Meschede. Die Gasknappheit bereitet den heimischen Brauereien erhebliche Sorgen. Veltins-Generalbevollmächtigter Michael Huber sagt: „Ohne Gas kein Bier.“
Der Chef der Veltins-Brauerei hat mit drastischen Worten auf die möglichen Konsequenzen eines russischen Gaslieferstopps auf seine Branche hingewiesen: „Ohne Gas kein Bier“, sagte Michael Huber, seit 1996 Generalbevollmächtigter der Privatbrauerei aus Meschede-Grevenstein, dem „Handelsblatt“. Was der 72-Jährige nicht direkt sagte, was aber eine Folge wäre: Ohne Gas weniger Arbeit in der Brauerei.
Schlimmer als neue Corona-Welle
Noch mehr Sorgen als eine mögliche neue Corona-Welle im Herbst bereite dem Unternehmen die Gasknappheit, so Huber. „Wenn russisches Gas ausbleibt, hätten wir ein erhebliches Problem.“ Sudhäuser seien sehr energieintensiv und würden überwiegend mit Gas betrieben. Veltins habe deswegen einen Ölvorrat für fünf Wochen angeschafft, um im Notfall von Gas auf Öl wechseln zu können.
Der Ukraine-Krieg hat für Veltins und alle anderen Brauereien noch weitere gravierende Folgen. Nicht nur die Preise für Strom und Gas steigen, auch Rohstoffe und Glasflaschen werden immer teurer. Die Flaschen werden unter Einsatz von Gas hergestellt. Eine neue Glasflasche sei etwa doppelt so teuer wie der Pfand, den die Brauerei dafür verlangen könne, rechnet der Verband Private Brauereien Bayern vor. Wer keine langfristigen Verträge habe, müsse für neue Glasflaschen zurzeit 80 Prozent mehr bezahlen als noch vor einem Jahr, hieß es vom Deutschen Brauer-Bund. Veltins-Sprecher Ulrich Biene sprach jüngst dieser Zeitung gegenüber von einer „angespannten Situation“, Lieferengpässe gebe es aber noch nicht.
Veltins benötige jedes Jahr etwa 50 Millionen neue Flaschen, sagte Michael Huber nun dem „Handelsblatt“. Die gesamte Branche käme auf 900 Millionen Glasgebinde, damit sie den Mehrwegkreislauf aufrechterhalten könne.
Bierbrauen ist kostspielig
Und die anderen Kosten? Bierbrauen sei so kostspielig wie nie, sagte Huber. Strom habe sich auf dem Terminmarkt innerhalb eines Jahres um 280 Prozent verteuert; auf dem Spotmarkt, auf dem Brauer zukaufen müssen, um 210 Prozent. Der Preis für Erdgas sei im gleichen Zeitraum um 340 Prozent gestiegen. Der Malzpreis habe sich verdoppelt. Kartonagen seien 40 Prozent, Folien 50 Prozent teurer, Europaletten kosteten vor dem Ukraine-Krieg 11,40 Euro, jetzt 23 Euro, weil Spezialnägel fehlten. „Ein Irrsinn“, sagt Huber. Da kann man fast schon von Glück reden, dass die letzten Hopfen-Ernten gut ausgefallen ist: Die Pflanzenpreise sind stabil geblieben.
Veltins habe sich einen erheblichen Vorrat, etwa an Leim und Etiketten, angelegt, um lieferfähig zu bleiben. Kostenpunkt: 30 Millionen Euro. Dafür habe das Unternehmen extra Lagerhallen angemietet. Vielen kleineren Brauereien fehle dafür jedoch die Kraft. Deshalb seien vor allem die regionalen Brauer in Gefahr.
30 Prozent Erhöhung überzogen
Huber hält eine Bierpreiserhöhung um bis zu 30 Prozent dennoch für überzogen. Das hat neulich der Deutsche Brauerbund gefordert. Veltins selbst nimmt seit April einen Euro mehr pro Kiste mit 20 Flaschen. Gerechtfertigt wäre eine neue Erhöhung schon, sagt der Veltins-Manager nun im Interview. Sie ließe sich jedoch nicht beim Verbraucher durchsetzen, vermutet er. Dann würde der Absatz noch stärker schwinden. Huber: „In Zeiten wie diesen, müssen wir Brauer unsere Ansprüche zurückfahren und mit niedrigeren Margen leben.“ Sollte sich die Kostensituation nicht wieder entspannen, müsse auch Veltins im kommenden Jahr über höhere Preise nachdenken.
Einzelhandel im Preiskampf
Allerdings treibt der Einzelhandel den Markenanbietern immer öfter Sorgenfalten auf die Stirn. So versucht Aldi etwa in der Werbung Marke gegen No-name auszuspielen: Das eigene Produkt Schulten-Bräu für 49 Cent ist dann im Prospekt neben einer Krombacher-Dose für 85 Cent zu sehen. Die Botschaft: billig gegen teuer.