Eslohe. Der Junge Chor Eslohe wird den Opfern der Flut im zerstörten Ahrtal mit einem Konzert besinnliche Momente schenken. Und das ist nicht alles.

Zwischendurch muss Klaus Winkelmeyer immer wieder um Fassung ringen, wenn er von seinen Erlebnissen und Eindrücken aus dem Ahrtal berichtet. „Man kann sich das wirklich nicht vorstellen“, sagt der Esloher. Auch er habe sich das alles nicht vorstellen können, bis er sich Ende September schließlich das erste Mal mit seinem Auto samt prall gefülltem Anhänger auf den Weg in die von der Flut zerstörten Region gemacht hat, um den Menschen dort zu helfen.

Diese Bilder lassen dich einfach nicht los

„Diese Bilder lassen dich einfach nicht los“, betont Winkelmeyer. Die Bilder von weinenden Kindern, die in Helfer-Zelten ihre Hausaufgaben machen müssen, weil die Ahr ihr Zuhause einfach weggespült hat und die Bilder vom Schutt an den Straßen, der eben kein Schutt sei, sondern die Existenz der Menschen, die dort leben.

+++ Lesen Sie auch: Verzögerungen beim Anbau der Realschule Eslohe +++

Winkelmeyers erste Fahrt ins Ahrtal folgte ein zweite. Dabei und danach hat er viele Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Und gemeinsam ist dabei eine ganz besondere Idee entstanden: Der Junge Chor aus Eslohe wird am 23. Dezember eines seiner beliebten Weihnachtskonzerte in einer Kirche in Dernau geben, um den Opfern der Flut wenigstens einige schöne Momente und ein wenig Besinnlichkeit in dieser schweren Zeit zu schenken. Denn für sie wird es nach der Flutkatastrophe ein Weihnachtsfest, wie sie es sich niemals zuvor hätten vorstellen können.

Bürgermeister Stephan Kersting als Botschafter des Sauerlandes

Neben dem Jungen Chor werden an diesem Tag dann auch Eslohes Bürgermeister Stephan Kersting und Katja Lutter, Geschäftsführerin des Schmallenberger Sauerland Tourismus und der Ferienregion Eslohe, mit im Bus sitzen. „Quasi als Botschafter des Sauerlandes, wenn man so will“, sagt Winkelmeyer, der Mitglied im Vorstand des Jungen Chores ist. Und auch das Streichquartett aus Mitgliedern der Philharmonie Südwestfalen wird nicht nur bei den drei Weihnachtskonzerten des Jungen Chores in Eslohe mit dabei sein, sondern eben auch bei diesem ganz besonderen Konzert.

 Der Junge Chor Eslohe  bei einem seiner beliebten Konzerte.    
 Der Junge Chor Eslohe bei einem seiner beliebten Konzerte.     © Benedikt Mathweis

Zahlen müssen die Menschen aus dem Ahrtal die Konzertkarten natürlich nicht selbst. Schließlich soll der stimmungsvolle Abend ein Geschenk für sie sein. Menschen aus ganz Deutschland können übers Internet Karten für das Konzert erwerben, die dann an die Flutopfer weitervermittelt werden.

Freundschaften und Patenschaften

„Auf Wunsch“, so sagt Winkelmeyer, „vermitteln wir auch Kontakt zwischen dem Käufer der Karte und demjenigen, der sie am Ende bekommen wird“. Auf diese Weise könnten Freundschaften und vielleicht sogar eine Art Patenschaft entstehen. Das Geld aus dem Ticketverkauf wiederum wird komplett ins Ahrtal gespendet. Denn für ihren Auftritt wollen weder die Sängerinnen und Sänger aus Eslohe Geld sehen, noch fallen Kosten für den Bus an, die zu decken wären: Eslohes Bürgermeister hat versprochen, die Kosten zu übernehmen.

