Meschede. Ein vergessener Ort in Meschede - und einer in hervorragendem Zustand. Direkt an der Antoniusbrücke liegt eine geheimnisvolle Höhle.

Einen dieser vergessenen Orte gibt es auch in Meschede, einer dieser „Lost Places“. Wenn dieser Ort nur an einer anderen Stelle liegen würde – was wäre das für eine Sehenswürdigkeit für Meschede! Täglich kommt man an ihm vorbei, nur hinein kommt niemand. Sein Geheimnis liegt im Untergrund und im Berg zugleich.

Der Weg in den Untergrund und in die Mescheder Geschichte

Wer von der Antoniusbrücke kommt, der fährt am Klausenberg direkt geradeaus darauf auf diese Stelle zu, bevor er in Richtung Innenstadt abbiegt.

Täglich fährt man daran vorbei: Hier an der Arnsberger Straße ist der Zugang in den Mescheder Untergrund.  
Täglich fährt man daran vorbei: Hier an der Arnsberger Straße ist der Zugang in den Mescheder Untergrund.   © Jürgen Kortmann

Dort läuft auch der Gehweg von der Arnsberger Straße stadtauswärts aus. Wer an der Ampel aus Richtung Schwimmbad steht, der sieht auf dem Gehweg acht so genannte „Schwerlastabdeckungen“ aus Metall im Boden eingelassen, hintereinander angereiht. Sie sind der Zugang in den Untergrund – und in die Mescheder Geschichte. Herr über den Zugang ist der Landesbetrieb Straßen.NRW in Meschede. Für uns öffnete sich der Zugang hinunter – und beim Landesbetrieb war man genauso gespannt darauf, was unten wohl kommen würde. Denn 2011 wurden die Luken zuletzt geöffnet. Erstmals ging es jetzt wieder hinunter. Denn praktische Bedeutung hat der Zugang keine mehr.

Es ist ein Ausflug in die jüngere und ältere Geschichte der Stadt zugleich.

Der Betonschacht wurde beim Bau der Antoniusbrücke in Meschede eigens konstruiert - ansonsten hätte der Höhlenzugang zugeschüttet werden müssen.
Der Betonschacht wurde beim Bau der Antoniusbrücke in Meschede eigens konstruiert - ansonsten hätte der Höhlenzugang zugeschüttet werden müssen. © Jürgen Kortmann

Vor 39 Jahren, am 16. Dezember 1982, wurde die Antoniusbrücke für den Verkehr freigegeben. Für den Brückenbau musste der gesamte Bereich um rund vier Meter angehoben werden – das alte, tiefer gelegene Straßenniveau zeigt sich heute westlich von der Antoniusbrücke in Höhe des Schwimmbad-Parkplatzes bzw. östlich davon an der Coventry-Brücke. Bei Bauarbeiten war im Klausenberg ein alter Zugang in den Berg entdeckt worden – dahinter steckte ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Und was für einer. Er ist immer noch in einem hervorragenden Zustand.

Für den Notfall im Kalten Krieg

Für das Anheben der Brücke hätte der Zugang zugeschüttet werden müssen. Maßgeblich konstruiert hat die Antoniusbrücke der Bauingenieur Lothar Deppe beim damaligen Landesstraßenbauamt. Deppe konstruierte aber einen eigenen Schacht aus Stahlbeton, um den Zugang in den Berg zu schützen. Nicht aus Nostalgie, sondern aus praktischen Erwägungen: Schließlich herrschte 1982 noch der Kalte Krieg und an dieser Stelle gab es damit einen alten, bewährten Schutzraum für den schlimmsten Notfall.

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16 Stufen führen vom Gehweg aus hinunter auf den Grund des Betonschachtes. Unten schließt sich der Zugang in den Klausenberg an – und nach zehn Jahren hat sich hier nichts verändert! Erwartet haben auch die Profis vom Landesbetrieb Wassereinbrüche oder heruntergestürzte Steine. Aber: Nichts, alles ist so wie vor zehn Jahren bzw. wie vor 39 Jahren, als der Schacht verschlossen wurde. Vorher wiederum war die Höhle so verschlossen, dass keine neugierigen Kinder hineingelangen konnten.

Es ist eine gewaltige, in den Klausenberg gesprengte Höhle: 15 Meter lang in den Berg hinein, drei Meter hoch, fast fünf Meter breit.

Der Zugang zum Bunker (die Höhle ist im Rücken des Fotografen): Er war versetzt konstruiert, damit er bei Bombenexplosionen in der Nähe nicht verschüttet werden konnte.
Der Zugang zum Bunker (die Höhle ist im Rücken des Fotografen): Er war versetzt konstruiert, damit er bei Bombenexplosionen in der Nähe nicht verschüttet werden konnte. © Jürgen Kortmann

Ringsum nackter Fels, es tropft aus ihm an einigen Stellen, es gibt winzige Tropfsteine, das wenige Wasser fließt aber im Eingangsbereich irgendwohin ab. Der Fußboden und der Zugang besteht aus Ziegelsteinen. An einigen Stellen sind Löcher im Boden mit Holzresten, vielleicht standen hier Regale oder Bänke. Beides würde Sinn machen. Denn angelegt wurde die Höhle als Eiskeller in Zeiten, als Eis noch nicht künstlich im Kühlschrank erzeugt werden konnte. Hier lagerten die Schwestern Mia und Martha Peus das Eis aus dem Berg für ihr Zapfbier und zum Kühlen ihrer Torten. Angeboten wurde das in ihrem Café und ihrer Gastwirtschaft nebenan an der Arnsberger Straße – dort steht heute das Parkhaus. Das Café der Schwestern wurde später zur Disco „Komet“ und danach zur berüchtigten Kneipe „Motzkiste“.

Denkbar auch, dass es Holzreste von Bänken waren. Denn im Zweiten Weltkrieg wurde die Höhle/der Eiskeller als Bunker bei den Bombenangriffen auf Meschede genutzt. In einer Ecke der Höhle ist immer noch ein großes Hakenkreuz an die Wand gemalt.

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Auch der Zugang erinnert an diese Zeit: Eine Doppeltür mit Vorraum und Versatz, damit bei einer nahen Explosion die Druckwelle nicht in den Bunker dringen konnte. Ein zusätzlicher seitlicher Eingang schützte davor, dass sich keine Trümmer womöglich direkt vor dem Eingang auftürmen konnte. Ein Loch in der Wand sorgte damals für eine Belüftung. Denn bis zu 200 Menschen passten in die Bunker-Höhle, vor allem die Menschen rund um die Arnsberger Straße und die Mädchen der nahe gelegenen Realschule. Damals soll eine Holzkonstruktion vor dem tropfenden Höhlenwasser geschützt haben.

>>> HINTERGRUND <<<

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch überlegt, auf dem Klausenberg eine gemeinsame Kriegsgräberstätte für das Sauerland anzulegen.

Schließlich entschied man sich für den jetzigen Ort in der Eversberger Flur.

Heute ruhen dort 928 Tote, die u. a. aus den früheren Landkreisen Meschede (709 Tote), Arnsberg (115 Tote), Brilon (73 Tote), Altena (15 Tote) und Lippstadt (4 Tote) hierher überführt wurden.