Meschede/Hochsauerlandkreis. Corona war im HSK das beherrschende Thema. Landrat Dr. Karl Schneider befürwortet entschieden, die Krise mit Impfungen in den Griff zu bekommen.

Corona war das weiter bestimmende Thema in diesem Jahr, auch im Hochsauerlandkreis. Landrat Dr. Karl Schneider ist ein entschiedener Befürworter davon, die Krise über Impfungen in den Griff zu bekommen. Im Interview nimmt er Stellung zu einer möglichen Impfpflicht, zu Corona-Protesten, zur Stimmung der Menschen. Und er warnt davor, weiter Ängste aufzubauen.

Welche Hoffnung haben Sie für 2022 mit Blick auf Corona?

Ehrlicherweise weiß ich es nicht. Wir wissen nicht, wie die Entwicklung weitergeht. Die Omikron-Variante soll sich schlimm verbreiten, heißt es. Die große Frage, die dahintersteht: Ist sie auch als Krankheit schlimm - oder gibt es mildere Verläufe? Wir waren doch alle der Meinung, dass wir 2021 schon wieder unbekümmert Weihnachten feiern würden. Vielleicht müssen wir einsehen, dass wir auf Dauer mit Corona leben müssen.


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In der Rückschau: Wie war 2021 mit Corona?

Insgesamt war die Lage schon entspannter. Dazu hat der ganze Impfmechanismus erheblich beigetragen. Erinnern wir uns, dass wir zu dieser Zeit im letzten Jahr geringere Inzidenzen hatten als jetzt gerade – und letztes Jahr war alles geschlossen!

Auch Landrat Dr. Karl Schneider sieht Veränderungen in der Stimmung der Menschen: „Ich merke auch, dass die Leute ungeduldiger geworden sind und sie die einschränkenden Maßnahmen nicht alle begrüßen.“ 
Auch Landrat Dr. Karl Schneider sieht Veränderungen in der Stimmung der Menschen: „Ich merke auch, dass die Leute ungeduldiger geworden sind und sie die einschränkenden Maßnahmen nicht alle begrüßen.“  © Unbekannt | Archiv

Man sieht, dass Impfen hat schon geholfen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Impfen, hoher Impfquote und Inzidenz: Wir liegen im HSK bei den Erst- und Zweitimpfungen ungefähr bei 88 Prozent, beim Boostern gehen wir auf die 40 Prozent zu, die Inzidenz liegt aktuell bei 101 – damit sind wir unter dem Bundesdurchschnitt, unter dem Landesdurchschnitt und in Südwestfalen weit vorne.

Sind Sie für eine Impfpflicht?

Ich spreche mich dafür aus. Es gibt natürlich die rechtlichen Abwägungen, aber die habe ich nicht vorzunehmen. Ich sage ganz offen: Die Impfung hilft und wir werden auch um weitere Impfungen nicht herumkommen. Denn wie bei jeder Impfung lässt die Wirkung irgendwann nach. Dann muss nachgesteuert werden.

Können Sie nachvollziehen, dass Impfgegner oder Gegner der Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen und protestieren?

Ich weiß nicht, ob das mit dem Impfen zusammenhängt – oder ob sich da etwas anderes zusammenbraut. Ich höre aus anderen Teilen Deutschlands, dass auch Rechtsextreme diese Proteste für sich ausnutzen. Das will ich nicht jedem unterstellen, da auch ganz normale Bürger an den „Spaziergängen“ teilnehmen. Ich halte von diesen Märschen überhaupt nichts: Sie helfen uns doch nicht weiter. Wir haben alle zum Schutz der Gesellschaft beizutragen – und nicht umgekehrt!

„Die Leute sind schon kritisch, ob das alles so richtig ist“

Werden wir mehr Proteste erleben?

Das kommt darauf an, wie lange das Corona-Geschehen anhalten wird. Ich merke auch, dass die Leute ungeduldiger geworden sind und sie die einschränkenden Maßnahmen nicht alle begrüßen. Je länger das dauert, desto mehr Proteste wird es geben, fürchte ich.

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Wie nehmen Sie die Stimmung wahr?

Ganz unterschiedlich. Es wird oft behauptet, es seien alle Leute dafür, noch schärfere Maßnahmen einzuführen, noch mehr Kontaktbeschränkungen. Meine Gespräche zeigen das nicht so: Die Leute sind schon kritisch, ob das alles so richtig ist. Anfangs hieß es vom RKI, eine Million Menschen würden auf jeden Fall im Krankenhaus landen. Es sind damals Zahlen an die Wand geschrieben worden, wo man geglaubt hat, man müsse die Dramatik so hochschrauben, dass sich die Leute total erschrecken. Das schleift sich ab. Bei allen bedauernswerten Zahlen angesichts von Corona: Der weit, weit überwiegende Teil der Erkrankten ist wieder gesundet. Die Dramatik der Zahlen, die in manchen Prognosen aufgebaut wurden, baute auch überbetont Ängste auf: Aus diesem Angstmachen muss man herauskommen. Das hilft nicht weiter. Angst ist noch nie ein guter Ratgeber gewesen.

