Meschede. Mescheder Studenten erzählen, warum Studieren und Leben in einer WG in Eversberg - nicht nur während Corona - ein echter Vorteil ist.
Während andere Studenten in der Coronazeit in ihren Appartements vereinsamen oder ihre Zimmer gekündigt haben und wieder im „Hotel Mama“ wohnen, herrscht im Haus am Lingscheider Weg 6 gute Stimmung und die feste Überzeugung: „Diese WG in Meschede ist das Beste, was uns passieren konnte. Gerade jetzt während Corona.“
Platz ist für acht junge Leute, sieben Zimmer sind zurzeit besetzt. Vermieter Thomas Schnier wollte nach dem Tod seiner Mutter das Elternhaus nicht verkaufen und hat es zur WG umgebaut. Tobias Geißler ist einer der Erstmieter. „Wir sind mit Thomas durchs Haus gegangen und durften uns wünschen, was umgebaut wird.“ Unter anderem, ob die Waschbecken in den Zimmern bleiben - ja. Und ob die alten Fliesen im Bad verschwinden - nein. „Die sind doch cool“, sagt Tobias Geißler im Brustton der Überzeugung, „in Kürze sind die sowieso wieder in.“ Die sieben Mieter sitzen in der Sonne auf der geräumigen Terrasse. Der unverbaubare Blick geht Richtung Meschede. Hier stört sie niemand und sie stören niemand.
Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftspsychologie
Tobias Geißler studiert Wirtschaftsinformatik und stammt aus Freienohl, er fand schnell Freunde und Mitstudenten, die Lust hatten, mit nach Eversberg zu ziehen. Die Mieter sind nun zwischen 21 und 27 Jahre alt, studieren wie er Wirtschaftsinformatik, International Management oder Wirtschaftspsychologie. Sie kommen aus dem Sauerland, aus Neheim, Echtrop und Lüdenscheid, aber auch aus Verl, Hamburg und Köln. Die meisten jobben neben dem Studium.
Stolz zeigen die Sieben ihr Haus: Es ist hell. Die Küche ist groß und geräumig, es gibt ein eigenes Wohnzimmer, zwei Bäder, zwei Toiletten mit Waschbecken und acht WG-Zimmer, die zwischen 13 und 22 Quadratmeter groß sind. „Hier im Flur haben wir auch schon Karneval gefeiert“, erzählt Kevin Kleineheer und zeigt auf die bunten Fotos mit verkleideten Menschen. Karneval mitten im Lockdown. Zu siebt, damals waren sie noch zu acht, kann man schon richtig Spaß haben.
Florian Wiegmanns Mutter gehört zur Risikogruppe. „Zu Hause war ich deshalb seit einem Jahr nicht, um sie nicht zu gefährden. Selbst Weihnachten nicht. Die WG macht für ihn die ganze Corona-Situation erträglicher. „Hier trifft man immer jemanden.“ Und Tobias Geißler ergänzt: „Allein in einer Wohnung würde ich durchdrehen.“
Aus Köln nach Meschede
Helen Hammerschmidt nickt. Sie ist erst im vergangenen Semester aus Köln hergezogen. Studentenleben hatte die 21-Jährige noch nicht. „An der Uni läuft alles online und auch meine Mitstudenten kenne ich nur per Zoom.“ Trotzdem: „Ich hätte es nicht besser treffen können.“ Augenscheinlich verstehen sich die Sieben gut. Sie kommen ohne WG-Kasse aus: „Jeder zahlt mal was. Alles wird geteilt“ Auch die Schmutzgrenze scheint bei allen ungefähr gleich hoch zu sein. Eine Putzhilfe bringt zweimal im Monat „Grund rein“. „Zur Werterhaltung“, sagt Tobias Geißler und lacht, „wir kümmern uns aber auch um unser Haus.“ Dazu helfen sie sich gegenseitig im Studium. „Die Küche ist unser inoffizielles Lernzentrum.“
Klar wird auch zusammen gekocht und gespielt, egal ob Brettspiele oder Playstation. „Gestern erst haben wir die Carrera-Bahn aufgebaut“, erzählen sie. Sie waren im Winter rodeln, haben im eigenen Garten Discgolf gespielt, waren im Sommer am und im Hennesee, Longboard und Schlauchboot-Fahren. „Wir haben auch schon zusammen gemalt“, erzählt Delia Prezzavento und seufzt: „Corona dauert schon echt lange.“
Natürlich ist die Großstadt in normalen Zeiten attraktiver. Aber in diesen Zeiten, in denen kulturell nichts läuft, ist Eversberg eindeutig besser als Hamburg oder Köln. „Hier können wir wenigstens raus“, sagt Florian Wiegmann und Helen Hammerschmidt ergänzt: „Ich bin hier lange nicht so eingeschränkt wie meine Freunde in Köln. Außerdem sehe man hier mal zufriedenere Gesichter. Abends, nach der Ausgangssperre, noch zusammen auf der Terrasse zu sitzen: Kein Problem. Und Delia Prezzavento spricht wohl allen aus der Seele: „Es ist schön, einander zu haben.“
Fünf Wünsche an Stadt und Kreis
Meschede nennt sich Kreis- und Hochschulstadt. Davon merke man nicht viel merken, kritisieren die Studierenden. Was sie sich wünschen:
1. Eine Web-Site auf der steht, was speziell für Studierende und junge Erwachsene angeboten wird.
2. Einen zentralen Treffpunkt, an dem man junge Leute kennenlernen kann.
3. Eigene Angebote der Kneipen für Studierende, ob als Unterhaltungsangebote oder Rabatt-Aktionen
4. Einen besseren ÖPNV: Bisher fährt der Bus nach Meschede nur morgens als Schulbus den direkten Weg über den Schwarzen Bruch zur FH. Zu normalen Zeiten geht es immer den Umweg über Wehrstapel.
5. Einen direkten Fuß-und Radweg nach Meschede, statt des lebensgefährlichen Weges über die Kreisstraße.