Wenholthausen. Ernten Landwirte künftig auch Strom? Das Esloher Unternehmen Outarky hat einen ersten Partner. Auch der Frankfurter Flughafen ist interessiert.

Ernten Landwirte demnächst nicht nur Weizen und Kartoffeln, sondern auch Strom? Wird das die neue landwirtschaftliche Revolution? Und geht sie vom Sauerland aus? Ein Esloher Unternehmen will die Revolution angehen: Outarky nennt es sich, ein Wortspiel für Autarkie und „outside“ für draußen. Denn da draußen soll sich diese Revolution ereignen.

Unrealistisch ist sie nicht. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist als Ziel festgelegt, dass für das Gelingen der Energiewende auch das Tempo beim Ausbau der Photovoltaik erhöht werden soll – um 200 Gigawatt bis zum Jahr 2030. Dabei wird im Koalitionsvertrag ausdrücklich als Absicht genannt, „innovative Sonnenenergie wie Agri-PV“ zu stärken. Auch Agri-PV ist so ein neues Kunstwort: Eine Kurzform für die Chance, Photovoltaik in der Landwirtschaft auszubauen.

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Die beiden Geschäftsführer von Outarky, die Cousins Clemens und Franz-Josef Wullenweber und Robert Minzenmay aus dem Süden Deutschlands, wollen da entscheidende Impulse setzen. Sie haben dazu eine enge Partnerschaft mit dem Solarzaunhersteller Next2Sun aufgebaut.

Erste Agri-PV-Anlage in Hessen

In Hessen ist ihnen das gerade gelungen: Dort haben sie die erste Agri-PV-Anlage in diesem Bundesland umgesetzt – 200 Module, die jetzt ein Freiluftgehege von Biohennen umgeben.

Clemens und Franz-Josef Wullenweber (von links) von der Firma Outarky in Eslohe-Wenholthausen – sie setzen Photovoltaik für die Landwirtschaft um.
Clemens und Franz-Josef Wullenweber (von links) von der Firma Outarky in Eslohe-Wenholthausen – sie setzen Photovoltaik für die Landwirtschaft um. © Jürgen Kortmann

PV-Module auf Dächern sind schräg angeordnet. Auf Feldern, Wiesen und Äckern sollen die Hochleistungsmodule künftig gerade, senkrecht stehen – im Grunde wie ein Solarzaun: Damit kann dann von beiden Seiten Strom erzeugt werden, „bifacial“ nennen das die Fachleute von Outarky. „Wir erreichen damit zwei Peaks an einem Tag, vormittags und nachmittags. Genau dann, wenn die anderen Südanlagen noch keinen richtigen Ertrag bringen und der Strom an der Börse teuer ist“, sagt Clemens Wullenweber. Damit werde sogar ein Mehrertrag von zehn Prozent erreicht.

Acht bis zwölf Meter Abstand hätten die Anlagen voneinander: Das reicht dann aus, damit der Bauer mit seinem Trecker und den Maschinen noch die Flächen dazwischen bewirtschaften kann. „Wir wollen eine Doppelnutzung der Landwirtschaft erreichen“, sagt er. 90 Prozent der Fläche eines Feldes oder Ackers würden weiter landwirtschaftlich genutzt, zehn Prozent dann für die Sonnenenergie.

Ab 60 Zentimeter Höhe stehen die Module aus praktischen Gründen – damit Getreidepflanzen sie nicht verdecken. Maisfelder kommen deshalb zum Beispiel dafür nicht in Frage: Der Mais würde einfach zu hochwachsen. Unter den Modulen wäre Platz für den ökologisch gewollten Wildwuchs, den zum Beispiel Schafe nach der landwirtschaftlichen Ernte klein halten sollen. Bis zu drei Meter Höhe sind vorstellbar für die Module. Kühe könnten auch künftig auf Solar-Weiden stehen: Litzen halten sie von den Modulen fern.

In NRW stockt das Vorhaben

Das Freiluftgehege in Hessen ist jetzt ein Vorzeigeprojekt für das Esloher Unternehmen. In NRW stockt das Ganze noch: Es ist Neuland für die Genehmigungsbehörden.

