Meschede. Ein 56-Jähriger steht in Meschede vor Gericht - und klagt seinerseits gegen die Polizei. Die Szene der „Reichsbürger“ spielt in den Fall hinein.

Szenen aus Heinrichsthal: Ein Autofahrer missachtet die Anhaltezeichen der Polizei, später kommt es zum Tumult auf dessen Privatgelände. Der Mann wird dabei verletzt – und erhebt dann schwere Vorwürfe gegen die Polizisten. Vor Gericht wird ihm nicht geglaubt. Auch die Szene der „Reichsbürger“ spielt in den Fall hinein.

Verurteilt wird der 56 Jahre alte Mann aus Heinrichsthal am Amtsgericht Meschede zu einer Geldstrafe von 1500 Euro wegen Urkundenfälschung, vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und falscher Verdächtigung. Im Februar 2021 fährt er mit seinem Auto von Heinrichsthal nach Meschede, um angeblich ein anderes Fahrzeug in eine Werkstatt zu bringen. Die Polizei hat einen anonymen Hinweis erhalten, wird im Prozess bekannt, dass der Mann mit falschem Kennzeichen unterwegs sei.

Anhaltezeichen missachtet: „Ich dachte, die winken mich vorbei“

Die Polizei fährt ihm hinterher, der Mann dreht dann an der Briloner Straße an der Tankstelle und fährt wieder zurück – aus Heinrichsthal kommt ihm aber schon eine Zivilstreife entgegen. Die Anhaltezeichen daraus missachtet er: „Ich dachte, die winken mich vorbei“, sagte er. Auf seinem Grundstück hält er dann an, die Polizei im Schlepptau. Er versucht, in sein Haus zu gehen – für Staatsanwalt Sebastian Wirwa der eindeutige Versuch, seine Identifikation unmöglich zu machen.

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Die Beamten fordern den Mann auf, stehen zu bleiben. Das macht er nicht. Was geschieht dann? „Polizisten sind alle Verbrecher“, soll er unter anderem gesagt haben, so die Staatsanwaltschaft. Der Mann sagt, die Polizisten hätten auf ihn eingeschlagen, „als wären sie nicht ganz dicht gewesen“: „Ich dachte, die brechen mir das Genick“. Ihm sei in die Nieren geschlagen worden, mit dem Satz: „Ihr Reichsbürger, euch zeige ich, wo es lang geht!“ Nach Feststellung seiner Personalien auf der Wache geht der Mann ins Krankenhaus. Dort, sagt er, sei gefragt worden, „wie sehen Sie denn aus?“ „Die haben mich verprügelt“, antwortet er – und im Krankenhaus habe man gesagt: „Ach, wieder die Polizei?“

Richter: „Verletzungen, die nicht auftreten dürfen“

Im Arztbericht tauchen eine Nasenbeinfraktur, eine Fraktur der Hand und multiple Prellungen auf. Auch Richter Fabian Kaste spricht von „Verletzungen, die nicht bei einer solchen Festnahme auftreten dürfen“. Der Mann hat die Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt: Das Ermittlungsverfahren ist zurückgestellt worden, um diesen Prozess abzuwarten. Zwei seiner Kinder als Zeugen sagen aus, nach ihren Eindrücken sei die Polizei hart gegen ihren Vater vorgegangen.

„Der Beschuldigte wurde zu keinem Zeitpunkt von uns geschlagen“, sagt einer der Beamten aus. Natürlich habe bei der Festnahme „körperliche Gewalt“ eingesetzt werden müssen, weil er nicht stehen blieb: „Er hat sich deutlich gesperrt.“ Ein anderer sagt: „Es ging sehr turbulent von seiner Seite zu.“ Bei der Durchsuchung findet sich ein (verbotenes) Einhandmesser bei dem Mann – das will dieser aber nur als Werkzeug genutzt haben. Er beschuldigt die Beamten, sagen die, es ihm „untergeschoben“ zu haben. Bei der Durchsuchung sagt er ebenfalls, laut Polizisten, ihm sei von ihnen sein Handy gestohlen worden. Im Prozess bestreitet er das.

Reichsbürger? „Wenn man es so formulieren möchte, dann so“

Eingeräumt hat der Mann im Prozess, mit einem falschen Kennzeichen unterwegs gewesen zu sein – das erklärt er aber mit einem Versehen, weil sein Sohn vergessen habe, das korrekte Kennzeichen anzubringen. Staatsanwalt Wirwa nennt das „eine Räuberpistole“. Auch Richter Kaste glaubt das in seinem Urteil nicht. Die Verdächtigungen gegen die Polizisten, angeblich etwas untergeschoben bzw. gestohlen zu haben, nennt er den Versuch, „ich würge denen jetzt etwas rein“.

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Der Mann hat sieben Vorstrafen wegen Betruges, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung und Nötigung. Die Beamten, sagt er, hätten ihn auch auf der Wache als „Reichsbürger“ bezeichnet. Wie die denn darauf kommen würden, will der Staatsanwalt wissen. „Das müssen Sie die fragen“, entgegnete er. Einer der Beamten habe auch zu ihm gesagt, „Ihr mit euren SHAPE-Gesetzen“. Der Angeklagte sagt, er habe ihn korrigiert, das heiße „SHAEF-Gesetze“. In der „Reichsbürger-Szene“ wird an diese angeblichen Parallel-Gesetze geglaubt, die in Deutschland angeblich Gültigkeit hätten. Der Staatsanwalt will wissen, was das denn für Gesetze seien: „Das sind Alliierten-Gesetze“, sagt der Angeklagte.

Sein Sohn sagt aus, den Polizisten sei sein Vater „vielleicht wegen seiner politischen Ansichten suspekt“. Da fragt der Staatsanwalt direkt nach, was dies denn für Ansichten seien – „er selbst hat gesagt, er sei Reichsbürger“. Sein Sohn antwortet:

>>> HINTERGRUND <<<

„SHAEF“ ist die „Abkürzung für Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces“: Dies war die Bezeichnung für das Oberkommando der alliierten Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg. Die Gesetzgebung wurde allerdings im Jahr 1945 aufgelöst. „Reichsbürger“ sind aber davon überzeugt, dass die SHAEF-Gesetze noch heute gültig sind. Nicht zu verwechseln mit SHAPE: Das ist die Abkürzung für das weiterhin bestehende Oberkommando der Alliierten in Europa, das aber dem NATO-Hauptquartier unterstellt ist.

Im Internet kursieren unter „Reichsbürgern“ solche Überzeugungen: „Deutschland ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges kein souveräner Staat mehr, sondern ein militärisch besetztes Gebiet der alliierten Streitkräfte. Mit Wirkung vom 12.09.1944 wurde es durch die Hauptsiegermacht USA beschlagnahmt (SHAEF-Gesetz Nr. 52). Die Bundesrepublik Deutschland ist und war nie ein Staat, weder de jure, noch de facto. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Verwaltung – eine eingetragene Firma ohne jegliche Befugnisse.“