Meschede/Hochsauerlandkreis. Zwischenbilanz nach sieben Monate Corona im Hochsauerlandkreis: Die medizinische Versorgung ist nie in Gefahr gewesen.

Inzwischen sind sieben Monate mit Corona vergangen. Erste Erfahrungen zeigen rückblickend, dass die medizinische Versorgung im Hochsauerlandkreis nie in Gefahr war. Hier sind Antworten auf die wichtigsten Fragen mit Covid-19.

Wie sind die Fakten?

Am 10. März wurde beim Kreisgesundheitsamt in Meschede der erste Fall eines positiven Corona-Falles bekannt. Ab 13. März stiegen die Zahlen. Seitdem sind nachweislich 975 Menschen infiziert gewesen (Stand: Freitag 12 Uhr).

Genesen sind aktuell 885: Als genesen gilt, wer positiv getestet war und anschließend eine Freigabe vom Kreisgesundheitsamt erhalten hat – dafür musste man die letzten 48 Stunden vor Ablauf der 14-tägigen Inkubationszeit symptomfrei gewesen sein, also durfte zum Beispiel kein Fieber mehr haben. Es kam heraus, dass im Hochsauerlandkreis alle ersten Fälle mit zurückgekehrten Skifahrern zusammen hingen.

Was hat sich verändert?

19 Menschen sind seit März gestorben. Bei ihnen kann von einer Verbindung mit einer Corona-Infektion gesprochen werden. Das Durchschnittsalter dieser 19 Toten liegt bei 84 Jahren.
19 Menschen sind seit März gestorben. Bei ihnen kann von einer Verbindung mit einer Corona-Infektion gesprochen werden. Das Durchschnittsalter dieser 19 Toten liegt bei 84 Jahren. © Wolfgang Becker/WP | Wolfgang Becker

Durch Zahlen lässt sich das nicht belegen: Aber offenbar sind auch im Hochsauerlandkreis inzwischen zunehmend Jüngere in den letzten Wochen von Corona betroffen, meint Dr. Peter Kleeschulte, Leiter des Kreisgesundheitsamtes – damit folgt der HSK dem Bundestrend. Ein Indiz seien die immer wieder zu beobachtenden Ausbrüche in Familienverbünden. Davon betroffen waren vor allem Jüngere.

Was ist mit Reiserückkehrern?

Zwei Ausbrüche in Bestwig und Medebach waren im Sommer auch gleichzeitig die ersten größeren Fälle im Hochsauerlandkreis im Zusammenhang mit Reiserückkehrern, die das Virus hierher brachten und in ihren Familien verbreiteten. Sie kamen alle aus Risikogebieten: Führend dabei das Kosovo, gefolgt von der Türkei, von Albanien, Serbien, Rumänien und Kroatien.

Die Hotline des Kreises werde derzeit „massiv beansprucht“, so Kleeschulte, seitdem sich die Risikogebiete fast täglich ändern: „Insbesondere montags und dienstags, wenn das Wochenende vorbei ist“ – dann würden sich verstärkt Familien melden, die am Wochenende zum Beispiel in Holland waren und jetzt wissen wollten, wie sie sich verhalten müssen: „Das ist eine sehr zeitraubende Sache – und das geht nicht konfliktfrei ab.“ Pro Woche würden sich um die 1500 Menschen beraten lassen.

Wer ist gestorben?

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19 Menschen sind seit März gestorben. Bei ihnen kann von einer Verbindung mit einer Corona-Infektion gesprochen werden. Das Durchschnittsalter dieser 19 Toten liegt bei 84 Jahren. Sie hatten alle Vorerkrankungen – aber bei ihnen wurde eben auch Covid-19 festgestellt.

Dem Kreisgesundheitsamt ist kein Fall einer Obduktion bekannt, auf Veranlassung oder Anordnung des Kreisgesundheitsamtes ist auch keine durchgeführt worden. Könnte es also sein, dass es tatsächlich keinen einzigen Todesfall gab, für den Covid-19 unmittelbar verantwortlich war? „Die Frage kann in dieser Form nicht beantwortet werden“, sagt Dr. Kleeschulte.

Reichten die Krankenhausbetten?

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Ist Corona an den Krankenhäusern medizinisch zu bewältigen? Reicht die Kapazität? Die Sorge beherrschte anfangs die Diskussion. „Anfangs wusste man nicht, wohin die Reise geht“, sagt Dr. Peter Kleeschulte. Aber die Lage ist nie dramatisch geworden.

Das Kreisgesundheitsamt hat darauf die Zahlen als nüchterne Antwort: Die Kapazitäten reichten immer aus. 262.000 Einwohnern stehen im HSK 1900 Krankenhausbetten zur Verfügung.