Kühe können auch künftig auf Solar-Weiden stehen: Litzen halten sie von den Modulen fern.
Kühe können auch künftig auf Solar-Weiden stehen: Litzen halten sie von den Modulen fern. © Outarky

Das bremst Outarky derzeit in ihrem eigenen Bundesland noch aus. Sie arbeiten zusammen mit Verbänden daran, ihr Vorhaben bekannter zu machen, damit Öffnungsklauseln die Agri-PV in NRW ermöglichen. Voranfragen aus dem Hochsauerlandkreis haben sie bereits, sagen sie. Anderswo ist man schon weiter. So interessiert sich auch die Fraport AG, die Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt, für die Esloher Idee: Entlang der Start- und Landebahnen könnten künftig auch Photovoltaikmodule stehen. Auch dort sind allerdings noch kleinere bürokratische Hürden zu meistern.

Ja, der Betrachter muss sich dann auf ein anderes Landschaftsbild einstellen: Auf fünf Hektar landwirtschaftlicher Fläche würden um die 7500 Module stehen, um das wirtschaftlich betreiben zu können. 7500 Module würden umgerechnet rund 3,3 Millionen Kilowattstunden im Jahr bedeuten – dieser Feld-Ertrag wiederum reicht für 1300 Haushalte aus. „Mehr Solaranlagen auf den Dächern werden nicht ausreichen, um die Energiewende zu schaffen“, sagt Clemens Wullenweber: „Wir brauchen dafür auch neue Lagen, Innovationen und vernünftige Konzepte.“

Günstigen grünen Strom bekommen

Er schränkt aber sofort ein: „Es wird immer der Einzelfall geprüft.“ Auf markanten Flächen möchte auch er keine Agri-PV umsetzen. Mit der Drohne wird jede Fläche vorher abgeflogen, von jeder wird eine Simulation mit Modulen erstellt. Nur auf zu steilen Flächen oder auf zu felsigem Untergrund könnte nicht gebaut werden. 2,60 Meter tief wird jeder Pfosten für die Module in den Boden gerammt: Sie sollen so schließlich jeden Sturm überstehen.

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Das Geschäftsmodell von Outarky: Entweder selbst Flächen zu pachten, die Module dann aufzubauen und den Strom an Industriekunden zu vermarkten.

Die Doppelnutzung: Acht bis zwölf Meter Abstand haben die PV-Anlagen voneinander. Das reicht aus, damit der Bauer mit seinem Trecker und den Maschinen noch die Flächen dazwischen bewirtschaften kann.
Die Doppelnutzung: Acht bis zwölf Meter Abstand haben die PV-Anlagen voneinander. Das reicht aus, damit der Bauer mit seinem Trecker und den Maschinen noch die Flächen dazwischen bewirtschaften kann. © Outarky

Oder eben Projekte mit Landwirten zu entwickeln, die diese dann selbst betreiben. „Der Markt wird sich erst noch richtig entwickeln“, ist sich Franz-Josef Wullenweber sicher: „Industriekunden würden den günstigen grünen Strom benötigen und von uns bekommen.“ An jedem Agri-PV-Feld würde eine Trafostation und ein Übergabepunkt des Stroms ins öffentliche Netz errichtet oder ein Kabel direkt zum Stromkunden gelegt. Erst ab fünf Hektar Fläche lohnt sich die Investition: Denn pro Hektar macht das 400.000 bis 600.000 Euro an Investition aus. „Wir können bereits jetzt ganz Deutschland abdecken“, sagt Clemens Wullenweber.

Die beiden Sauerländer sind nach dem Studium hierher zurückgekehrt. Ihr Geschäftssitz ist das Gut Blessenohl bei Eslohe-Wenholthausen. Von dort aus möchten sie expandieren.

>>> HINTERGRUND <<<

Nebenan im Mescheder Ortsteil Berge hat Outarky bei dem Unternehmen Werner Langer das erste Solar-Carport in Meschede installiert. Damit werden in erster Linie die Elektro-Fahrzeuge des Unternehmens und die der Mitarbeiter aufgeladen. Der übrige erzeugte Strom geht in die Produktion.

Outarky verspricht, pro Parkplatz in einem Solar-Carport circa drei Kilowatt-Peak (dem Maß zur Messung der Leistung von Photovoltaikanlagen) zu installieren. Damit könne ein E-Auto mit durchschnittlichem Fahrverhalten aufgeladen werden und stehe zusätzlichen Strom für weitere Verbraucher zur Verfügung.

In NRW benötigen neu gebaute Parkplätze mit über 35 Stellplätzen jetzt ein Solar-Carport.