Meschede. Über 20 Jahre stellt er einer Frau nach, zuletzt terrorisiert er sie in der Agentur für Arbeit in Meschede. Jetzt muss ein Stalker lange in Haft.

Mit einer telefonischen Fangschaltung ist es in der Agentur für Arbeit in Meschede gelungen, einen seit Jahren aktiven Stalker zu überführen. Bei der Durchsuchung seines Hauses grinste der Mann laut Polizeivermerk nur unverschämt und sagte, „er könne nichts dafür, er sei ja psychisch krank“. Da hat er sich geirrt. Das Schöffengericht Meschede sieht es anders: Es verurteilte den 49-Jährigen zu einer langen Gefängnisstrafe.

Drei Jahre Haft sind die Höchststrafe für Nachstellung, wie das Stalking juristisch heißt: Mit zwei Jahren und zehn Monaten Haft schöpften die Mescheder Richter dieses mögliche Strafmaß fast komplett aus. Es gab etwas an Strafe weniger, weil der Mann, der inzwischen im bayerischen Straubing lebt, seine Taten gestand – wobei er „keine ernsthafte, glaubhafte Reue“ zeigte, befand Vorsitzender Richter Dr. Sebastian Siepe in seinem Urteil.

Durch Fangschaltung in Arbeitsagentur überführt

Ein Geständnis war auch nicht nötig: Trotz unterdrückter Rufnummer konnten seinem Handy durch die Fangschaltung zwölf Stalking-Anrufe in der Arbeitsagentur zweifelsfrei zugeordnet werden. „Ich war’s, ja“, sagte der Mann vor Gericht. Mehr wollte er zu seinem Telefonterror nicht sagen: „Ich habe da momentan keinen Kopf zu“ – und ließ den Kopf auf die Anklagebank sinken. Er gab gesundheitliche Probleme an. Die nahm ihm der psychiatrische Gutachter Dr. Josef Leßmann (Warstein) nicht ab: „Warum verhalten Sie sich wie ein vier Jahre altes trotziges Kind?“ Er sah vielmehr den Versuch, dem Gericht vorzutäuschen, nicht zurechnungsfähig zu sein.

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Opfer des Stalkers ist eine 46 Jahre alte Angestellte der Arbeitsagentur. Seit 1997, seit über 20 Jahren, stellt er ihr nach. Er war deswegen schon in Haft, auch im bayerischen Maßregelvollzug, in den eigentlich psychisch kranke Straftäter gehören. Danach wurde er wieder rückfällig – die jetzt angeklagten Anrufe ereigneten sich 2018. Die Frau berichtete weinend vor Gericht davon – wie der Mann sie anruft, wie dann Stille herrscht, sie auflegt, er dann wieder anruft, Stille, Auflegen, erneuter Anruf usw. Sie versuchte es mit Trillerpfeifen zur Abschreckung, mit anderen Rufnummern. Vergebens. Seit Jahren. Er rief immer wieder an, zuletzt eben selbst an ihrem Arbeitsplatz. Der Mann ist Techniker, er versteht sich darauf, auch anscheinend geheime Nummer herauszufinden.

Das Feindbild Nummer 1 - ohne Gründe

„Ich lebe ständig in Angst“, schilderte die Frau: „Ich fühle mich ständig beobachtet.“ Sie leidet gesundheitlich heute noch darunter. Der siebenfach einschlägig vorbestrafte Mann soll auch anderen Frauen nachgestellt haben: Er soll früher gedroht haben, er würde alle erschießen, die ihn anzeigten. Die 46-Jährige hat sich zum Schutz Kameras am Haus angeschafft, einen Wachhund – „das ist wie in Fort Knox“. Andere Frauen soll er am Telefon zum Geschlechtsverkehr mit ihm aufgefordert haben. Er hat sich offenbar auch an Autos seiner Opfer zu schaffen gemacht. Die 46-Jährige kontrolliert ständig sicherheitshalber ihr Auto.

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„Ich kenne den Mann nicht einmal“, sagte sie. Er hatte sie wohl wahrgenommen, als sie in seine Nachbarschaft zog – und er verinnerlichte sie dann als sein Feindbild Nummer 1, ohne Gründe. Warum? Die Erklärung dafür fehlt: Als Kind soll er im Ferienlager in Holland von Mädchen bedrängt worden sein - was genau dabei aber passiert sein soll, weiß niemand. Daraus aber soll seine Wut auf Frauen resultieren: Die 46-Jährige wird ersatzweise von ihm bestraft.

„Sie sind nicht dumm. Sie wissen genau, was Sie tun“

Richtig geöffnet hat sich der Mann gegenüber Ärzten und Psychiatern nie, nur ein wenig pro forma, wie Gutachter Dr. Leßmann sagte: „Damit ist der Gesetzeslage Genüge getan. Aber der Person ist damit ja nicht geholfen.“ Er habe ein „eingeschränktes Sozialverhalten“, so Leßmann. Auch er spricht von „tiefstem Hass“, den der Angeklagte grundlos gegen sein Opfer hege. Leßmann beobachtete den Angeklagten genau im Prozess und hielt ihm vor: „Sie sind nicht dumm. Sie wissen genau, was Sie tun“ – denn an für ihn interessanten Passagen, als das Opfer weinend aussagte, habe der Angeklagte nämlich sehr wohl seine vermeintlich krankhafte Pose aufgegeben und aufmerksam zugehört. Er sei voll verantwortlich für seine Taten, so der Gutachter: „Er ist sehr pfiffig“, eine krankhafte Störung sei nicht erkennbar.

„Aus dem Nichts“, so Richter Dr. Siepe in seiner Urteilsbegründung, seien die Nachstellungen gekommen: „Das ist erschreckend.“ Er sagte: „Das waren sehr bedrückende Schilderungen, die wir gehört haben.“ Die Nachstellungen machten „psychisch fertig“. Die Frau hat inzwischen eine Telefonnummer, die selbst in ihrer Behörde geheim ist: „Ob das so bleibt, wir hoffen es alle“, so der Richter.

>>>HINTERGRUND<<<

„Stalking“ kommt als Begriff aus dem Englischen – er steht fürs Anpirschen. Gegen den Willen einer Person werde diese wiederholt belästigt, bedroht, verfolgt und terrorisiert.

Geschehen kann dies durch Telefonterror, das Verschicken von Nachrichten per Mail, SMS oder WhatsApp, durch Bestellungen auf den Namen des Opfers. Immer und überall wird das Opfer beobachtet und verfolgt.

Seit 2007 ist Stalking keine Privatsache mehr, sondern wurde als Nachstellung als Straftat ins Strafgesetzbuch aufgenommen.