Bad Fredeburg. Rund um die Ebbinghof-Verhandlung um Bußgelder spielten sich verschiedene Szenen ab. Ein Wachtmeister wurde sogar bedroht.
Ein Krankenwagen, Masken-Atteste, eine Bedrohung und mittendrin eine Verhandlung, in der es um Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung geht. Alle Ereignisse spielten sich jetzt im und am Amtsgericht Schmallenberg in Bad Fredeburg ab. Hier unser weiterer Bericht.
Masken-Attest
„Ich habe ein Attest. Ich muss die Maske nicht tragen“, sagen zwei Zuschauer der Verhandlung, als Richter Ralf Fischer sie darauf verweist, dass eine Maskenpflicht gilt. Auf Grund der aktuellen Corona-Situation sind die Sitzplätze für Zuschauer begrenzt. Richter Ralf Fischer will die Atteste sehen. Ein Zuhörer zeigt ihm seins. „Der ist nicht gültig“, sagt der Richter. Die Begründung: „Auf diesen Masken-Attesten muss eine nachvollziehbare Diagnose stehen. Wenn dem nicht so ist, ist es auch nicht gültig“, erläutert Fischer nach der Verhandlung im Gespräch mit dieser Zeitung.
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Das gehe aus mehreren Urteilen des Oberverwaltungsgerichts hervor. Als Vorsitzender Richter obliegt Fischer außerdem das Hausrecht: „Ich habe entschieden, dass bei mir im Gericht die Corona-Schutzverordnung eingehalten wird.“ Es müsse eine gefährliche Erkrankung der Lunge, wie zum Beispiel COPD, vorliegen, um von einer Maske befreit zu sein, betonte Fischer.
Am Dienstag waren im Amtsgericht die Betreiberin des Familienhotels Ebbinghof, Daniela Tigges, ihr Verteidiger und eben die zwei Zuschauer mit einem Attest erschienen. Dabei kam es auch zu einer Szene, die für Aufsehen sorgte: Als der eine Zuhörer den Saal verlassen muss, weil er keine Maske aufsetzen will, entscheidet sich die andere Zuhörerin für die Maske trotz Attest, um vor Ort zu bleiben: „Es kann aber sein, dass ich dann umkippe“, sagt sie noch. Richter Ralf Fischer: „Wenn Sie das jetzt schon wissen, können Sie den Raum ja verlassen.“ Eine halbe Stunde später: Die Frau steht langsam von ihrem Stuhl auf und fällt auf den Boden. Es ist ein langsamer Sturz und trotz vieler Stühle vor und hier ihr, kann sie sich nicht festhalten oder hält sich nicht fast. Das Wort: „Schauspielerei“ machte in diesem Moment die Runde. Dennoch wird ein Krankenwagen gerufen und die Betroffene nach draußen begleitet. Die Verhandlung läuft weiter.
„Freie Presse“ und Telegram
Außerhalb des Gerichts: Eine Frau mit einer leuchtend gelben Warnweste baut eine kleine Kamera mit Stativ auf. Neben ihr steht ein Mann, es ist das Team der so genannten „Freien Presse Sauerland“. Ein doppeldeutiger Begriff: Einerseits wird damit unterstellt, dass andere Medien, insbesondere auch private, nicht frei in ihrer Berichterstattung sind. Andererseits handelt sich dabei um vor allem auf Telegram verbreitete Inhalte, die einen sehr eindimensionalen Blick auf die Corona-Pandemie zeigen und teilweise Verschwörungstheorien verbreiten. Auf der Video-Plattform YouTube wurden deshalb viele dieser Videos bereits gelöscht. Eine der Verbreiterinnen wohnt in Brilon und fährt von dort aus bundesweit zu Spaziergängen, Protesten und Prozessen.
Die beiden filmen kurze Videos vor dem Amtsgericht, die sie im Anschluss auf Telegram veröffentlichen. Unter anderem wird auch die Szene mit dem Krankenwagen präsentiert: „Wir vermuten, dass es sich um ein Problem mit einer Maske handelt. Dass jemand keine Luft mehr bekommen hat“, mutmaßt die Sprecherin. Bemerkenswert: Zu diesem Zeitpunkt kann sie noch nicht gewusst haben, was sich gerade innerhalb des Gerichts abgespielt hat.
Auch Daniela Tigges wendet sich auch mit einer Video-Botschaft über diesen Kanal an die Öffentlichkeit: „Die Verhandlungen waren reine Verhandlungen. Inhaltlich konnte mir niemand die Frage beantworten, was ich hätte richtiger machen können. Ich habe auf die Anweisungen des Ordnungsamtes reagiert“, sagt sie dort. Weiter: „Die Innovationskraft von agilen Unternehmern wird von Stadt und Rechtsstaat unterbunden. Was mich ein bisschen ärgert und gleichzeitig glaube ich sowieso mehr an Karma als an Rechtsstaatlichkeit.“
Die Bedrohung
Besetzte Plätze im Gericht und die Mitarbeiterin der so genannten Freien Presse Sauerland, die Kreisen der Querdenker-Bewegung zuzuordnen ist, will dennoch an der Sitzung im Amtsgericht teilnehmen. Jetzt wird gegen sie ermittelt: „Mein Wachtmeister hat mir im Anschluss erzählt, dass er der Frau gesagt hat, dass sie das nicht herein könne, denn es sei kein Platz mehr frei. Daraufhin hat sie ihn bedroht“, sagt Richter Ralf Fischer. Die Beschuldigte soll zu dem Wachtmeister gesagt haben: „Ihr werdet alle noch hängen.“ Dazu Fischer: „Ich habe ein Strafverfahren eingeleitet. Die Polizei ermittelt jetzt.“ Das habe er auch zum Schutz seiner Leute gemacht.
Die Betreiberin
Auf die Anfrage unserer Zeitung, ob sie etwas zu dem Ergebnis vor Gericht sagen möchte, schreibt sie: „Zum einen hat mich sehr irritiert, dass mir weder der Richter noch der Leiter des Ordnungsamtes die Frage beantworten konnte, was ich hätte richtiger machen können. Außerdem frage ich mich, ob es überhaupt ein anderes Hotel gibt, das ähnlich detektivisch den Geschäftsreisegrund seiner wenigen Gäste im Frühling 2021 erforschen musste wie wir.“