Dr. Peter Kleeschulte, Leiter des Kreisgesundheitsamt in Meschede.
Dr. Peter Kleeschulte, Leiter des Kreisgesundheitsamt in Meschede. © Martin Reuther | Martin Reuther

Davon sind momentan acht normale Betten belegt mit Patienten, die auch Covid-19 haben, davon zwei auf Intensivstationen (Stand: Freitag, 12 Uhr). Rückblickend gilt: „Wir hatten viele Tage in den letzten Wochen, an denen keine oder wenige Betten belegt waren.“ Die Maximalbelegung ist an einem Tag Mitte April die Belegung von 10 Intensivbetten gewesen. Kleeschulte sagt auch: Infizierte aktuell haben überwiegend gar keine oder nur geringe Symptome – sie sind eben nur positiv auf Corona getestet.

Was ist die Herausforderung?

Was die Menge an Infizierten betrifft, liegt der HSK momentan umgerechnet bei einer niedrigen Sieben-Tagesinzidenz um die 15. Erst ab 35 pro 100.000 Einwohnern gilt eine erste Grenze für weitere Beschränkungen. Dennoch warnt das Kreisgesundheitsamt: „Niemand kann auch bei uns ein Szenario ,wie beispielsweise mit den in die Höhe geschnellten Zahlen nach Feiern in Hamm, ausschließen.“

Wo sind die neuen Stellen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat dem öffentlichen Gesundheitswesen mehr Personal versprochen. Dr. Peter Kleeschulte ist diplomatisch: „Die Aufmerksamkeit, die wir uns erarbeitet haben, ist sehr erfreulich – das tägliche Infektionsgeschehen war aber schon immer unser Geschäft.“ Doch der Arbeitsbereich im Kreisgesundheitsamt sei ja viel größer, von Schuleingangsuntersuchungen bis zur Sozialpsychiatrie.

Die Aufmerksamkeit freut ihn: „Aber davon habe ich keine Stelle mehr.“ Bisher sei das nur eine Absichtserklärung. Die Ausbildung zu Hygienekontrolleuren (die derzeit zum Beispiel im Fallmanagement eingesetzt werden) beispielsweise dauere drei Jahre, man müsse dafür bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung mitbringen – „der Markt ist komplett leer“. Und im ärztlichen Bereich gibt es aktuell bereits offene Stellen, die nur schwer besetzt werden können. Eine der Ursachen: Im Krankenhausbereich wird besser bezahlt, obwohl der Kreis schon Zulagen zahlt.

Was ist mit Tests?

Sorgen bereiten dem Kreisgesundheitsamt in der beginnenden Erkältungssaison die schwierige Differenzierung zwischen banaler Erkältung und Covid-19. Oft bringt nur ein Test Klarheit. Generell sagt Dr. Peter Kleeschulte zu Tests: „Wir müssen die Teststrategie neu überdenken.“

Die breite Testung von Lehrern oder Kita-Mitarbeitern mache zum Beispiel keinen Sinn: „Wir haben bei Lehrern und Lehrerinnen eine Trefferquote von 0,1 Prozent, in denen die Tests positiv ausfallen. Man muss sich überlegen, wie man die neuen Antigen-Tests einsetzt.“ Und was rät Kleeschulte Menschen mit laufender Nase am Wochenende? „Gelassenheit!“

Was ist mit Schließungen?

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„Wir sind moderat durchgekommen“, sagt Dr. Peter Kleeschulte. Nur drei Pflegeheime mussten bisher zwischenzeitlich komplett per Aufnahmestopp geschlossen werden: „Durch die gute Zusammenarbeit mit den Pflegeheimen konnte das vor Ort sehr gut gemeinsam gemanagt werden.“

Weitere Ausbrüche konnten innerhalb der Einrichtungen verhindert werden. Seitdem gab es keine größeren Ausbrüche mehr in Pflegeheimen. In Schulen gab es bisher nur einzelne Klassenschließungen, es musste noch keine einzige Schule geschlossen werden. Auch in Kitas waren, bis auf eine Ausnahme, nur einzelne Gruppen betroffen.

Wann normalisiert sich das?

„Die Wahrscheinlichkeit ist, dass wir noch mehrere Monate damit zu tun haben werden“, so der Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Letztlich gehe es darum: Wann ist die Impfung da? Wird es dann eine effektive Impfung sein? Wird der Wirkstoff in ausreichender Menge da sein? „Wenn nicht, wird geregelt werden müssen, wer bekommt ihn zuerst.“