Schmallenberg. Auf dem Schmallenberger Schützenplatz standen die Besucher dicht an dicht ohne Maske - auch der Bürgermeister. Warum das erlaubt war.
Die Diskussion um die Maskenpflicht auf dem Schützenplatz in Schmallenberg reißt nicht ab. Die Frage: Hätten dort alle Besucher und allen voran der Bürgermeister eine Maske tragen müssen, als sie Hannah Neise bei ihrem Goldmedaillen-Sieg zujubelten? Die Redaktion hat die Fragen dem Landesgesundheitsamt und dem Ordnungsamt der Stadt Schmallenberg gestellt.
Die Situation
Auf dem Schützenplatz der Stadt Schmallenberg jubeln rund 100 Zuschauer, als Hannah Neise durch den Eiskanal fliegt. Eigentlich hatte ein Organisationsteam ein Public Viewing veranstalten wollen, die Plakate waren schon verteilt, als die Absage kam. „Wir sehen uns außer Stande, die Corona-Auflagen zu erfüllen“, erklärte Hauptorganisator Hermann Hoffe. Die Kontrolle des Impfstatus, Security, ein Zaun - die Auflagen des Ordnungsamtes für die Veranstaltung inklusive Bühnenprogramm schienen zu hoch. Kurzerhand erklärte sich Gastronom Raffaele Iuliucci bereit, dass man bei ihm auf der Terrasse das Rennen verfolgen könne. Dafür wurde auch eine LED-Leinwand aufgestellt.
Kontrolle und Kritik
Nun war quasi ein Gastronom Veranstalter. Seine Mitarbeiter kontrollierten bei jedem, der sich vor sein Lokal stellte den Impfstatus. 2Gplus war Voraussetzung, sonst musste man gehen. Alle kontrollierten Besucher erhielten ein Bändchen. Masken trug dann dort keiner mehr. Auch nicht der Bürgermeister Burkhard König. Das konnte jeder sehen, denn der postete auf seiner Facebook-Seite ein Foto mit der Familie Neise, nicht besonders eng, aber auch nicht mit anderthalb Metern Abstand. Bei Facebook gab es Kritik dafür, weil gerade der Bürgermeister, so die Meinung, mit gutem Beispiel hätte vorangehen müssen. Kritik gab es auch, weil die Stadt bei Corona-Spaziergängen sehr genau auf die Maskenpflicht achte und bei Verstößen Ordnungswidrigkeitsverfahren einleite. Insgesamt zehn, so bestätigte es das Ordnungsamt auf Anfrage, seien das gewesen, zurzeit liefen die Anhörungen.
Die Grundlagen
Die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW regelt das Zusammentreffen in der Pandemie: Sie besagt zum konkreten Fall, dass wenn nur immunisierte Personen Zugang haben, im Freien keine Pflicht zum Tragen einer Maske besteht. Es wird jedoch empfohlen eine Maske zu tragen, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann. Voraussetzung: Die Kontrolle funktioniert.
Das Ordnungsamt
Und dass sie funktionierte, bekräftigt die Pressesprecherin der Stadt Schmallenberg, Anke Sibert nach Rücksprache mit dem Ordnungsamt. Dessen Mitarbeiter hatten die Veranstaltung begleitet: Der Bereich habe - so die Absprache - nicht komplett abgesperrt werden müssen. „Aber der Zugang zum Public-Viewing-Bereich sollte übersichtlich gestaltet werden. Dies war durch Absperrungen insbesondere im Bereich der Leinwand und des Caterings gegeben.“ Der Zugang sei nur über die Straße Schützenplatz auf einer Länge von rund 15 Meter möglich gewesen.
„Das Kontrollkonzept sah vor, dass mehrere Personen bereit standen, die, sofern Personen einen längeren Aufenthalt erkennen ließen oder Zugang zum abgesperrten Bereich haben wollten, die Zugangsberechtigung abfragten. Dieser Bereich konnte gut von den Kontrollposten überwacht werden.“ An die kontrollierten Besucher seien Bändchen verteilt worden. Und diese Bändchen seien vom Personal bei Bestellung oder der Ausgabe von Getränken und Speisen zusätzlich kontrolliert worden. „Da nur immunisierte Personen Zutritt hatten, bestand gemäß Coronaschutzverordnung keine Pflicht zum Tragen einer Maske, sondern es galt nur die Empfehlung.“
Das Gesundheitsministerium
Das NRW-Gesundheitsministerium zum aktuellen Fall befragt, schreibt zwar: Die konkrete Bewertung der Veranstaltungen anhand der Situation könne nur von der zuständigen Behörden vor Ort getroffen werden, ergänzt dann aber: „Es kann sich um eine Veranstaltung zur Freizeitgestaltung im Freien gehandelt haben, für die 2G gilt. Jenseits von Großveranstaltungen gibt es dabei im Freien keine zwingenden Vorgaben für Abstands- und Maskenpflichten.“
Der Mediziner
Auch Dr. Dominic Dellweg, Chefarzt am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, hat sich dazu zu Wort gemeldet. In einem Leserbrief schreibt er: Sich ohne Maske im Freien in einer Gruppe ablichten zu lassen widerspreche keiner gültigen Regelung der Schmallenberger Coronaverordnung, wenn die betreffenden Personen immunisiert sind. Aus infektiologischer Sicht sei das Tragen von Masken unter freiem Himmel sowieso entbehrlich, da weit unter ein Prozent der Infektionen im Freien erfolge. Hier empfehle sich eine Nachbesserung der gültigen Regeln. „Wir alle sind genervt durch die Einschränkungen der Pandemie und merken, dass wir vielleicht manchmal dünnhäutiger reagieren, als wir das vor Corona getan hätten. Wir alle können uns aber gedanklich schon mal auf das Ende der Pandemie vorbereiten und zu unseren alten Verhaltensweisen zurückfinden. Vielleicht auch wieder zu mehr Gelassenheit und Toleranz.“
Hintergrund
Die Coronaschutzverordnung im Wortlaut: Bei Veranstaltungen und Versammlungen im Freien richtet sich die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske nach der jeweiligen Zugangsregelung oder den folgenden Maßgaben:
1. Haben alle Personen unabhängig von einem Test- oder Immunisierungsnachweis Zugang zu der Veranstaltung oder Versammlung, ist mindestens eine medizinische Maske zu tragen.
2. Haben nur getestete oder immunisierte Personen Zugang zu der Veranstaltung oder Versammlung, ist nur bei einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern mindestens eine medizinische Maske zu tragen.
3. Haben nur immunisierte Personen Zugang, besteht keine Pflicht zum Tragen einer Maske. Es wird jedoch empfohlen eine Maske zu tragen, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann.