Meschede. Mescheder Hausärzte reagieren auf Spahns Vorstoß, den Biontech-Impfstoff zu deckeln, damit Moderna-Dosen nicht verfallen.
Ein echtes Luxusproblem hält Deutschland derzeit auf Trab: Man verfügt über so viele Impfdosen des vermeintlich und letztlich grundlos etwas unbeliebteren Vakzins Moderna, dass Gesundheitsminister Jens Spahn die Belieferung der Hausärzte mit dem liebsten Impfstoff der Deutschen, Biontech/Pfizer, auf 30 Dosen die Woche gedeckelt hat. So soll verhindert werden, dass etliche Moderna-Dosen im ersten Quartal 2022 verfallen. Starten soll die Rationierung ab Montag, 29. November.
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Während sich die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und der Hausärzteverband Westfalen-Lippe mit eindringlichen Mitteilungen an diese Zeitung gewandt haben und die Deckelung auf das Schärfste verurteilen, mildert der Mescheder Hausarzt Jörg Tigges die strittige Spahn-Entscheidung etwas ab. Ihm sei es in erster Linie wichtig klarzustellen, dass der Impfstoff von Moderna mindestens gleichwertig mit Biontech und genauso, wenn nicht besser, verträglich ist.
Gute Verträglichkeit und Wirksamkeit von Moderna
„Dass der Impfstoff von Moderna bislang nicht flächendeckend verwendet wurde, lag nur an der mangelnden Verfügbarkeit. Auch Kreuzimpfungen mit Biontech und Moderna zeigten eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit“, erklärt Jörg Tigges, der in seiner Mescheder Praxis täglich gegen Corona impft und am Samstag, 11. Dezember, auch an der großen Impf-Aktion der Mescheder Hausärzte zwischen 8 und 12 Uhr teilnehmen wird.
Biontech nur unter 30 Jahren
Zukünftig werde dann, so wie vom Gesundheitsminister vorgegeben, für alle Impfwilligen in Meschede über 30 Jahren das Moderna-Vakzin verwendet, alle unter 30 bekommen Biontech.
„Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Anweisung von Herrn Spahn durchaus nachvollziehbar ist, da in Kürze wohl auch die Kinder unter zwölf Jahren geimpft werden sollen und hier nur Biontech zugelassen ist, und die auf Lager befindlichen Impfdosen von Moderna im ersten Quartal 2022 verfallen würden“, so Tigges.
KVWL: „Eklatante Fehleinschätzung“
Weniger entspannt bewertet Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL, die Anweisung und vor allem die Art und Weise der Kommunikation durch Jens Spahn: „Der Versuch des Ministers, eine derartige Mitteilung an einem Freitagabend zu verstecken, ist schon sehr durchsichtig – verhindert das ungeheuerliche Eingeständnis seiner eigenen eklatanten Fehleinschätzung der Lage aber nicht im Geringsten. Es kann nicht sein, dass eine weitere unsinnige Last auf den Schultern der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und des Praxispersonals abgeladen wird.“
Ebenso mit Fassungslosigkeit habe Anke Richter-Scheer, erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, auf die Ankündigung von Jens Spahn reagiert, die Biontech-Bestellmengen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auf 30 Dosen pro Woche zu beschränken. Sie ärgere vor allem die ungerechte Verteilung des vorhandenen Impfstoffs, da mobile Dienste und lokale Impfstellen weiterhin mit 170 Ampullen des Biontech-Impfstoffs versorgt werden, während in den Praxen nur noch fünf zulässig sind (6 Impfungen pro Ampulle). „Erst werden wir aufgefordert, mehr zu impfen und in dem Moment, in dem die Impfzahlen in den Praxen nach oben schnellen, wird uns der Impfstoff von Biontech wieder gekürzt. Und wieder müssen wir – und vor allem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die Diskussionen mit den Patienten führen.“
Statt den Praxen eine Flexibilität bei der Impfstoffbestellung zu wahren, gebe die Politik nun – auf den Empfehlungen der Stiko basierend – den Impfstoff vor, der in Hausarztpraxen angewendet werden soll. „Wir können hier jetzt nur fordern, dass die Politik bitte auch die erneute Aufklärung der Bürger übernimmt, denn für Diskussionen haben wir und vor allem unsere Praxisteams keine Zeit, die benötigen wir für das Impfen und für kranke Menschen, die ja auch noch behandelt werden wollen“, betont Anke Richter-Scheer.
Vorab über Moderna informieren
Unabhängig von den Äußerungen von KVWL und Hausärzteverband findet Jörg Tigges, dass es unter dem Strich nun nichts bringe, jetzt an der Entscheidung von Herrn Spahn „rumzunörgeln“. „Wir sollten alle zusammen dafür sorgen, dass wir in kurzer Zeit alle impfen, die bedürftig sind“, findet der Mescheder Hausarzt, dem nun daran gelegen ist, dass die Impfwilligen sich gern schon vorab selbstständig über die Internetseite des Robert-Koch-Instituts über die Verträglichkeit und Wirksamkeit des Moderna-Impfstoffs informieren würden.
So könne man die Praxen zumindest ein wenig zeitlich entlasten und die telefonische Erreichbarkeit nicht unnötig blockieren. „Ich kann nur hoffen, dass sich hier alle solidarisch verhalten und mit dafür sorgen, dass wir diese Herausforderung zusammen bestehen“, appelliert Tigges an die Meschederinnen und Mescheder.