Meschede. Zwei Männer überfallen in Meschede einen Mann im Studentenwohnheim. Im Prozess sprechen sie über die Hintergründe.

War es Batman’s Gegenspieler, der „Joker“, oder war es doch der Mann hinter dem Schal? Wer von ihnen hatte die Machete in der Hand, als sie in einem Studentenwohnheim am Lanfertsweg in Meschede einen Bewohner überfielen? Und wer trug den im Vergleich zur Machete nur unwesentlich weniger gefährlicheren Baseballschläger? Beide waren maskiert: Jetzt beschuldigt der Mann hinter der Joker-Maske den Mann mit dem Schal, quasi der Haupttäter zu sein – und umgekehrt.

Vor der Jugendkammer des Landgerichts Arnsberg findet der Prozess gegen einen 20 Jahre alten Mann, den „Joker“, und den 22-jährigen Schal-Mann statt – schon dreimal fiel der Prozess wegen Corona aus. Es zieht sich jetzt hin: Alles muss ins Englische für den 20-Jährigen aus dem westafrikanischen Sierra Leone und alles aus dem Arabischen für den 22 Jahre alten Syrer übersetzt werden. Den beiden Männern wird gemeinschaftlicher schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Beide sind in Untersuchungshaft.

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Im September 2021 waren sie in das Wohnheim eingedrungen. Bei der Auseinandersetzung in der Wohnung des Opfers verletzte sich der Mann an der Machete. Worum ging es dabei? Angeblich sollten in der Wohnung des Opfers Drogen zu holen gewesen sein, die sich das Duo, das sich aus der Mescheder Drogenszene kannte, sichern wollte. Wobei zur Ehrenrettung des Opfers das Gericht klarstellte: Weder konsumierte das Opfer Drogen, noch dealte es – alles falsch also.

War das Ganze stattdessen nur entsetzlich banal?

Hier in diesem Studentenwohnheim in Meschede ereignete sich im September 2021 der Überfall.
Hier in diesem Studentenwohnheim in Meschede ereignete sich im September 2021 der Überfall. © Jürgen Kortmann

Der 20-Jährige kannte das Opfer, sagte er am ersten Prozesstag: Man habe zusammen in dessen Wohnung Musik gemacht, „er war ein sehr guter Freund von mir“. Aber in der Wohnung des Opfers/des Freundes vermutete er noch sein hochwertiges Mikrofon, sein wertvollster Besitz. Der Freund gab es nicht heraus, behauptete er vor Gericht. Umgekehrt schuldete der 20-Jährige dem 22-Jährigen 20 Euro, womit er ihm Drogen besorgen sollte. Er gab das Geld aber für sich aus. Jetzt wollte der 22-Jährige sein Geld zurück.

„Wir machen da mal ein bisschen Eindruck“

Da kam der Jüngere auf die Idee, beides zu verbinden: „Mach dich mal breit, wir machen da mal ein bisschen Eindruck“, soll er zu dem Älteren gesagt haben. Er gaukelte ihm vor, da seien Drogen zu bekommen, tatsächlich suchte er in der Wohnung aber nach seinem Mikrofon (und weil er es nicht fand, nahm er am Ende kurzerhand den Autoschlüssel des Opfers quasi als Pfand mit). Im Keller des Wohnheims maskierten sich beide, oben drängten sie ihr überraschtes Opfer dann von der Wohnungstür zurück hinein in seine Wohnung.

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Der 22-Jährige und das Opfer gerieten in die Auseinandersetzung, während der 20-Jährige suchte. Durch Hilferufe wurden die Nachbarn aufmerksam, die Täter flüchteten.

Die beiden Angeklagten in dem Raub-Prozess am Landgericht Arnsberg mit ihren Verteidigern.
Die beiden Angeklagten in dem Raub-Prozess am Landgericht Arnsberg mit ihren Verteidigern. © Jürgen Kortmann

Jetzt kommt es auf die Details an. Dem 22-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft vor, mit der Machete bewaffnet gewesen zu sein, an der sich das Opfer verletzte. Das bestreitet der 22-Jährige: Er habe den Baseballschläger gehabt und sagt, er sei vom Geschehen in der Wohnung überrascht gewesen, habe dann nur noch wieder heraus gewollt. Für ihn steht tendenziell auch eine höhere Strafe auf dem Spiel: Er war 2019 vom Landgericht Dortmund zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren Haft verurteilt worden – auf Bewährung, die während des Überfalls 2021 noch lief. Verurteilt worden war er auch in Dortmund: Wegen besonders schwerem Raub und schwerer Körperverletzung.

„Ich habe so viel Trash in meinem Kopf“

Beide geben an, viel Alkohol zu trinken, und Drogen zu nehmen, vor allem Marihuana, der 22-Jährige auch Amphetamine und Ecstasy. Der Syrer lebt seit sechs Jahren in Deutschland, besuchte in Meschede sogar ein Gymnasium – bis er wegen der Dortmunder Anklage inhaftiert wurde. Als Syrer ist er geduldet in Deutschland.

Der 20-Jährige aus Sierra Leone berichtet, Alkohol trinke er, wenn die Ereignisse aus seiner Vergangenheit wieder hochkämen, die er nur andeutete: „Diese Dinge machen mich verrückt im Kopf. Ich habe so viel Trash in meinem Kopf.“ Als 14-Jähriger verließ er seine Heimat, kam in Libyen ins Gefängnis, 2018 wurde er auf dem Mittelmeer gerettet, kam nach Italien und später dann nach Meschede. Im Gefängnis besucht er gerade die Schule, er würde gerne eine Ausbildung in einem Metallberuf machen.. Tatsächlich ist er ausreisepflichtig, sobald ein Rückführungsflug gelinge. Es fehlten bisher die nötigen Papiere für ihn. Eines der Rätsel: Warum postete er, der Joker-Mann, nach dem Überfall am Lanfertsweg ein Foto von sich – mit dem Blut des Opfers auf seinem T-Shirt? Der Prozess wird fortgesetzt, dann kommen Zeugen zu Wort.

>>> HINTERGRUND <<<

Dem 20 Jahre alten Mann wird auch „Diebstahl mit Waffen“ vorgeworfen: Demnach forderte er im August 2021 nachts von seinem behinderten Opfer an der Schützenstraße in Meschede dessen Umhängetasche. Als sich der Mann weigerte, zog er ein Messer und schnitt kurzerhand den Gurt der Tasche ab und flüchtete damit – darin waren Geld, Papiere und das Handy des Behinderten.

Angeklagt ist er ebenfalls wegen Betruges: Ebenfalls im August 2021 ließ er sich vom Bahnhof in Bestwig bis nach Freienohl mit einem Taxi fahren – dort am Edeka ließ er den Taxifahrer dann anhalten und lief plötzlich weg. Schaden: 41,90 Euro.