Meschede. Ein 19-Jähriger aus Meschede fährt extra nach Dortmund, um zu stehlen - und wird erwischt. Seine Erklärung vor Gericht verblüfft auch Juristen.

Manchmal erwischt man auch erfahrene Juristen dabei, wie sie – trotz aller Erfahrung – immer noch über manche Angeklagten staunen können: Wie im Fall des Mescheders, der gezielt nach Dortmund zum Klauen fährt – der Familie wegen, weil er seinen jüngeren Bruder doch so lieb hat.

„Ich war mir sicher, dass ich erwischt werde“

„Dem ist eigentlich nicht zu helfen. Da steht man fassungslos vor“, so die Staatsanwaltschaft beim Prozess vor dem Jugendgericht in Meschede. Ende September 2020 fährt der 19-jährige Angeklagte aus Meschede nach Dortmund, um zu stehlen: In einem Modehaus am Westenhellweg zieht er in der Umkleide eine Sporthose und einen Pulli über und will damit das Geschäft wieder verlassen, ohne zu zahlen. Er hat vorher die Sicherheitsleute im Laden bemerkt. Vor Gericht gibt er auch noch freimütig zu: „Ich war mir sicher, dass ich erwischt werde.“ Was stimmt: Die Security schnappt ihn. Er wird angezeigt, muss Schadenersatz für die beschädigte Ware zahlen, bekommt Hausverbot.

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Richterin Mareike Vogt staunt über die Schadenshöhe: 110 Euro für die Sporthose, 140 Euro für den Pulli. Der 19-Jährige sagt, beides sollten Geschenke für seinen „kleinen Bruder“ sein: „Ich hatte nicht mehr so viel Geld.“ Richterin Vogt möchte das erklärt haben: Ob er immer so teure Geschenke mache? Ja, das sei so üblich in seiner Familie, sagt er: „Ich habe immer so teure Geschenke für ihn gekauft“ – und umgekehrt.

„Das kann man sich doch nicht leisten“, meint die Richterin. Denn der junge Mann lebt von seinen 800 Euro Azubi-Lohn. Sechs Wochen vor dem Diebstahl hatte der Mann zuletzt vor Gericht gestanden: Dabei hatte er 600 Euro Strafe für Fahren ohne Fahrerlaubnis zahlen müssen – und 800 Euro Anwaltskosten.

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Jetzt muss er soziale Verhaltensweisen lernen

Drei andere Verfahren vorher wegen Beleidigung und Schwarzfahrens waren alle eingestellt worden. „Eigentlich ist es Zeit, ihn einzusperren“, so die Staatsanwaltschaft. Der Staatsanwalt warnt: „Man macht sich die Zukunft kaputt“ – in einem Betrieb gebe es immer Neider, und wenn dort einmal etwas wegkomme, „dann sind Sie der erste, der verdächtigt wird“. Im Urteil erhält der 19-Jährige die Auflage, an einem Sozialen Trainingskurs des Jugendamtes teilnehmen zu müssen – dabei lernt man soziale Verhaltensweisen und erfährt, wo Kriminalität einen hinführt. Geht er nicht zum Kurs, droht ihm ersatzweise ein Arrest.

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