Meschede. Andre Kramer stammt aus Meschede und arbeitet als Comedian in Hamburg. Er erzählt, was er von der Sperrstunde und von Verschwörungstheorien hält.

Zur großen Comedy-Show 3.0 kommt der gebürtige Mescheder Andre Kramer mit Gästen am Freitag, 4. Dezember, in die Stadthalle Meschede. Der studierte Politikwissenschaftler hat vor zwei Jahren die erste Comedy-Show angeboten, ein toller Erfolg, der dann wiederholt wurde. In diesem Jahr schwebt das Damoklesschwert steigender Corona-Zahlen über der Veranstaltung.

Kurz und Knapp:

Lachen ist für mich....

überlebenswichtig um abzuschalten.

Ohne Bühne fühle ich mich....

Zwangsbeurlaubt.

Auf Meschede freue ich mich, weil...

es meine Heimat ist.

Comedy, Corona und......

Café.

Wie haben Sie die erste Zeit mit Corona und im Lockdown erlebt?

Es war unwirklich. Die Reeperbahn war noch nie so leise. Es war wie in einem schlechten Film.

Und wie war es für Sie, nicht auftreten zu können?

Andre Kramer: Das war sehr hart. Und ist es immer noch. Nachdem zuletzt nahezu alle Branchen wieder normal arbeiten können, wird es auch von Tag zu Tag härter. Auch finanziell ist das für die meisten Künstler ein Problem. Einige von uns haben zu beginn der Corona-Pandemie 9000 Euro Soforthilfe beantragt und mussten dann feststellen, dass sie nicht berechtigt waren, weil sie keine Miete oder Fixkosten zahlen mussten. Sie brauchten das Geld aber für ihren Lebensunterhalt. Nun fürchten sie, dass sie das wieder zurückzahlen müssen. In diesem Fall würden ein paar 100.000 Freiberufler und Solo-Selbstständige in existenzielle Not geraten.

Auch interessant

Die ersten Auftritte nach dem Lockdown, wo waren die und wie haben Sie die erlebt?

Ich hatte im Sommer eine Show im Autokino und ein Open Air. Das war ok. Aber es war nicht dasselbe. Comedy lebt von Dichte, etwas schummrig, dunkel und eng. Lachen ist ja ansteckend und das braucht man einfach für eine gewisse Dynamik und Atmosphäre. Vor hupenden Autos und Scheibenwischern aufzutreten und nicht einen Menschen lachen zu hören, ist ein ziemlich absurdes Gefühl.

Auch interessant

Wie kam es zur Die Comedy-Show in Meschede und wie entscheiden Sie, wer mitmacht?

Christoph Hermes, der damals für das Stadtmarketing gearbeitet hat, ist im Sommer 2018 auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich etwas in Meschede organisieren kann. Dass es so ein Erfolg wird und die Sauerländer das so gut annehmen, damit haben wir beide nicht gerechnet, freuten uns aber natürlich sehr. Nachdem die erste Show so ein Erfolg war, haben wir uns entschieden weiterzumachen. Da ich von unterschiedlichen Shows in ganz Deutschland, wo ich selber auftrete, die meisten Kollegen kenne und sehe, wie das Publikum sie annimmt, ist es nicht schwer Comedians zu finden. Das ist mir auch sehr wichtig, mit Künstlerinnen und Künstlern vorbeizukommen, die man nicht oft im Fernsehen sieht, die aber wahnsinnig gut sind und abliefern.

Beim G20 Gipfel erlangte Andre Kramer Berühmtheit, als er mit dem Schild „Ich bin Anwohner und gehe nur kurz zu Edeka“ vor die Tür trat.
Beim G20 Gipfel erlangte Andre Kramer Berühmtheit, als er mit dem Schild „Ich bin Anwohner und gehe nur kurz zu Edeka“ vor die Tür trat. © Privat

Lohnt sich das jetzt - mit der geringeren Platzzahl - überhaupt?

Kurz und knapp: Nein. Die meisten Shows derzeit sind plusminus null. Wir sind froh, wenn wir keinen Verlust machen und drauf zahlen. Aber aufgeben ist keine Option.

