Meschede. Hebammen vermissen Respekt von Arbeitgebern, Krankenkassen und Eltern. „Wir kommen nicht zum Baby-Kuscheln“, sagt Melina Kramer aus Meschede.

Es war ihr Traumberuf - ist es immer noch. Doch die Bedingungen - ob im Kreißsaal oder als Freiberuflerin in der Vor- und Nachsorge - machen es Melina Kramer schwer. „Egal, mit welcher Kollegin ich spreche“, sagt die Hebamme, „alle sind müde, weil unsere Forderungen seit Jahren nicht gehört werden.“

Entgelt und Arbeitsbedingungen

Die 28-jährige Meschederin ist Vorsitzende im Kreisverband des Deutschen Hebammenverbandes. Seit zehn Jahren ist sie im Beruf. Sie arbeitet 80 Prozent im Klinikum in Hüsten und noch mal rund 30 bis 40 Prozent freiberuflich in der Schwangeren-Vor- und Nachsorge. Ja, das sind mehr als 40 Stunden. „Ich weiß nicht, ob ich mich noch mal für den Beruf entscheiden würde“, sagt die Remblinghauserin nachdenklich.

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Rund 38 Euro bekommt sie für einen Hausbesuch von der Krankenkasse, dazu 7,50 Euro als Sonntagszuschlag. Dabei ist es egal, ob sie 15 Minuten bleibt oder 90. 20 Minuten wären wirtschaftlich. „Wahrscheinlicher sind aber 90 Minuten“, erklärt Melina Kramer. „Dafür würde kein Handwerker ins Auto steigen, und wir müssen uns davon noch hoch versichern.“ 62 Cent pro Hausbesuch gab es als Coronazuschlag, „das deckt nicht mal die Kosten für die Masken, geschweige denn für die nötige Online-Ausrüstung.“ Von einem Vater musste sie sich anhören: „Ja, wie? Das kostet Geld - ich dachte du machst das ehrenamtlich...“

Hebamme zu sein, das betont Malina Kramer, sei wunderschön, wenn man eine Geburt gut begleiten kann, wenn man die glückliche Familie sieht. „Aber nicht, wenn man im Schichtdienst von Kreißsaal zu Kreißsaal flitzt, wieder zwei Stunden länger geblieben ist und trotzdem das Gefühl hat, keiner Frau gerecht geworden zu sein.“

Fachkräftemangel im Kreißsaal

Überall schließen Kliniken ihre Kreißsäle, die Zahl der Schwangeren verteilt sich damit auf weniger Stellen, überall fehlen Hebammen. Während Gynäkologen laut Gesetz nicht unbedingt bei einer Geburt dabei sein müssen, ist eine Geburt ohne Hebamme schlicht unmöglich. „Wenn Menden oder zuletzt Attendorn ihre Geburtsabteilungen schließen, könnte man ja annehmen, dass die Hebammen dann eben in Hüsten arbeiten. „Aber so ist das nicht“, beobachtet Melina Kramer. „Die Frauen sind ausgebrannt. Viele verlassen den Job ganz.“ Und das merken auch die Schwangeren. Zwar wird Hüsten keine Schwangere abweisen, jemand für Vor- und Nachsorge zu finden, wird aber schwierig.

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Eine Entwicklung, die sich noch verstärken wird, weil in den kommenden Jahren viele Frauen in Rente gehen. Als einen Schlag ins Gesicht hätten daher viele Kolleginnen die Forderung der CDU-Frauen empfunden, man könne doch einfach den Kreißsaal in Meschede wieder öffnen, um den Schwangeren zu helfen. „Nein, kann man nicht“, ärgert sich Kramer. „Denn auch dann fehlt das Fachpersonal.“

Trend zur ambulanten Geburt

Dazu kommt: Immer mehr Frauen entbinden ambulant oder bleiben nur kurz im Krankenhaus. Ein Trend, der sich durch Corona noch verstärkt hat. Nachsorge, die sonst im Krankenhaus stattfand, verschiebt sich ins häusliche Umfeld und landet auf den Schultern der freien Hebammen. „Schon heute müssen wir Schwangeren absagen.“ Und das, obwohl jeder Schwangeren die Betreuung durch eine Hebamme zusteht. „Da blutet uns dann auch das Herz, aber es geht einfach nicht mehr.“

Können nicht gewinnbringend arbeiten

Mehr Geld wäre eine Lösung. „Geld regelt nicht alles, aber gibt ein Gefühl von Wertschätzung, zieht vielleicht mehr junge Menschen in den Beruf.“ Ein Grundproblem sei, dass von den Hebammen verlangt werde, dass sie gewinnbringend arbeiten. „Aber das geht nicht!“, betont die Verbandsvertreterin. „Wir tragen Verantwortung für Menschenleben, wir haben eine fundierte medizinische Ausbildung, müssen physiologische und pathologische Auffälligkeiten erkennen. Und das nicht nur tagsüber, sondern auch nachts und am Wochenende. Wir kommen nicht zum Baby-Kuscheln.“ Das müsse besser bezahlt werden. P8 ist die Entgeltgruppe, die für Hebammen in Kliniken gilt, 3100 bis 3800 Euro brutto verdienen die Frauen demnach, je nach Berufserfahrung.

Studium wird jetzt Voraussetzung

Um den Beruf attraktiver zu machen, wird jetzt ein Studium Voraussetzung. Ob dann die Vergütung steigt, ist aber gar nicht klar. Und es besteht die Sorge, dass eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht. Die einen, die einen Bachelor-Abschluss haben und mehr verdienen als die, die vielleicht schon Jahrzehnte im Beruf sind.

Hebammen hätten es schwer, Gehör zu finden, erklärt Melina Kramer: „Für uns interessiert man sich nur, wenn man gerade betroffen ist. Die Älteren nicht mehr und die Jüngeren noch nicht.“ Dabei sei es so wichtig, den Hebammen nicht die Luft zum Atmen abzuschnüren: „Nichts ist so wichtig, wie ein guter Start ins Leben. Und wir wollen doch auch, dass unsere Töchter noch eine Hebamme finden, wenn sie eine brauchen.“

Aufgabe der Hebammen

Hebammen kümmern sich um Frauen in der Schwangerschaft, leiten Informations- und Gymnastikkurse, bieten je nach Zusatzausbildung Akupunktur oder Taping an, helfen bei Schwangerschaftsbeschwerden.

Sie sind die Fachfrauen unter der Geburt. Sie dürfen allein eine Geburt betreuen, während der Gynäkologe oder die Gynäkologin, eine Hebamme hinzurufen muss.

Im Wochenbett und in der Zeit danach betreuen sie die junge Mutter und das Neugeborene, achten auf pathologische und physiologische Auffälligkeiten, leiten beim Stillen an und erklären, auf was man beim Zufüttern achten sollte. Bis zum Abstillen hat jede Frau Anspruch auf eine Hebamme.