Wenholthausen. Nur wenige Zentimeter hoch stand die Wenne beim Hochwasser im Büro von Marc Gottschalk. Über ein bisschen Wasser und seine enormen Folgen.

Gemächlich plätschert die Wenne in Wenholthausen in ihrem Bett. Im Wasser spiegelt sich das Licht der Sonne, die vom wolkenlosen Himmel strahlt. Daran, dass es in Wenholthausen vor nicht allzu langer Zeit deutlich weniger idyllisch war, erinnert das Surren der beiden Trocknungsgeräte in den Räumen der wenige Meter entfernten Gothaer Versicherung.

Unaufhaltsam steigt das Wasser der Wenne am 14. Juli.
Unaufhaltsam steigt das Wasser der Wenne am 14. Juli. © Privat

Etwa vier Zentimeter hoch stand die braune Brühe hier am 14. Juli auf dem Boden. Nicht wirklich viel - aber genug, um einen hohen Schaden anzurichten. Vermutlich erst zu Beginn des kommenden Jahres wird Marc Gottschalk mit seinem Team die angemieteten Räume in unmittelbarer Nachbarschaft der Wenne wieder beziehen können. „Wenn es gut läuft, vielleicht schon Ende des Jahres“, sagt er.

Auch 92-jährige Mieterin trifft es hart

Nein, klagen will Marc Gottschalk nicht. Er weiß sehr wohl, dass es andere deutlich härter getroffen hat. Und dafür muss man nicht bis ins Ahrtal blicken: Im gleichen Gebäude neben der Wenne lebt eine 92-jährige Dame, die nach dem Hochwasser ihre Wohnung räumen musste. „Auch sie wird vermutlich erst Ende des Jahres wieder einziehen können“, weiß Gottschalk. Und das finde er deutlich schlimmer als notgedrungen im Homeoffice arbeiten zu müssen. Am Beispiel des Hauses an der Mathmeckestraße 1 wird deutlich, welche massiven Folgen selbst geringe Wassermengen haben können.

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Marc Gottschalk in seinem Büro direkt neben der Wenne.
Marc Gottschalk in seinem Büro direkt neben der Wenne. © Frank Selter

Gottschalk erinnert sich noch genau an den 14. Juli. „Das war in unserer Agentur zunächst ein ganz normaler Tag“, sagt er. „Wir haben hier morgens wie immer gearbeitet, sind in die Mittagspause gegangen und haben danach um 15 Uhr erneut mit der Arbeit begonnen.“ Zu diesem Zeitpunkt habe das Wasser noch hinter der Hecke gestanden. Weil das nicht zum ersten Mal der Fall war, habe er sich daher auch noch keine großen Sorgen gemacht. Doch diesmal stieg das Wasser weiter.

Um 16 Uhr steht die Feuerwehr vor der Tür

Um 16 Uhr stand schließlich die Feuerwehr mit Sandsäcken vor der Tür. Auf Anraten der Einsatzkräfte klemmten Gottschalk und seine Mitarbeiter die EDV und alle anderen Geräte ab und stellten die Technik hoch auf die Tische. Da war es mit der Arbeit wohl vorbei? „Nein“, sagt Gottschalk und lacht. „Da ging sie erst richtig los!“ Gemeinsam mit den Gebäudeeigentümern und tatkräftigen Nachbarn und Freunden habe man versucht, den Eingangsbereich zu halten - mit Sandsäcken außen sowie Decken und Nasssaugern im Inneren.

Dank dieses Einsatzes gelang es zumindest, das Wasser aus den beiden Büroräume fernzuhalten. Im Eingangsbereich ließ sich die braune Brühe allerdings nicht aufhalten. „Man kann sich nicht vorstellen, wie schnell das alles ging“, sagt Gottschalk. Und fast genau so schnell sei das Wasser kurze Zeit später dann auch wieder gesunken. Es habe zum Teil an der Stauung durch die Wennebrücke gelegen. Seien die Bögen erst einmal ausgelastet, dann gehe es schnell.

