Paderborn. Nach der Landung in Paderborn/Lippstadt werden die Patienten im Sauerland behandelt. Eine Herausforderung – selbst für erfahrene Mediziner.

In hitzeflirrender Luft schwebt der Krieg heran. Die Boeing 737 der Scandinavian Airlines setzt am Donnerstag um 14.25 Uhr auf dem Rollfeld des Flughafens Paderborn/Lippstadt auf. An Bord: 15 Menschen, die im Krieg in ihrem Heimatland Ukraine zum Teil schwerst verletzt wurden. 14 von ihnen werden nach ihrer Landung in Krankenhäuser des Hochsauerlandkreises transportiert und sollen dort die Hilfe erfahren, die die überlasteten Kliniken in der Heimat ihnen nicht mehr bieten können. Eine Aufgabe, die die Region vor besondere Herausforderungen stellt.

Alle Patienten sind stabil und auf die Krankenhäuser verteilt

Nahe des Rollfeldes stehen die Rettungs- und Krankenwagen bei der Landung schon in Reihe bereit. Fünf Patienten verlassen das Flugzeug eigenständig: Der erste an Gehhilfen, das linke Bein ist verletzt. Der Zweite an Krücken, sein rechtes Bein kann er nicht aufsetzen. Ein Rollstuhl wird besorgt. Die weiteren zehn Patienten müssen liegend transportiert werden. Mit einer Art Hebebühne werden sie aus dem Flugzeug geholt, auf Tragen gehoben und in die Rettungswagen gebracht.

+++ Ukraine-Krieg: Die Front rückt näher - warum viele bleiben +++

„Wir sind sehr froh, dass die Verletzten aus der Ukraine sicher an unserem Flughafen gelandet sind. Alle Beteiligten sind so stabil, dass sie mit Kranken- und Rettungswagen in die aufnahmebereiten Krankenhäuser gebracht werden konnten“, sagt Christoph Rüther, Landrat des Kreises Paderborn, der die Koordination übernommen hatte – in enger Abstimmung mit dem nahe gelegenen Hochsauerlandkreis und der zentralen Koordinationsstelle für die Verteilung von Kriegsverletzten in Köln.

Klinikum: „Kriegsverletzungen sind eine besondere Herausforderung“

Die Verletzten sind ausnahmslos Militärbedienstete der Ukraine, die in der Heimat bereits medizinisch versorgt wurden. Es handele sich nicht „um klassische Akutpatienten, sondern um Patienten, die aufgrund der erlittenen schweren Verletzungen oder Erkrankungen bereits eine längere medizinische Odyssee hinter sich“ hätten und nun „auf eine Weiterbehandlung zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und Arbeitsfähigkeit“ hofften“, heißt es in der Pressemitteilung des Klinikums Hochsauerland. Dieses nahm die Patienten an seinen Standorten in Arnsberg (7), Meschede (6) und Arnsberg-Neheim (1) in der spezialisierten unfall- und neurochirurgischen sowie internistischen und onkologischen Diagnostik und Therapie auf.

Selbst für langjährige Mediziner eine ungewöhnliche Aufgabe. „Unsere erfahrenen Chirurgen kennen aus der Praxis ein breites Spektrum an Verletzungen. Kriegsverletzungen sind aber eine besondere Herausforderung“, sagt Werner Kemper, Sprecher der Geschäftsführung des Klinikums Hochsauerland. Nach eigener Aussage hatte das Klinikum vier Tage Zeit, sich auf die Situation vorzubereiten. Dies sei aber medizinisch, pflegerisch und auch sprachlich gelungen: Personal, das die Sprache der neuen Patienten beherrscht, steht bereit. Trotzdem sei das „ein Ereignis, das die Anstrengung und das Engagement aller Beteiligten“ fordere, sagt Kemper.

Behandlung ist „moralisch-ethische Verpflichtung“

In das Kölner Zentralregister für die Verteilung von Kriegsverletzten hatten sich landesweit schon im April mehr als 200 Krankenhäuser eingetragen. Auch das Klinikum Hochsauerland. „Diese humanitäre Katastrophe des Krieges abzufedern, ist eine gesellschaftliche Aufgabe“, sagt Werner Kemper. Markus Bieker, Mitglied der Geschäftsführung, ergänzt: „Wir sehen in der Behandlung auch eine moralisch-ethische Verpflichtung.“

Geplant sei, den Patienten nach den Diagnosen die komplette Behandlungskette bis hin zu ambulanten Angeboten anzubieten. Stationäre Behandlungen seien in Meschede, Arnsberg und Neheim geplant. „Es ist aber auch möglich, dass wir einzelne Patienten an spezialisierte Kliniken weiterleiten“, so Werner Kemper.