Meschede. Die Zahl der Mescheder Apotheken sinkt. Wer nachts den Notdienst der Apotheken nutzt und welche Entfernung offiziell als zumutbar gilt.

Es ist Mittwochnachmittag, das Insulin vergessen, ein Antibiotikum wird dringend benötigt, ein Fiebersenker fürs Kind. Der 24-Stunden-Notdienst in Meschede zeigt an: eine Apotheke in Bestwig hat Bereitschaft, eine in Sundern, eine in Arnsberg, die nächsten in Willingen, Lennestadt und Fröndenberg. Die Minimal-Entfernung ab Meschede beträgt damit 11 Kilometer. Ohne Auto, fiebrig und dazu nachts ist das kaum zu schaffen. Wie es um den Apotheken-Notdienst in der Region bestellt ist.

Acht Apotheken in Meschede

Aktuell gibt es in Meschede acht Apotheken. Die Zahl ist in diesem Jahr um zwei gesunken, seitdem die die Marien-Apotheke in der Ruhrstraße und die Glocken-Apotheke in der Zeughausstraße geschlossen wurden. Ein Minus von 20 Prozent. „Die verbliebenen acht Apotheken“, so die Information von Sebastian Sokolowski, Pressesprecher der Apothekerkammer Westfalen Lippe, „übernehmen im Schnitt 23 Notdienste pro Jahr, im Vorjahr waren es noch 20 Dienste. Insgesamt werden die Mescheder Apotheken 188 Notdienste leisten.“ Die Dienste der geschlossenen Apotheken seien nicht nur auf die Mescheder Apotheken, „sondern auch auf die im Umkreis“ verteilt worden.

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Die Zahl der Dienste steigt seit einigen Jahren, das beobachtet auch Apotheker Dr. Dominik Vosshage, Inhaber der Nord-Apotheke. „Vor zehn Jahren habe ich mit 16 Diensten angefangen. Heute sind es 24.“ Er weiß, dass der Radius für die Kunden größer wird. Allerdings beobachtet er auch: „Der Apotheken-Notdienst wird immer seltener genutzt.“

Nutzung ist gesunken

Er vermutet, dass das mit den Notdiensten der Mescheder Ärzte zu tun hat, der heute in den Notfallpraxen in Warstein, Arnsberg und Bad Fredeburg konzentriert ist. „Im Idealfall hat der Patient in der Nähe der Praxis auch gleich eine Apotheke, die ebenfalls Notdienst hat. Da wird es in Meschede dann eine ruhigere Nacht. Häufig sind den Patienten dann aber auch die Abstände Notfallpraxis – Notdienst habende Apotheke zu weit und sie versorgen sich erst am nächsten Morgen. Zumindest in der Woche.“

Kein Mescheder Phänomen. Sebastian Sokolowski bestätigt, dass die Inanspruchnahme des Notdienstes überall zurückgegangen ist. Im Schnitt gebe es zehn Kontakte pro Nachtschicht in der Woche. „An Sonn- und Feiertagen sind es mehr, was auch damit zu tun hat, dass Menschen in der Woche schlichtweg keine Zeit für Arzt- und Apothekenbesuche haben.“ Rein statistisch gesehen sei aber jeder Bürger nur alle 21 Jahre einmal im apothekerlichen Nacht- und Notdienst.

Senioren sorgen besser vor

Der Sprecher der Apothekerkammer hält nichts davon, die Apotheken-Notdienste - wie den ärztlichen Notdienst - zu zentralisieren. „60 Prozent der Patienten kommen ohne ärztliche Verordnung. Eine Angliederung an die Notfallpraxen sei daher nicht sinnvoll und „dazu rechtlich auch nicht möglich.“ Die Mehrheit der Patienten im Notdienst seien junge Familien mit kleinen Kindern. Senioren bzw. Hochbetagte kämen kaum. „Das liegt nicht daran, dass sie die Entfernung nicht zurücklegen könnten, sondern daran, dass sie meist über eine gut ausgestattete Hausapotheke verfügen und nicht Dienstagnacht um 3 Uhr morgens spontan feststellen, dass die Blutdruckmedikamente aufgebraucht sind“, so Sokolowski.

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Bei Kindern hingegen könne Fieber oft in kurzer Zeit ansteigen. Gerade jungen Müttern empfiehlt Vosshage daher immer ein „Notfallpaket“ zu Hause zu haben, „schon für ca. 15 Euro hat man die grundlegend wichtigen Dinge wie Zäpfchen, Säfte etc. zu Hause. Einen dringenden Arztbesuch gerade bei den sehr kleinen ersetzt das natürlich nicht.“

Zumutbare Entfernungen

Im Schnitt betrage die zumutbare Entfernung zur nächsten Notdienst-Apotheke rund 16 Kilometer und an einzelnen Tagen bis zu 20 Kilometer. An unserem Beispiel-Mittwoch trifft das auf Bestwig mit einer Entfernung von 11,3 und Sundern mit 16,8 Kilometern zu. Alle anderen Orte liegen mehr als 20 Kilometer entfernt. Das sind weite Entfernungen - vor allem, wenn man berücksichtigt, dass der ÖPNV zu Notdienstzeiten kaum zu nutzen ist und der hausärztliche Notdienst vielleicht in Warstein oder Bad Fredeburg angeboten wird. „Ein Patient, der die Apotheke nicht selbst erreichen kann, müsste auf die Hilfe von Nachbarn, Freunden, Bekannten oder Familie zurückgreifen“, erklärt Sokolowski. Sei das nicht möglich, müsse man sich ein Taxi nehmen und dies bezahlen.

Ob die Krankenkasse diese Fahrt im Nachhinein erstattet, kann der Kammer-Vertreter nicht sagen. „Das ist sicherlich keine Regelleistung, sondern eher als Einzelfall zu betrachten.“ Angesichts der geringen Inanspruchnahme - statistisch alle 21 Jahre ein Notdienstbesuch - und der Tatsache, dass kaum Höchstbetagte den Notdienst in Anspruch nähmen, halte er das für einen eher konstruierten Fall.

>>> HINTERGRUND <<<

Es gibt ausschließlich 24-Stunden-dauernde Notdienste, jeweils von 9 Uhr bis 9 Uhr am Folgetag.

Das Notdienst-Honorar setzt sich laut Apothekenkammer aus verschiedenen Bestandteilen zusammen: Auf jeder verschreibungspflichtigen Arzneimittelpackung, die Deutschland in Apotheken abgegeben wird, liegt ein Zuschlag von 21 Cent , der in den sogenannten Nacht- und Notdienstfond eingezahlt wird.

Das dort gesammelte Geld wird durch die Anzahl der in Deutschland geleisteten Notdienste geteilt und damit honoriert. Im 1. Quartal 2022 waren das 395 Euro.

Ein weiterer Aspekt, der aufgrund der geringen Inanspruchnahme weniger ins Gewicht fällt, sind die Erlöse aus der Abgabe von Arzneimitteln sowie durch die Notdienstgebühr in Höhe von 2,50 Euro, die pro Inanspruchnahme des Notdienstes fällig wird - es sei denn, man kommt mit aktuellem Rezept in den Notdienst und der Arzt hat das Kästchen „noctu“ angekreuzt.