Klingt da Kritik an den Wissenschaftlern durch?

Die Frage ist doch, ist das alles nur Wissenschaft: Oder machen die Institute auch Politik? Ist das alles tatsächlich wissenschaftlich hinterlegt? Die Wissenschaftler haben oft auch noch nicht genug Daten, um zum Beispiel sagen zu können, wie die Verläufe bei Erkrankungen sind. Man muss das mal reflektieren. Wie oft haben wir über Inzidenzen gesprochen: 100, dann 50, dann 35, dann wurde von 10 gesprochen. Jetzt haben wir Inzidenzen von über 1000. Oder die Hospitalisierungsraten: Da hört man fast gar nichts mehr davon, weil die Zahlen irreführend sind.

„Den totalen Schutz kann es nicht geben“

Wie haben Bund und Land die Coronakrise Ihrer Meinung nach bisher bewältigt?

Im Großen und Ganzen wurde die Krise gut gesteuert. Auch in Europa stehen wir mit unseren Zahlen relativ gut da. Natürlich werden viele Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen: Es gibt eben kein Patentrezept. Auf der einen Seite soll es den Schutz der Bevölkerung geben, auf der anderen Seite muss es mit der Wirtschaft weitergehen. Wir können nicht alles immer lahmlegen. Das würde zu unkalkulierbaren wirtschaftlichen Schäden führen. Den totalen Schutz kann es nicht geben. Deshalb muss man vorsichtig sein, alles zu kritisieren, was entschieden wird. Manches ist ein Kompromiss.


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War die Schließung der Impfzentren durch das Land im Nachhinein betrachtet ein Fehler?

Nein, die Dezentralisierung war die richtige Lösung. Ich habe lange dafür gekämpft im Land, dass es dezentrale Lösungen gibt. Wir merken jetzt, dass wir erhebliche Impffortschritte haben, sobald wir in die Fläche gehen und Impfangebote machen. Im Impfzentrum gab es zuletzt zum Teil Stillstand, weil kaum noch jemand kam. Ich bin froh mittlerweile, dass wir in der Fläche sind.

Wie sehen Sie den HSK in der Krise aufgestellt?

Unser Kreis ist mit relativ niedrigen Zahlen gut dadurch gekommen. Aber die Situation kann sich auch schnell umkehren, ohne dass ich darauf Einfluss hätte – man sieht es bei unseren Nachbarn im Kreis Soest, der lange sehr niedrige Zahlen hatten.

Ist Corona finanziell zu bewältigen?

Als es anfangs hieß, wir helfen allen, da haben das auch andere Staaten nachgemacht. Ich habe damals schon gesagt, wir werden eine hohe Inflation bekommen: Die haben wir jetzt. Es ist eben nicht alles mit Geld zudeckbar. Das ist eine erste Hilfe: Aber irgendwo muss dieses Geld ja herkommen! Ich fürchte, wir werden die wirtschaftlichen Auswirkungen erst noch richtig zu spüren bekommen. Wo im Zuge von Corona alles dicht gemacht wurde, da waren plötzlich auch Lieferketten unterbrochen. Jetzt fangen wir an, über Mangelwirtschaft zu sprechen. Das ist auch auf Corona zurückzuführen. Die Auswirkungen werden spürbarer.

Wird es einen unbekümmerten Jahreswechsel von 2022 auf 2023 geben?

Da müsste ich ein Prophet sein. Der bin ich nicht. Ich bin stattdessen vorsichtig. Worauf sollte ich meine Hoffnung stützen? Das muss doch rational sein. Aber wer wusste im letzten Jahr, dass Omikron kommen würde? Und wer weiß, was uns das neue Jahr noch alles beschert?

>>> Zur Person <<<

Dr. Karl Schneider ist seit 2005 hauptamtlicher Landrat des Hochsauerlandkreises.

Der 69-jährige Schmallenberger ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.

Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann und zwei Jahren Fachoberschule in Meschede absolvierte Schneider bis 1975 das Studium der Betriebswirtschaftslehre in Siegen. Im Dezember 1981 promovierte er über „Determinanten des Personalbedarfs“.

Schneider arbeitete bei der Deutschen Bank in Düsseldorf, von 1984 bis zu seinem Amtsantritt als Landrat war er bei der Falke-Gruppe in Schmallenberg tätig, seit 1991 als Chefcontroller und Mitglied der Geschäftsleitung.