Und noch eine weitere Idee ist bei den zahlreichen Gesprächen entstanden: In der Weihnachtszeit sollen entlang des Flussbetts der Ahr 134 beleuchtete Weihnachtsbäume an die 134 Toten erinnern, die die Flutkatastrophe in dieser Region gefordert hat. Auch darum hat sich Winkelmeyer in den vergangenen Tagen gekümmert. Dafür seien nur zwei Anrufe erforderlich gewesen. Sofort hätten sich die Firmen Babilon und Mütherich als heimische Weihnachtsbaumproduzenten bereit erklärt, diese Bäume zu spenden, freut sich Winkelmeyer.

Und überhaupt sei es wirklich fantastisch zu erleben, wie groß die Hilfsbereitschaft sei, die er immer wieder bei all seinen Anrufen erlebe. Bei seiner ersten Fahrt hatte er nicht nur Küchenutensilien mit dabei, die bei seinem Arbeitgeber, dem Sozialwerk St. Georg, nach Umgestaltung der Küche übrig waren. Im Anhänger waren außerdem Farben und Teppiche von Parkett Sapp und Elektro-Utensilien, die die Firma Pletziger gespendet hatte. Beide hatten sich nicht lange bitten lassen.

Eine Welt ohne Farben

Klaus Winkelmeyer bei seiner Ankunft im Ahrtal. Es sei, als erreiche man eine andere Welt, sagt er. Eine Welt, in der es keine Farben gibt.
Klaus Winkelmeyer bei seiner Ankunft im Ahrtal. Es sei, als erreiche man eine andere Welt, sagt er. Eine Welt, in der es keine Farben gibt. © Privat

Winkelmeyer erinnert sich noch genau an die Momente, als er mit seinem Wagen damals das Ahrtal erreichte. Er saß nicht allein im Auto. Mit dabei waren auch seine Vorstandskollegin Nadine Flach und ihr Mann Christian, die im Jahr zuvor noch Urlaub in der Region gemacht hatten. „Je weiter wir in die Region hineingefahren sind, desto ruhiger ist es im Auto geworden“, sagt Winkelmeyer. Es sei gewesen, als habe man eine andere Welt erreicht - eine Welt in der es keine Farbe mehr gibt. Alles sei nur braun und grau gewesen.

Die Journalistin Beate Wimmer hatte die Esloher an diesem Tag durch das Gebiet geführt und weitere Kontakte hergestellt. „Damit war dann nicht nur sichergestellt, dass unsere Hilfe auch dort ankommt, wo sie wirklich benötigt wird“, sagt Winkelmeyer. Die Begegnungen seien auch so etwas wie der Grundstein für die weiteren Ideen gewesen.

+++ Lesen Sie auch: So schmeckt’s im neuen Jägerhof in Eslohe +++

Und auch an die Gefühle auf der Rückfahrt erinnert sich Winkelmeyer noch bestens: „Es hat sich für uns alle falsch angefühlt, nach all dem Leid, das wir gesehen haben, wieder nach Hause in die warme Wohnung zu fahren“, schildert er. Und genau deshalb folgten weitere Fahrten: Bereits eine Woche später mit Sohn Hannes, der nach Papas Erzählungen daheim sein überflüssiges Spielzeug zusammengesucht hatte, um es zu spenden - zusätzlich zu vielen weiterem Spielzeug, das im Freundes- und Bekanntenkreis zusammengekommen war. Und noch einmal einige Wochen später gemeinsam mit Chorleiter Michael Nathen, um vor Ort die Details für das Konzert abzusprechen. Auch dabei war der Anhänger voll mit Spenden von Parkett Sapp sowie Sanitär Bürger aus Eslohe und der Firma Tigges und Zepke aus Finnentrop-Lenhausen.

„Wir dürfen nicht aufhören zu helfen“

Das Material für eine weitere Fahrt im Frühjahr lagert bereits beim Sozialwerk St. Georg - weil zum einen nicht mehr alles in den Anhänger gepasst hat, und zum anderen, weil das Material momentan ohnehin noch nicht gebraucht werden kann: 1000 Quadratmeter Laminat und PVC-Boden für den Aufbau der Häuser. „Es wartet noch unendlich viel Arbeit dort“, weiß Winkelmeyer und gibt eine Botschaft weiter, die den Menschen im Ahrtal und allen anderen ehrenamtlichen Helfern wichtig ist: „Wir dürfen nicht aufhören, zu helfen!“