Erkenntnis nach Probebohrung

Bis zum 6. August hat Marc Gottschalk nach dem Hochwasser mit seinem Team zunächst weiter in dem Gebäude gearbeitet. Nach einer Probebohrung des Fußbodenaufbaus durch die Sanierungsfirma stand fest: Die im Boden liegenden Holzfaserdämmplatten und die Schüttung sind durchnässt. Alles muss raus: die Fliesen und die Fußbodenheizung im Gussasphalt, der sich nicht trocknen lässt.

Nach dem Hochwasser muss der komplette Boden raus.
Nach dem Hochwasser muss der komplette Boden raus. © Privat

Dass es bis zu dieser Erkenntnis ein wenig länger gedauert hat, macht Marc Gottschalk als Versicherungsexperte dem Mitbewerber nicht zum Vorwurf. Nach dem Hochwasser habe bei den Versicherungen eine Priorisierung stattgefunden, erklärt er. Und das sei auch gut so.

Als erstes seien dabei Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser an der Reihe gewesen, dann öffentliche Einrichtungen wie Schulen, gemeinnützige Einrichtungen und dann erst der private Dienstleistungsbereich. „Das ist absolut gerechtfertigt“, sagt Marc Gottschalk. Schließlich ermögliche diese Priorisierung, dass Menschen wieder früher in ihre Häuser können. „So systemrelevant sehe ich uns nun auch nicht“, fügt er hinzu und lacht.

Stress am Ende des Jahres

Nach den Corona-Lockdowns sitzen Gottschalk und seine Kolleginnen und Kollegen nun also erneut im Homeoffice und betreuen jeder rund 600 Kunden von dort aus. Grundsätzlich ist das unproblematisch, sagt er. Schwieriger werde das aber sicherlich zum Ende des Jahres. Dann nämlich herrscht in der Branche Stress, weil viele Menschen mit dem Gedanken spielen, die Versicherung zu wechseln, um so Geld zu sparen. Dann laufen die Telefone heiß - üblicherweise auf vier Leitungen. Das aber geben die technischen Möglichkeiten im Homeoffice nicht her. „Diesmal müssen wir das mit zwei Leitungen hinbekommen“, sagt Gottschalk. Im Zweifelsfalle laufe das auf viele Rückrufe hinaus.

Hoffen auf normalen Alltag

Und ab Januar, so hoffe er, kehre nach Corona und Hochwasser dann endlich wieder der ganz normale Alltag ein. Bis dahin soll auch der Mitarbeiter, der zuletzt coronabedingt mit Kurzarbeit leben musste, wieder in Vollzeit arbeiten. Und bis dahin, so das Ziel, will Marc Gottschalk sogar noch eine weitere Kraft eingestellt haben. „Wir suchen händeringend“, sagt er. Weil das in Zeiten von Fachkräftemangel aber eben auch in seiner Branche nicht ganz so einfach sei, ist er gerade dabei, seine Generalagentur als familienfreundliches Unternehmen zertifizieren zu lassen. Als familienfreundliches Unternehmen, direkt neben der Wenne, die hoffentlich so schnell nicht wieder über die Ufer treten wird.

  • Nach dem Hochwasser musste die benachbarte Wennebrücke mehrere Tage für den Verkehr gesperrt werden.
  • Beim Hochwasser hatte das Wasser fast bis zur Fahrbahn gestanden. Insofern war lange Zeit unklar, ob möglicherweise schweres Treibgut, das gegen den Oberbau der Brücke geprallt war, Schäden angerichtet hat, die eine Sanierung der Brücke erfordern.
  • Durch die Brückensperrung war der Ort quasi in zwei Hälften geteilt worden - auch, wenn Ortskundige sich Schleichwege gesucht hatten, um weite Umwege zu vermeiden.
  • Für die Überprüfung der Brücke hatte der Landesbetrieb abwarten müssen, bis der Pegel der Wenne, über den die Brücke führt, auf ein gewisses Maß abgesunken ist.
  • Erst nach knapp einer Woche konnte die Brücke, wieder für den Verkehr freigegebenwerden.