Bad Fredeburg. Oliver Riemann wohnt an der Hochstraße, der Straße, die durch die Ortsumgehung Bad Fredeburg entlastet werden soll. Wie er auf die L776n blickt.

Als Oliver Riemann sein Haus in Bad Fredeburg an der Hochstraße kaufte, wusste er, auf was er sich einlässt. Damals lebte er schon einige Jahre in dem Schieferstädtchen und kannte die Verkehrs-Probleme.

Sein Haus steht direkt gegenüber der Bödefelder Straße, dem engen Eingangstor in die Ortsdurchfahrt aus Hochstraße und „Im Ohle“. Immer mal wieder stehen hier Lkw und Langholz-Transporter ineinander verkeilt. „Wir haben uns hinters Haus in den Garten gesetzt und überlegt, ob wir mit der Lautstärke klarkommen.“ Oliver Riemann und seine Frau kamen klar, sie kauften das Haus. „Wir haben vieles so gelassen, wie es war“, berichtet er in der gedämmten Küche, in der man nichts hört vom Lärm vor der Tür. Manches hat er originalgetreu nachgebaut, die Haustür zum Beispiel. Das Original hätte kaum den Lärm so draußen halten können, wie es die neue kann. Auch die Fenster sind doppelverglast.

Vibrationen durch anfahrende Lkw im Gebäude zu spüren

Das Schlafzimmer geht zur Seite. „Wenn wir allerdings mit offenem Fenster schlafen würden, würden wir früh geweckt“, schränkt er ein. Von 6 bis 9 Uhr und von 15 bis 18 Uhr ist Rush Hour in Bad Fredeburg. Angestellte, die zu den Kliniken fahren, Pendler auf dem Weg über den Rimberg nach Schmallenberg oder Meschede, Lkw unterwegs zum Sägewerk, Langholztransporter und Containerfahrzeuge, die Bodenaushub transportieren. Das Anfahren und Bremsen sei schlimm. Da spüre man die Vibrationen sogar im Gebäude.

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Und auch der Asphalt habe sich schon so verschoben, dass er regelrecht wellig sei. Im Dunkeln könne man da stolpern. „Die Lastwagen schaffen oft die Kurve nicht und rumpeln über den Bordstein“, sagt Riemann und schiebt mit einem Grinsen nach, „einen kenn’ ich, der ist jeden Morgen dabei.“ Split, Bodenaushub und Bauteile von Fahrzeugen hat er schon vor seiner Tür gefunden. Ganz zu schweigen vom Ruß auf Fensterbänken und Türabsätzen.

Regelmäßig fahren Schwerlaster direkt vor Riemanns Tür vorbei.
Regelmäßig fahren Schwerlaster direkt vor Riemanns Tür vorbei. © Stefan Schwope

Manchmal ist der Verkehr morgens so stark, dass der selbstständige Altbausanierer kaum vom Stellplatz fahren kann. „Dann kommt ein Fahrzeug nach dem anderen, ich habe auch schon mal mein Auto ausgemacht und einfach abgewartet.“

Unübersichtlichkeit in der Ortsdurchfahrt Bad Fredeburg

Der 50-Jährige kennt auch die Tücken der Ortsdurchfahrt. „Man muss höllisch aufpassen, dass man nichts übersieht.“ Rechts und links wird geparkt, die Geschäfte stellen ihre Auslagen raus, Bürger sprinten mal eben über die Straße. „Das ist alles sehr unübersichtlich. Ich habe selbst schon mal jemanden übersehen, der schon auf dem Zebrastreifen stand.“ Kinder allein über die Straße zur Schule zu schicken, sei lebensgefährlich.

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Doch Ende 2023, nach mehr als zehn Jahren, könnte es vor dem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1811 wieder deutlich gemütlicher zugehen. Denn dann soll die Ortsumgehung fertiggestellt sein. Die Bödefelder Straße wird zurückgebaut. Der Durchgangsverkehr Richtung Rimberg verschwindet komplett. Nur noch die Zufahrt zu den Kliniken bleibt. „Die Lebensqualität wird zunehmen“, davon ist Riemann überzeugt. Er hofft, dass es nun bald auch mit der Gestaltung der Ortsdurchfahrt weitergeht, dass die Ideen der Bürger Gehör finden. Endlich habe die Stadt jetzt Bürger-Informationsveranstaltungen angekündigt. „Damit hat sie sich zu viel Zeit gelassen. Da fehlte uns lange die Transparenz.“

Wer verliert, das ist die Natur

Riemann macht sich auch Gedanken, wer die Erneuerung seiner Straße zahlt, wenn die Ortsumgehung fertig ist, und wann das auf ihn zukommt. „Ich muss mir dafür ja vielleicht auch ein Polster zurücklegen.“ Und er fragt sich: „Was ist eigentlich das Ziel für Bad Fredeburg? Wo wollen wir hin?“ Daran ausgerichtet müsste nun die Projektplanung bald beginnen.

Natürlich ist er froh über die Ortsumgehung, doch nicht uneingeschränkt. „Bleiben der Bäcker und die Eisdiele, wenn hier weniger Pkw und Motorradgruppen durchfahren oder wird noch mehr vom innenstadtrelevanten Sortiment Richtung Gewerbegebiet abgezogen?“, will er wissen. „Was ist mit dem ÖPNV, bleiben die Haltestellen in der Ortsmitte?“ Dazu blickt der Altbausanierer kritisch auf manches Geschäftslokal, das zu Wohnungen umgebaut wird, ohne dass auf die historische Form geachtet wird. „Es wird zu wenig getan, um Touristen anzulocken.“ Und nachdenklich ergänzt er: „Was ist mit dem ganzen Flächenverbrauch? War es da das wirklich wert?“ Er habe seine Ruhe auch bisher im Garten und im Hof gefunden. „Ich hätte auch ohne die Ortsumgehung hier weiterleben können.“ Letztlich profitiere wahrscheinlich jeder, „bis auf die Natur.“