Eslohe. Pläne der Evangelischen Landeskirche sorgen für Unruhe in der Kirchengemeinde Dorlar-Eslohe: Wie kann sie ihre Zukunft gestalten?
Es geht um nichts weniger als die Zukunft: Wie wird die kleine evangelische Kirchengemeinde Dorlar-Eslohe fortbestehen können? Denn für Unruhe sorgen Überlegungen der Evangelischen Kirche von Westfalen, wonach im nächsten Jahrzehnt dann künftig 5000 Gemeindeglieder benötigt werden, um auch eine Pfarrstelle zu haben. Die Gemeinde Dorlar-Eslohe hat aber nur 1100.
Über die Zukunftsfragen wurde bei einem Treffen in der St. Johanniskirche in Eslohe diskutiert. Presbyter Dr. Wolfgang Beer machte dabei klar: „Die Landeskirche wird von uns nicht unbehelligt bleiben.“ Zu der geringen Anzahl ihrer Mitglieder kommt noch die enorme Größe des Gebietes ihrer Gemeinde hinzu – sie verteilen sich auf einer Fläche von 180 Quadratkilometern. Die neue Kennzahl für die Vergabe eines Pfarrers, die die Landeskirche einführen möchte, hängt mit dem generellen Problem der Kirchen zusammen: Auch die evangelische Kirche hat zu wenige Pfarrer – die wenigen sollen also anders verteilt werden.
Auch ein Diensthubschrauber hilft nicht
Dr. Beer macht klar, was die neue Kennzahl bedeuten würde: „Die drei Sauerland-Gemeinden Dorlar-Eslohe, Gleidorf und Winterberg hätten maximal eine Pfarrstelle – in einem Bereich, der von Obersalwey bis kurz vor Medebach reicht.“
Inhaltlich sei da keine Arbeit möglich, seelsorgerisch auch nicht: „Ein Pfarrer mit einer halben Stelle oder für drei Gemeinden kann das nicht leisten. Selbst wenn er einen Diensthubschrauber hätte.“ Jetzt fordert die Gemeinde Dorlar-Eslohe von der Landeskirche Ausnahmeregelungen ein, die es bislang nicht gibt: „Für Gemeinden mit kleiner Zahl und großer Fläche müssen Sonderregelungen geschaffen werden. Die sind bisher aber schlicht und einfach nicht beabsichtigt.“
Dabei weiß auch Dr. Wolfgang Beer: Selbst wenn Ausnahmeregelungen kämen, ist damit ja nicht sicher, dass dann in der Zukunft auch ein neuer Pfarrer gefunden wird, wenn Peter Liedtke in einigen Jahren in den Ruhestand geht. Liedtke, vor zwölf Monaten in sein Amt eingeführt, hat neben seinen übrigen Kirchenkreis-Aufgaben eine 50-Prozent-Stelle in der Gemeinde: „Das wäre ein Glücksfall, mit dem man nicht rechnen kann“ – wenn sich zum Beispiel dann jemand finde, dessen Partner hier einen Job hätte.
Dann eben ein Geschäftsführer
Also will die Gemeinde zweigleisig vorgehen. Einerseits braucht sie die Ausnahmeregel der Landeskirche, um sich überhaupt eine Chance auf eine Pfarrstelle zu erhalten. Andererseits will sie auch andere Organisations- und Strukturformen, falls sich kein Pfarrer findet: „Wir müssen uns gemeinsam anders organisieren.“
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Noch mehr an Verlagerung auf die Ehrenamtlichen gehe dabei nicht, sagt Beer: „Dann muss man überlegen, andere Professionen zu bezahlen. Früher hat ein Pfarrer mit voller Stelle auch die Gemeindeverwaltung mit gemacht. Heute wird das schon ehrenamtlich gemacht.“ Wenn das aber noch mehr würde, dann müsste man überlegen, einen Geschäftsführer für zwei, drei Gemeinden einzustellen, der diese Verwaltungsarbeit erledigt. Geld dafür wäre ja vorhanden: „Wenn man keine Pfarrer hat, muss man keine bezahlen.“ Er weiß aber auch: Strukturell bedeute das für eine Landeskirche eine Herausforderung.
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Für die Ehrenamtlichen wiederum müsste es professionelle Unterstützung geben, damit überhaupt noch jemand in Zukunft diese Arbeit mache. In Dorlar-Eslohe lebe man neue Modelle schon vor: „Wenn wir keinen Pfarrer oder keine Pfarrerin für den Gottesdienst haben, dann machen wir die Gottesdienste selber. Es gibt Besuchsdienste, die ehrenamtlich organisiert sind. Das muss sich eine Gemeinde ein Stück aufbauen.“ Nur noch eine von vier Kirchen wird betrieben. Gemeinden müssten anders organisiert werden: „Dafür ist die Notwendigkeit, dass Unterstützung und Freiräume kommen.“ Beer kann dabei selbstbewusst auch Erfolge vorweisen: „Wir haben sicherlich mehr Gottesdienstbesucher als viele Großstadtgemeinden.“
>>> HINTERGRUND <<<
Pfarrer Volker Rotthauwe leitet im Institut für Kirche und Gesellschaft der Landeskirche den Fachbereich „Umwelt und Soziales“ und ist damit auch für die Kirche im ländlichen Raum zuständig. Er sagte bei dem Treffen in Eslohe, man könne nicht mehr alle Angebote an jedem Standort vorhalten, es müsse und es werde andere Formen der Kirchengemeinden geben. Und ein ganz großes Plus sei es hier, dass das Land ein „Anpackraum“ sei: Viele Menschen im ländlichen Raum brächten sich gern ehrenamtlich für die Gemeinschaft ein. Volker Rotthauwe regte an, dass es neben weiteren Diskussions-Veranstaltungen ja auch einen Ideenworkshop und eine Zukunftswerkstatt geben könne.
Wofür Kirchensteuer zahlen?
Und so wie Rotthauwe den Besuchern Zuversicht mit auf den Heimweg geben wollte, so warb auch der ehemalige Pfarrer Jürgen Rademacher, der zu seinem Ruhestand aus Eslohe fortgezogen war, für die Hoffnung. Dazu nutzte er das Bild vom Senfkorn: der kleinste Same, der zu einem riesigen Baum wird. Jesu Gleichnis vom Himmelreich gilt auch heutzutage noch.
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In der Diskussion kamen viele Fragen auf: Wo finden sich in der Kirchengemeinde die 25- bis 40-Jährigen und die 40- bis 50-Jährigen? Wofür soll man noch Kirchensteuer bezahlen, wenn die Ehrenamtlichkeit absehbar eine immer wichtigere Rolle spielt? Wieso gibt es nicht auch andere, weniger traditionelle Gottesdienst-Angebote? Wer bemüht sich um Pfarrer, wieso gibt es keine Theologen mehr? Was wollen eigentlich die 90 Prozent der Gemeindeglieder, die man höchstens mal zu Weihnachten in der Kirche sieht, wenn überhaupt? Wie begegne ich der Beliebigkeit, die sich bei allzu offenen Aktionsformen schnell einstellt? Wie definieren Sie in diesem Konzept die Gemeinde Jesu Christi?