Grafschaft/Bad Fredeburg. Ein zerstörter Porsche, eine einsturzgefährdete Scheune, Alkohol im Blut. Welche emotionale Geschichte hinter dem Unfall steckt.

Es war ein Unfall, der in Erinnerung blieb. Nicht nur aufgrund des Hergangs und der Schadenshöhe, sondern genauso aufgrund des unheimlichen Glücks, welches der Fahrer hatte. Doch das Geschehen hatte nun ein Nachspiel vor dem Amtsgericht in Bad Fredeburg, welches mit einem „absoluten Ausnahmeurteil“, wie es Richter Ralf Fischer beschrieb, endete.

Alles beginnt am frühen Samstagmorgen, 3. Oktober 2020. Der damals 36-Jährige ist um kurz nach 6 Uhr mit einem Porsche auf der K 17 zwischen Grafschaft in Fahrtrichtung Almert unterwegs, als er aus damals noch ungeklärter Ursache von der Fahrbahn abkommt, mit dem Fahrzeug einen Baum fällt und anschließend regelrecht in eine Scheune am Straßenrand „einschlägt“. Weil anfangs nicht klar war, wie viele Personen verletzt waren, rückten zwei Rettungswagen sowie die Löschgruppen Oberkirchen und Grafschaft aus. Während die Feuerwehr den nicht-ansprechbaren und schwer verletzten Fahrer aus dem Fahrzeug befreite und die Scheune vor dem kompletten Einstürzen absicherte, musste der Verunfallte in der Folge per Hubschrauber nach Dortmund geflogen werden. Schon am Unfallort stellten die Ersthelfer Atemalkohol fest, der Sportwagen: Totalschaden.

Vater feierte 70. Geburtstag in Oberkirchen

Jetzt, mehr als zehn Monate nach dem Unglück, kam es zum Termin im Amtsgericht in Bad Fredeburg. Denn die Feststellung der Ersthelfer, der Fahrer sei alkoholisiert gewesen, wurde nach dem Unfall durch eine Blutprobe bestätigt: Über 0,9 Promille. Der klassische Fall eine Trunkenheitsfahrt? Nicht ganz, wie nach der Erzählung des Angeklagten deutlich wurde.

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Man habe an jenem Wochenende den 70. Geburtstag des Vaters in einem Gasthof in Oberkirchen gefeiert, erklärte er voll geständig vor Gericht. Alkohol, das eine oder andere Bier, genauso wie Schnaps, habe es gegeben. Irgendwann sei er volltrunken zu Bett gegangen. In den frühen Morgenstunden dann klopft der Vater an der Tür des Angeklagten. Die hochschwangere Frau des Angeklagten sei, gemeinsam mit dessen Bruder, auf dem Weg nach Brilon ins Krankenhaus. Das Kind könne jeder Zeit zur Welt kommen.

„Ich fühlte mich gut“, gab der Angeklagte zu. Wohlwissentlich, dass er noch jede Menge Restalkohol im Blut haben dürfte. Doch das stellt er in der Situation hintenan, schnappt sich den Porsche seines Bruders und folgt den beiden ins Krankenhaus. „Warum haben sie in der Situation nicht einfach einen Rettungswagen gerufen, wenn es mit ihrer Frau so eilig war?“, fragte Richter Fischer vor Gericht. Er wisse es nicht mehr, so der Angeklagte. Es sei aus dem Affekt passiert.

Deichsel um wenige Zentimeter verfehlt

Seine Fahrt hat ein vorzeitiges Ende in Grafschaft: Schädelhirntrauma zweiten Grades, Hirnblutungen, gebrochene Brustwirbel, traumatischer Bandscheibenvorfall, enormer Blutverlust. Statt der Frau bei der Entbindung beizustehen, wird er selber in einer Unfallklinik notoperiert. Der Porsche 911 seines Bruders hat einen Schaden von etwa 40.000 Euro, der Schaden der Scheune in ebenso fünfstelliger Größenordnung. „Sie haben irres Glück gehabt“, so Fischer vor Gericht. Der Angeklagte, der heute in Münster lebt, habe um wenige Zentimeter eine Deichsel verfehlt. Das wäre vermutlich tödlich geendet. Die Geschwindigkeit deutlich überhöht, Alkohol im Blut. Eigentlich ein klarer Fall in der Justiz.

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Doch die Motivation, der Hintergrund der Tat, die menschliche Nachvollziehbarkeit, so Fischer, sorgten letztendlich für Strafmilderung. Zwar muss der Angeklagte nicht nur für die enormen Schäden an Scheune und Fahrzeug aufkommen, sondern 40 Tagessätze a 80 Euro zahlen, seinen Führerschein erhielt er allerdings nach dem Gerichtstermin zurück. Er sei charakterlich trotz des Unfalls nicht mehr ungeeignet, ein Fahrzeug zu führen, sei reuig und sich jeder Schuld und Gefahr bewusst.

Das schreibt der Bußgeldkatalog

  • Bei bis zu 0,5 Promille ist das Autofahren grundsätzlich straffrei.
  • Bei einer Blutalkoholkonzentration zwischen 0,3 bis 1,09 Promille gelten Fahrer als relativ fahruntüchtig, wenn sich alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigen.
  • Ab einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille wird die absolute Fahruntüchtigkeit angenommen, auch wenn kein Fahrfehler oder andere Anzeichen von Fahrunsicherheit vorliegen.
  • Verstößt ein Verkehrsteilnehmer erstmals gegen die 0,5-Promillegrenze, kostet ihn das 500 Euro, einen Monat Fahrverbot und zwei Punkte. Bei einer Wiederholungstat schon 1000 Euro, zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot. Beim dritten Mal dann 1500 Euro, zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot.
  • Wird der Verkehr gefährdet und der Fahrer hat mindestens 0,3 Promille Alkohol im Blut, gibt das drei Punkte, den Entzug der Fahrerlaubnis sowie eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Gleiches gilt für die Verkehrsteilnahme (auch ohne Gefährdung) mit einem Promillewert von 1,1 oder mehr.