nerven, Schleimbeutel. Die Knochen sind jedoch weiter gebrochen. „Es handelt sich um sehr komplizierte Schadensbilder, die nur ein erfahrener Operateur behandeln kann“, so Dr. Detlef Drüppel. Auch spätere Infektionen durch infektiöse Splitter im Körper seien möglich.
Rentner stürzt
Für sein Team sei das eine besondere Herausforderung, auch mit einem hohen Lerneffekt. Denn das Tagesgeschäft in der Mescheder Unfallchirurgie seien eher ältere Patienten mit glatten, geschlossenen Brüchen. Beispielsweise nachdem ein Rentner auf der Treppe gestürzt ist.
Amputationen möglich
Gemeinsam mit dem Patienten aus der Ukraine müsse man nun entscheiden, ob die Verletzungen ausheilen sollen oder Gliedmaßen amputiert werden sollen. „Oftmals ist die Amputation die bessere Entscheidung. Denn mit guten Prothesen laufen Sportler Weltrekorde“, erklärt der Chefarzt. Mit einem schlecht verheilten Fuß sei dies ausgeschlossen. Bei diesen „komplexen Verletzungen“ sei nicht garantiert, dass die Funktionen vollständig wieder hergestellt werden können. Zumal die Ausheilung auch einen sehr langen Aufenthalt im Krankenhaus nach sich ziehen könne. „Wir sprechen hier von einem Jahr und länger. In einem fremden Land, ohne die Sprache zu sprechen, oftmals auch allein auf einem Zimmer. Auch das kann Spuren hinterlassen.“ Dies seien nun alles Gespräche, die mit den Patienten – mit Hilfe von Dolmetschern teils aus dem eigenen Team – geführt werden müssen.
Langer Heilungsprozess
Die Soldaten wurden nach Deutschland verlegt, weil die Kliniken mit der Akutversorgung der Kriegsverletzten überlastet sind. Für langwierige Heilungsprozesse, plastische Rekonstruktionen und Physiotherapie fehlen Kapazitäten, so Drüppel, der sich mit seinem Team für die Verlegung einiger Patienten nach Meschede eingesetzt hatte. „Ich sehe diese Hilfe als eine moralische und gesellschaftliche Verpflichtung an. In der Ukraine wird ein Stellvertreterkrieg geführt“, so Drüppel.
Am Flughafen Paderborn gelandet
14 verletzte Soldatinnen und Soldaten sind am 4. August 2022 am Flughafen Paderborn gelandet: sieben Kriegsverletzte werden im Marienhospital in Arnsberg behandelt, sechs in Meschede und ein Patient im St.-Johannes-Hospital in Neheim. Werner Kemper, Sprecher der Geschäftsführung am Klinikum Hochsauerland, sprach allen Teams, die sich um die Patienten aus der Ukraine kümmern, Dank aus. „Unsere erfahrenen Chirurgen kennen aus der Praxis ein breites Spektrum an Verletzungen. Kriegsverletzungen sind aber eine besondere Herausforderung“, sagte Kemper. Nach eigener Aussage hatte das Klinikum vier Tage Zeit, sich auf die Situation vorzubereiten. Dies sei aber medizinisch, pflegerisch und auch sprachlich gelungen: Personal, das die Sprache der neuen Patienten beherrscht, stand bereit.
Kölner Zentralregister für Verteilung
In das Kölner Zentralregister für die Verteilung von Kriegsverletzten hatten sich landesweit schon im April mehr als 200 Krankenhäuser eingetragen. Auch das Klinikum Hochsauerland. „Diese humanitäre Katastrophe des Krieges abzufedern, ist eine gesellschaftliche Aufgabe“, sagt Werner Kemper.