Meschede. „Zitteraal“ nennt der Mescheder Privatdetektiv einen stadtbekannten Taschendieb. Er kann ihn schnappen, doch dann geschieht etwas Unerwartetes.

Nach der polizeilichen Kriminalstatistik gehen dem deutschen Einzelhandel jährlich ca. vier Milliarden Euro Warenwert durch Diebstahl verloren. In der Regel handelt es sich bei den entwendeten Gütern um Waren mit geringem Wert. Die Dunkelziffer liegt laut Aussage des Handelsverband Deutschland bei über 90 Prozent. Ladendiebstahl ist kein Kavaliersdelikt: Der Strafrahmen liegt zwischen Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. Bis 1975 konnte der Diebstahl von Nahrungsmitteln in geringer Menge und zum baldigen Verzehr, der sogenannte Mundraub, strafmildernd wirken. Heute gelten für jeden Diebstahl die höheren Strafen, wie sie in § 242 StGB festgelegt sind.

Der Privatdetektiv h.f. bei der Arbeit.        
Der Privatdetektiv h.f. bei der Arbeit.         © Privat

Alltagsaufgabe des Mescheder Privatdetektivs

Die Verhinderung von Ladendiebstahl gehört damit zu den Alltagsaufgaben eines Privatdetektivs, hier im HSK wie auch in ganz Deutschland. Privatdetektiv h.f. (Name ist der Redaktion bekannt) berichtet von einem „ganz normalen Auftrag“:

„Ein gestandener Ladenbesitzer mehrerer Lebensmittelmärkte, der uns schon vorher mit der Überführung von Ladendieben beauftragt hatte, bat um unsere Hilfe. Der erfolgreiche Kaufmann, ehemaliger Amateurboxer im Schwergewicht, ist als knallhart und als kompromisslos bekannt. Wir nehmen unsere Arbeit auf: Zunächst gilt es, Auffälligkeiten an Kunden zu beobachten: Wer schaut sich nach Kameras um? Wer trägt leere Jutebeutel mit sich herum? Wer hat einen Rucksack mit der Öffnung nach vorn über der Schulter hängen? Wer benimmt sich unauffällig freundlich, aber eher ziellos?

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„Zitteraal“ ist ein bekannter Taschendieb

Schon nach kurzer Zeit fällt mir eine bekannte Gestalt auf: Das ist doch „Zitteraal“, ein bekannter Taschendieb, der eigentlich noch nie als Ladendieb in Erscheinung getreten ist. Dazu muss man wissen, dass ein Taschendieb eine gewisse „Ausbildung“ in Geschicklichkeit und Raffinesse absolvieren muss, um erfolgreich tätig zu sein. Ein Ladendiebstahl ist entschieden weniger vom persönlichen Geschick abhängig. Zitteraal war ganz offensichtlich im sozialen Gefüge der Kleinkriminellen abgerutscht. Ich hatte zudem gehört, dass er aufgrund einer Schüttellähmung gar nicht mehr in der Lage sei, seine Fähigkeiten als Taschendieb auszunutzen.

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Ja, ich gebe zu, ich empfinde Mitleid mit dem armen Kerl, der direkt vor den Augen einer versteckten Kamera gerade eine größere Menge Zigarettenpackungen von einer Palette, die für die Bestückung der Tabak Regale an den Kassen bereit steht in seinen Jutebeuteln verschwinden lässt. Natürlich stelle ich ihn, nachdem er die Kasse passiert hat.

Die Würde des gestrandeten Mannes

Was danach im Büro des Exboxer-Ladenbesitzers geschieht, hört sich eher wie ein kleines Märchen an: Ich sehe den bulligen, großen Kaufmann vor der jämmerlichen, zitternden Person des erwischten Diebes sitzen. Auf seine Frage „Das gibt eine Anzeige, es sei denn, sie könnten uns diese vielen unbezahlten Zigaretten in ihren Jutebeuteln erklären“, sprudelt es geradezu aus Zitteraal heraus: „Ich kann doch keinen vernünftigen Taschendiebstahl mehr zustande bringen, hier meine Hände, sie zittern und zittern, da merkt doch jeder sofort, wenn ich etwas aus der Hosentasche ziehen will.“

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Kaufmann erfährt die ganze Geschichte

Irgendetwas muss in dem Kaufmann geklingelt haben. Er fordert Zitteraal auf, seine ganze Geschichte zu erzählen. Mutter früh gestorben, Vater neu verheiratet, Zitteraal irgendwie nur noch im Wege. Berufsausbildung als Hotelfachkraft. Pferdewetten zunächst als Hobby und dann immer mehr, mehr, mehr. Beschaffungskriminalität nennt man das wohl. Jetzt geht das nicht mehr, Ladendiebstahl als einziger Ausweg, ein sozialer Abstieg, eine Katastrophe, und jetzt auch noch dabei erwischt. Was soll ich sagen: Der Ladenbesitzer verliert seine kompromisslose Haltung, irgendetwas hat ihn zutiefst berührt. „Hausverbot, keine Anzeige, aber jetzt raus hier!“, donnert er den verdutzten Zitteraal an. Es scheint mir, als wolle er dem gestrandeten Mann seine Würde erhalten. Ich weiß nicht, was aus Zitteraal geworden ist.