Bestwig. Seit 2018 kämpft der Bauverein Bestwig um 26 Häuser mit 124 Wohnungen, die unter Wert verkauft wurden. Inzwischen liegt der Fall in Berlin.

Der Bauverein Bestwig muss nach wie vor um einen Großteil seiner Häuser kämpfen. Vor wenigen Wochen hat vor dem Landgericht Berlin-Charlottenburg der erste Verhandlungstag wegen der Klage des Vereins auf Löschung der Auflassungsvormerkungen stattgefunden. Mit einem ernüchternden Ergebnis.

Bereits seit Mitte 2018 kämpft der Bauverein um seine Immobilien. Zwei Vorstandsmitglieder des Vereins sollen damals ohne das Wissen weiterer Vorstandskollegen und Aufsichtsratsmitglieder den gesamten Immobilienbesitz zu einem Spottpreis von rund 800.000 Euro verhökert haben. Es geht um 26 Häuser mit 124 Wohnungen. Bei Hausdurchsuchungen der Steuerfahndung, der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei, die wenige Tage nach der Vertrags-Unterzeichnung zeitgleich in Berlin und Bestwig stattgefunden hatten, wurden zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt. Erfolgt waren diese Durchsuchungen unter anderem aufgrund verschiedener Strafanträge, die der Bauverein seinerzeit gestellt hatte.

Einen Tag vor Vertragsabschluss eine neue Gesellschaft

Bei der Durchsuchungsaktion hatten die Ermittler unter anderem die Kaufverträge über die Häuser der Genossenschaft gefunden. Demnach waren sämtliche Immobilien und Garagen des Vereins an eine Objektgesellschaft verkauft worden, die erst einen Tag vor Vertragsabschluss gegründet wurde. Es geht um insgesamt zwei Kaufverträge. Ein Kaufvertrag über vier Häuser ist inzwischen bereits für nichtig erklärt worden. Demnach kämpft der Bauverein aktuell konkret um 22 Häuser.

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Möglich geworden war der Verkauf der Häuser hinter dem Rücken von Vorstand und Aufsichtsrat durch das Besetzen wichtiger Posten mit mutmaßlichen Strohmännern. 2016 waren nacheinander drei Aufsichtsratsmitglieder zurückgetreten. Die Nachbesetzung der Posten hat sich aus heutiger Sicht als fatale Fehlentscheidung erwiesen.

Inzwischen beschäftigen sich mehrere Gerichte mit dem Fall. In Berlin-Charlottenburg ging es es jetzt um die so genannte Auflassungsvormerkung. Sie stellt sicher, dass der Verkäufer einer Immobilie, also in diesem Fall der Bauverein Bestwig, zwischen dem Kauf und der Umschreibung nicht auf sie zugreifen kann. Die Vormerkung wird im Grundbuch eingetragen. Der Bauverein hatte gegen diese Vormerkung geklagt. Während Dietmar von Rüden als Vorstand des Bestwiger Bauvereins mit Rechtsanwältin Kathrin Peus eigens für das Verfahren in die Hauptstadt gereist war, ließ sich für die Gegenseite, die Artar Bestwig Objektgesellschaft UG, lediglich der Rechtsanwalt blicken.

Vorschläge in Güteverhandlung nicht akzeptabel

Er habe im Laufe der Güteverhandlung zwei Vorschläge unterbreitet, die jeglicher Grundlage entbehren, sagt Dietmar vom Rüden: Zum einen die Heraufsetzung des Kaufpreises um 100.000 Euro (von 386.000 Euro) für die 22 Häuser. Zum anderen eine Teilung der Häuser, so dass nur ein Teil der 22 Immobilien an die Artar übertragen wird und ein anderer Teil beim Bauverein verbleibt. „Beide Alternativen sind für uns völlig unannehmbar“, macht Dietmar von Rüden im Nachgang der Verhandlung gegenüber unserer Zeitung unmissverständlich deutlich. Das stärkste der vielen vom Bauverein vorgetragenen Argumente bleibe das Missverhältnis zwischen dem Wert der Häuser und dem vereinbarten Kaufpreis, sagt er. Um den realen Wert gerichtsfest zu bestimmen, solle nun ein Gutachter beauftragt werden.

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„Vor dem Hintergrund, dass der Prozessgegner voraussichtlich zahlungsunfähig sein wird, wenn wir gewinnen, bleiben die Gerichts- und Gutachterkosten in jedem Fall beim Bauverein“, weiß von Rüden. Um diese Kosten am Ende decken zu können, hat der Verein inzwischen bereits 110.000 Euro zurückgestellt - in der Hoffnung, sie nicht komplett aufwenden zu müssen.

Kaufpreis unter dem Richtwert

Ein vom Bauverein eingebrachter Vorschlag auf Einigung - sei es gerichtlich oder außergerichtlich - treffe bei der Gegenseite auf Fantasievorstellungen in „nicht geringer sechsstelliger Höhe“, so von Rüden. Da nach dem derzeitigen Stand eine einvernehmliche Einigung nicht zu erwarten sei, wolle der Bauverein die Klage im Sinne seiner Mitglieder weiterführen. Zunächst soll zumindest ein Teil der Häuser gutachterlich bewertet werden, da dabei bereits ersichtlich werde, wie weit Kaufpreis und Wert auseinander liegen. Laut von Rüden liegt der Wert der 21 Immobilien bei rund drei Millionen Euro. Der Kaufpreis von 386.000 Euro liege sogar unter dem Bodenrichtwert.

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Vor dem Landgericht Arnsberg wird voraussichtlich in der ersten Hälfte 2022 ein weiterer Prozess gegen drei Beteiligte stattfinden. Es handelt sich um einen Strafprozess, in dem es unter anderem auch um die Unterschriften unter den strittigen Kaufverträgen geht. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Steuerverkürzung in nicht unerheblichem Umfang.

>>> HINTERGRUND <<<

Auf den Termin für den Strafprozess vor dem Landgericht Arnsberg wartet der Bestwiger Bauverein sehnlichst, immerhin liege der Fall dort bereits seit September 2019 auf dem Tisch, wie der Vereinsvorsitzende Dietmar von Rüden sagt.

Zu Verzögerungen war es laut Landgerichtssprecher Daniel Langesberg unter anderem deswegen gekommen, weil die Wirtschaftsstrafkammer andere vorrangige Verfahren zu bearbeiten hatte. Untätig sei das Gericht in der Sache allerdings nicht gewesen, wie Langesberg weiter betont. Er verweist auf umfangreiche Akten, die in der Regel hinter Wirtschaftsprozessen steckten. Das sei im Bestwiger Fall nicht anders. Die Akten seien inzwischen geprüft und über die Anklage beraten worden.

Fest stehe, dass die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen werde. Das Verfahren sei bereits Anfang dieses Jahres eröffnet worden - lediglich eine Terminierung habe eben noch nicht stattgefunden.