Meschede. War die Hennetalsperre bei Meschede zu voll oder hat sie die Auswirkungen des Unwetters gemindert? Der Ruhrverband hat die Daten analysiert.
Hätten Auswirkungen der Unwetter-Katastrophe gemindert werden können, wenn in den Talsperren mehr Platz für Wasser vorhanden gewesen wäre? Diese Frage wird gestellt, seit Bäche und Flüsse nach Starkregen als reißende Gewässer dramatische Schäden angerichtet haben. Der Ruhrverband hat eine klare Meinung dazu: Nein, eine beispielsweise weniger gefüllte Henne-Talsperre bei Meschede hätte nicht weitergeholfen.
Anfang Mai 2021: In den Aufzeichnungen des Ruhrverbands ist zu sehen, dass die Henne-Talsperre immer mehr Wasser aufgenommen hat. Sie befindet sich knapp unter Vollstau. Viel mehr Volumen ist nicht möglich.
14. Juli 2021: Am Himmel braut sich etwas zusammen. Es kommt binnen eines Tages zu Wolkenbrüchen, auch im Hochsauerlandkreis. Gegen 16.40 Uhr teilt die Polizei mit: „Die ersten Brücken müssen aufgrund übertretener Flüsse gesperrt werden.“ Gegen 22.27 Uhr: „Der Hennesee ist an einigen Stellen über die Ufer getreten.“
Eine Gefahr für die Anwohner im Stadtgebiet Meschede bestand damals nicht. Allerdings strömte das Wasser über den Überlauf. Die Henne schwoll an und damit die Ruhr. Zuvor waren bereits Mengen abgelassen worden - eine „vorausschauende Absenkung“, wie es Markus Rüdel, Pressesprecher des Ruhrverbands in Essen, nennt.
Er schildert die Ergebnisse so: Am 11. Juli gehen Hinweise auf außergewöhnliche Regenmengen bei dem Talsperren-Betreiber ein. Am 12. Juli wird die Unwetterlage durch Modelle bestätigt. Am 13. Juli wird klar: Das heimische Gebiet wird vollständig getroffen. Bereits am 9. Juli hatte der Ruhrverband nach eigenen Angaben begonnen zu reagieren: Es wird mehr Wasser aus den Talsperren abgelassen, um den Füllstand zu verringern.
Bis zu 200 Liter Wasser
Dadurch, bekräftigt Rüdel, seien Höchststände an der Ruhr deutlich gebremst worden. Zugleich sagt er: „In einer Talsperre kann nur der Regen zurückgehalten werden, der in ihrem Einzugsgebiet - also oberhalb - niedergeht.“ Auf Niederschlag, der unterhalb der Talsperren fällt, habe dies keinen Effekt. Im Durchschnitt seien im Verbandsgebiet des Ruhrverbands während dieses Tiefdruckgebiets 90 Liter Regen auf den Quadratmeter gefallen, an manchen Orten sogar bis zu 200 Liter.
Hochwasser lasse sich durch die Talsperren des Ruhrverbands nicht verhindern und nur begrenzt dämpfen, da nur etwa 22 Prozent des Einzugsgebiets der Ruhr von Einzugsgebieten der Talsperren abgedeckt werde. „Wir haben sehr erheblich dazu beigetragen, dass die Überflutungen in den betroffenen Kommunen nicht noch gravierender ausgefallen sind“, meint Rüdel.
Beispielhaft nennt er die Hennetalsperre: Der höchste Zufluss fand demnach am 14. Juli um 18 Uhr statt und betrug 35,6 Kubikmeter pro Sekunde. Zu diesem Zeitpunkt lag die Abgabe der Talsperre aber bei nur 12 Kubikmetern pro Sekunde. „Wir habe den Hochwasserscheitel also um 23 Kubikmeter pro Sekunde gedämpft“, erklärt Rüdel.
Erst am Abend
Erst im Verlauf des Abends sei die Hochwasserentlastung der Hennetalsperre in Betrieb gegangen, wodurch sich die Abgabe der Talsperre langsam erhöht habe. „Die zeitliche und mengenmäßige Dämpfung hat zu einer Entlastung der Hochwassersituation in Meschede wesentlich beigetragen. Ohne die Talsperre wäre das Hochwasser dort weitaus schlimmer ausgefallen“, sagt Rüdel.
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Aus Sicht des Ruhrverbands kommt noch ein weiteres Kriterium hinzu: Hauptaufgabe der Talsperren ist die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung. „Ein Hochwasserschutzraum wird ausschließlich in den Wintermonaten frei gehalten“, so Rüdel. Ab April werde der Stauraum verringert. „Die Talsperren sollen ab diesem Zeitpunkt so gut wie eben möglich gefüllt sein“, berichtet Rüdel. „In den letzten drei Jahren“, betont er, „hatten wir in den Sommermonaten im Ruhreinzugsgebiet lange Trockenphasen, in denen jeder gespeicherte Kubikmeter Wasser dringend benötigt wurde.“
Die Frage, ob mehr Stauraum angesichts des letzten Ereignisses die Versorgung mit Trinkwasser gefährden könnte, beantwortet der Pressesprecher wie folgt: „In jedem Fall geht eine solche Maßnahme zu Lasten der Sicherheit der Trinkwasserversorgung und wir hätten auch große Sorge, damit die Versorgung zu gefährden. Die letzten drei Trockenjahre sollten eine ausreichende Warnung sein.“
>>> Sicherheit der Talsperren
Die Talsperren des Ruhrverbands können dauerhaft einem Vollstau standhalten. Sie sind nach Angaben des Ruhrverbands für eine Lebensdauer von mehr als 100 Jahren konzipiert und gebaut. Die Sicherheit einer Talsperre werde kontinuierlich überwacht und überprüft.
In regelmäßigen Abständen von 10 bis 15 Jahren finden zudem so genannte „Vertiefte Überprüfungen“ statt, bei denen die wesentlichen hydrologischen, hydraulischen, geologischen, statischen, konstruktiven und betrieblichen Aspekte neu betrachtet und hinterfragt werden. Dabei sollen mögliche Mängel aufgedeckt werden.