Latrop. Die Dorfgemeinschaft will schriftlich, dass das Übergangsgatter maximal für drei Jahre kommt. Zudem sind die Wisente Thema vor Gericht.

Die Latroper Dorfgemeinschaft um ihren Vorsitzenden Ulrich Lutter will Fakten schaffen. Es geht einmal mehr um die Wisente und das geplante Übergangsgatter im Latroptal. Denn die Dorfgemeinschaft vermutet, dass der Wisentverein die Tiere langfristig „loswerden“ will und das Gatter inklusive der Tiere statt der bisher geplanten drei Jahre dann viel länger im Latroptal stehen könnte.

„Es kann und darf nicht sein, dass die Gründer des Wisentprojekts die Wisente plötzlich elegant loswerden wollen und wir in Latrop mit erheblichen Einschränkungen in Zukunft leben müssen bzw. Tourismus nicht mehr wie gewohnt stattfinden kann“, schreibt die Dorfgemeinschaft in einem Brief, der der Redaktion vorliegt.

Zudem sei unter keinen Umständen hinnehmbar, dass Wanderwege von Familien, Wanderern mit Hund oder Mountainbikern während gewisser Zeiten aufgrund der Wisente nicht genutzt werden dürften, so die Dorfgemeinschaft: „Nach unseren Informationen wird aber genau dies offensichtlich gerade geplant, zumindest wird es diskutiert.“

Keine Kompromissbereitschaft

In diesem Punkt zeige man keine Kompromissbereitschaft, wolle zur Not sogar rechtlich dagegen vorgehen, steht es in dem Brief, der an Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und Mitarbeiter Hubert Kaiser adressiert ist: „Wir schreiben dies in aller Deutlichkeit, damit es keine Missverständnisse gibt.“

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Kaiser und Heinen-Esser sowie Gutachter Dr. Michael Petrak hätten versichert, so die Dorfgemeinschaft, dass wenn das Gatter inklusive der Herde ins Latroptal käme, das nur für eine Übergangszeit von maximal drei Jahren sei. Ulrich Lutter in dem Brief: „Ich gestehe offen, dass wir erhebliche Zweifel an diesen Aussagen haben, da wir vielmehr glauben (und auch entsprechende Informationen/Gerüchte aus Wittgenstein haben) dass das Fürstenhaus in Berleburg das Wisentprojekt, mindestens auf Grund und Boden des Fürstenhauses, nicht weiter unterstützen wird. Dies wird derzeit (noch) nicht offen bekundet, aber wir alle werden genau dies in den nächsten drei bis fünf Jahren erleben. Damit ist das Fürstenhaus und der Wisentverein das Problem los, die Tiere wieder loszuwerden, die kein anderes Projekt haben will. Und damit hätte das Land NRW plötzlich die Verantwortung für die Wisente und wird sie natürlich auch nicht wieder los. Abschießen dürfen Sie die Wisente auch nicht und dann bleiben die Wisente plötzlich bei uns in Latrop. Das könne und werden wir nicht dulden, daher sprechen wir es heute schon an.“

Nicht über wahre Beweggründe in Kenntnis

Man glaube, dass das Land NRW und die Öffentlichkeit nicht über die „wahren Beweggründe des Wisentvereins“ in Kenntnis seien. Deshalb fordert die Dorfgemeinschaft nun eine schriftliche Bestätigung, dass das Übergangsgatter maximal drei Jahre im Latroptal Platz finde: „Danach wird das Gatter zurückgebaut und die Wisente werden entweder frei gelassen oder sie verlassen das Sauerland für immer. Diese schriftliche Zusicherung ist uns extrem wichtig, damit wir uns in drei Jahren darauf berufen werden. Durch Informationen von der Berleburger Seite sind wir zusätzlich sensibilisiert, so dass Sie bitte Verständnis für die deutlich formulierte Forderung haben.“

„Wenn stimmt, dass das Fürstenhaus auch Windkraftanlagen auf dem Rothaarsteig plant, können Sie vielleicht ermessen, warum wir glauben, dass das Fürstenhaus die Wisente loswerden will, natürlich ohne dies offen zuzugeben. Windenergie erzeugen in einem Gebiet, in dem ein Naturschutzprojekt stattfindet, passt natürlich nicht zusammen. Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Kaiser, wir sind uns sicher, dass Sie unser Anliegen nach einer schriftlichen Zusicherung verstehen. Worte reichen da nicht mehr aus, dazu wurde die Wahrheit vom Wisentverein schon zu oft gedehnt“, so Lutter abschließend.

Oberlandesgericht Hamm verhandelt wieder über die Wisente

Am 27. Mai verhandelt der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm erneut zwei Rechtsstreitigkeiten, in denen über die im Rothaargebirge ausgewilderten Wisente gestritten wird. Zwei Forstwirte aus Schmallenberg klagen jeweils gegen den zum Zweck der Auswilderung und Erhaltung von Wisenten im Rothaargebirge gegründeten Verein.

In den beiden Rechtsstreitigkeiten hatte der Senat am 29. Mai 2017 Urteile verkündet, wonach der Verein die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen habe, um eine Beschädigung der auf dem Grundstück des Klägers wachsenden Bäume zu verhindern, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass dem Verein die für das Einfangen und Umsetzen der (als herrenlos angesehenen) Tiere erforderliche Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesnaturschutzgesetz erteilt werde.

Darüber hinaus ist festgestellt worden, dass der Verein für die Dauer des derzeitigen Stadiums der Auswilderung (“Freisetzungsphase“) verpflichtet sei, die von den Wisenten verursachten Baumschäden zu ersetzen. Auf die Revisionen sowohl der Forstwirte als auch des Vereins hat der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteilen vom 19. Juli 2019 entschieden, dass sich während der Freisetzungsphase eine Duldungspflicht der Waldeigentümer aus dem Bundesnaturschutzgesetz ergeben könne, sofern die Nutzung ihrer Grundstücke nicht unzumutbar beeinträchtigt werde.

Deshalb sind die Rechtsstreitigkeiten an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen worden, damit unter anderem die Frage geklärt wird, ob eine unzumutbare Beeinträchtigung vorliegt. Soweit sich der beklagte Verein gegen die Feststellung des Oberlandesgerichts gewendet hatte, dass er den Forstwirten in der Freisetzungsphase alle zukünftigen von den Wisenten verursachten Baumschäden ersetzen müsse, waren seine Rechtsmittel erfolglos.

Rechtsanwalt Dr. Dieter Schulz erklärte im März diesen Jahres: „Mein Mandant klagt, weil sein Eigentum gestört wird.“ Immerhin schälen die ausgewilderten Wisente seit acht Jahren seine Bäume. „Es gibt nur wenige Gründe, warum ein Bürger zur Duldung einer solchen Eigentumsstörung verpflichtet ist“, erläutert der Jurist: „Ein solcher Grund wäre es, wenn es sich um eine Maßnahme des Naturschutzes handelt.“ Doch das sei die Ansiedlung der Wisente nie gewesen. „Da wurde keine Maßnahme von einer Behörde angeordnet, sondern Grundlage war ein privatrechtlicher Vertrag zwischen den Kreisen und der fürstlichen Rentkammer über die Köpfe der betroffenen Waldbauern hinweg, ohne sie zu hören oder gar zu beteiligen“, so Schulz im März.