Ist es in Coronazeiten besonders wichtig Menschen zum Lachen zu bringen oder schwerer? Und darf man über Corona Witze machen?

Schwieriger ist es nicht und man sollte sogar Coronawitze machen. Humor ist nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch gesellschaftlich sowohl Verarbeitung, Erklärung, Frustabbau und Ablenkung.

Viele Menschen hat es im Lockdown aufs Land gezogen. Waren Sie auch im Sauerland?

Ich war seit Corona nur ein Mal im Sauerland. Seit ich weggezogen bin, war ich auch das erste Mal nicht an Ostern zu Hause, um eine potenzielle Coronainfektion meiner Familie nicht unwissend mitzubringen. Ich komme im Sauerland für ein paar Tage immer gut klar aber irgendwann auch nicht mehr. Es ist fast ein Kulturschock. In Hamburg kann man 24 Stunden am Tag alles machen. Essen gehen, was trinken gehen, einkaufen, Freunde treffen, tanzen, feiern, lachen, ausgehen. Immer. Ich brauche diese Freiheit einfach. Vor allem, weil man als Künstler irgendwann den Überblick über die Wochentage und Feiertage verliert. Ob Mittwoch oder Sonntag ist uns Comedians egal. Wir kennen nur zwei Tage: Tage mit Auftritten und Tage ohne. Wegen Corona habe ich in diesem Frühjahr meine Wohnung renoviert und stand Karfreitag vor der geschlossenen Tür beim Hagebaumarkt.

Auch interessant

Wie blicken Sie jetzt auf die Corona-Regeln für die Großstädte mit nächtlicher Sperrstunde, Tanz- und Alkoholverbot. Gruselig?

Es gibt Maßnahmen die ich verstehe, die Maskenpflicht zum Beispiel, und es gibt Maßnahmen die ich nicht verstehe. Die Sperrstunde zum Beispiel. Ob ich um 18 Uhr einen Döner essen gehe oder um 23 Uhr interessiert das Virus herzlich wenig. Und bei Reglementierungen sind Menschen schon immer kreativ geworden. Alkoholverbot? Die Jugendlichen und Feierwilligen hier in Hamburg decken sich eben frühzeitig mit Alkohol für die ganze Nacht ein.

Was ist Ihre liebste Verschwörungstheorie, und wie kommen Sie mit Menschen klar, die so was verbreiten?

Als Komiker liebe ich Verschwörungstheorien, weil es die gesamte Bandbreite des möglichen menschlichen Wahnsinns dechiffriert. Ich gucke mir hin und wieder den Telegram-Kanal von Attila Hildmann an. Das ist Comedy. Meine liebste Verschwörungstheorie ist die „Flache Erde Theorie“ also Menschen, die 2020 immer noch daran glauben, dass die Erde eine Scheibe sei.

Aber das Ganze ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist das, wenn wir die Meinungsfreiheit ernst meinen, genau die Herausforderung, die eine Demokratie aushalten muss: Dass Menschen glauben, die Erde ist flach, der Mensch war nicht auf dem Mond und Hillary Clinton ist ein Echsenmensch. Auf der anderen Seite gefährden Impfgegner das Leben ihrer Kinder. Eine Lösung habe ich da nicht. Der Staat kann da auch nicht eingreifen. Wäre die Wissenschaft und ihre Ergebnisse die einzige Grundlage der Gesetzgebung, dann wären Homöopathie und Zuckerkügelchen verboten. Eine Demokratie muss sowas einfach aushalten.

Hintergrund

Andre Kramer ist 40 Jahre alt, Single und lebt in St. Pauli.

Seinen Magister-Anschluss in Politikwissenschaften machte er an der Universität Münster.

Der Mescheder wurde auch weit über die Grenzen Hamburgs und Meschedes berühmt, weil er beim G7-Gipfel in Hamburg mit einem Schild auf die Straße ging. „Ich bin Anwohner und gehe nur kurz zu Edeka.“