Meschede. Benjamin Wulf hat das Down-Syndrom. Er spricht darüber, wie sehr Corona sein Leben und das von Menschen mit Behinderung beeinflusst.
Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen treffen inzwischen jeden auf eine gewisse Art und Weise hart. Welche besonderen Herausforderungen Menschen mit Behinderung sich aktuell stellen müssen, hat der Mescheder Benjamin Wulf im Interview mit dieser Zeitung erklärt.
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Benjamin Wulf ist 33 Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Vor Corona lebte er in einer selbst organisierten Wohngemeinschaft in Meschede und wurde vom ambulant betreuten Wohnen, einem Angebot des Caritasverbandes Meschede, etwa dreimal pro Woche beim Einkaufen, Kochen oder im Haushalt unterstützt. Um sich bestmöglich vor dem Corona-Virus zu schützen, ist er vorerst zurück zu seiner Familie gezogen.
Herr Wulf, wie geht es Ihnen im Moment?
Eigentlich geht es mir ganz gut. Ich wohne im Moment zu Hause bei meiner Familie. Dort gibt es immer genug zu tun. Ich helfe gerne im Haushalt, erledige die Bügelwäsche, suche Kochrezepte aus und wir kochen danach. Bei Wind und Wetter bin ich mit meinem Hund viel an der frischen Luft. Langeweile habe ich nicht. Dafür sorgt auch meine Bolonka Hündin. Ich höre gerne Musik, singe und tanze oder spiele auf meiner Gitarre dazu. Über WhatsApp und Videokonferenzen halte ich Kontakt zu meinen Freunden und Verwandten. Mit meinen Bezugsbetreuern des ABW (ambulant betreutes Wohnen) treffe ich mich regelmäßig und wir laufen -mit Abstand- lange Spazierwege. Abends schaue ich TV oder wir spielen gemeinsam Gesellschaftsspiele.
Hat sich Ihr Leben durch die Corona-Pandemie verändert? Und wenn ja, wie?
Mein Leben hat sich sehr verändert. Seit Corona bin ich die meiste Zeit zuhause. Ich vermisse meine Wohngemeinschaft sehr, meine eigene Wohnung und meine Mitbewohner, aber zu Haus fühle ich mich einfach sicherer. Im Moment arbeite ich nicht in der Werkstatt in Arnsberg, aber seit neuestem kann ich mir von dort Arbeit nach Hause holen. Das finde ich sehr schön. Vor Corona war ich in meiner Freizeit viel unterwegs und habe viele Freunde getroffen, leider geht das jetzt nicht. Ich bin immer gerne verreist, habe oftmals meine Verwandten besucht, aber auch das geht ja im Moment nicht.
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Welche Veränderungen gibt es in Ihrem Tagesablauf? Müssen Aktivitäten ausfallen, an denen Sie vorher gern teilgenommen haben?
In meinem Alltag hat sich vieles verändert, weil ich eben nicht in der Werkstatt arbeite. Dadurch habe ich leider keinen Kontakt zu meinen Kollegen. Vor Corona habe ich mich regelmäßig in der Kolumbusgruppe mit anderen Teilnehmern getroffen, dann gab es regelmäßig ein Musikseminar. Wir haben getanzt, gesungen und hatten ganz viel Spaß miteinander. Auch mein Taiko-Trommeln, Fußballtraining bei der Torfabrik, sowie die Teilnahme an einer Bowlinggruppe finden nicht statt. Meine Beratungen als Peer Berater bei der EUTB, der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung, können ebenfalls nicht stattfinden. Seit Corona habe ich viele online Kontakte und es finden viele Videokonferenzen statt. Auch der wöchentliche Gitarrenunterricht läuft online.
Was und wen vermissen Sie am meisten?
Meine Freunde, WG-Mitbewohner, meine Verwandten. Ich vermisse einfach das alte Leben, Freunde treffen, feiern, Party machen, Konzerte, Urlaubsreisen, Schützenfest, Meschede Open Air und noch vieles mehr.
Haben Sie besondere Sorge, sich mit dem Virus anzustecken?
Ja, Corona macht mir Angst. Ich schaue mir regelmäßig die Nachrichten an und lese die Tageszeitung. Ich höre auf das, was Frau Merkel, Herr Lauterbach und Herr Drosten sagen. Die AHA-Regeln nehme ich sehr ernst. Ich möchte diese Krankheit nicht haben und meine Familie soll auch nicht krank werden. Ich habe Angst vor Menschen, die mir zu nah kommen und den Mundschutz nicht richtig tragen. Und ich habe Angst vor Menschen, die behaupten, Corona sei nicht schlimm und die dann ohne Mundschutz und Abstand auf die Straße gehen.
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Glauben Sie, dass Menschen mit Behinderung es zurzeit besonders schwer haben?
Ja, das glaube ich, weil viele behinderte Menschen zur Risikogruppe gehören und besonders gefährdet sind. Behinderte Menschen sind sehr auf die Hilfe und Unterstützung anderer Menschen angewiesen. Aber jetzt müssen sie große Sorge haben, gerade von diesen Menschen angesteckt zu werden. Sie brauchen Unterstützung und gleichzeitig Abstand. Das ist komisch und ganz schön schwierig.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen, um Ihre Lage zu verbessern?
Oh ja, da fällt mir einiges ein. Zum Beispiel der Fahrdienst zu den Werkstätten: Meine Mutter hat mich seit August letzten Jahres jeden Tag zu Arbeit nach Arnsberg gefahren und mich wieder abgeholt. In den Bussen wurde kein Abstand, wie vorgeschrieben, eingehalten. Ich sollte eng neben anderen Mitfahrenden sitzen und das täglich ca. mindestens 2 Stunden für die Hin- und Rückfahrt. Das geht doch gar nicht. Und es gefällt mir gar nicht, dass nicht schnell genug geimpft wird. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Infektionszahlen weiter sinken und nicht zu schnell alles wieder geöffnet wird und wir dann wieder alles runter fahren müssen. Ich wäre auch für eine Ausgangsbeschränkung für NRW und HSK.
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Was würden Sie jetzt gerne tun, wenn es Corona nicht geben würde?
Wieder in meiner Wohngemeinschaft leben, wieder regelmäßig arbeiten. Einkaufen, in der WG kochen, zusammen essen, Essen gehen, ins Kino gehen. Urlaub buchen, meine Verwandten besuchen. Und auf jeden Fall alle Geburtstage feiern und Schützenfest feiern.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich möchte gesund bleiben, meine Familie soll auch gesund bleiben und all meine Freunde. Ich wünsche mir, dass wir alle geimpft werden und dass Corona hoffentlich bald wieder verschwindet und nie wieder auftaucht.