Meschede. In einem Geschäft in Meschede fotografiert ein Spanner seinen Kundinnen unter den Rock. Es gab Ermittlungen - und jetzt eine neue Spur.
Darf man Frauen in Deutschland heimlich unter den Rock fotografieren? Hat man etwas zu befürchten, wenn man erwischt und angezeigt wird? Die Antworten auf diese Fragen zeigen: In Deutschland gibt es bislang eine Gesetzeslücke. Eine Frau aus Meschede hat so einen Fall erlebt.
Handy am Körper
Das Schreiben, das sie am Ende von der Staatsanwaltschaft bekam, ist für sie enttäuschend. Es ist Ende Juni, ein sommerlicher Tag: Die Frau befindet sich in einem Laden in Meschede. Sie will Kleidung anpassen lassen. Sie steht vor dem Tresen, als der Mann in dem Geschäft plötzlich hinter sie geht. Plötzlich spürt sie ein Handy an ihren Körper und dreht sich herum. Trotz des schockierenden Moments reagiert die Frau überlegt: Sie erstattet Anzeige bei der Polizei gegen den Mann.
Die Ermittler gehen engagiert vor. Sie schaffen es sogar, einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung und den Laden zu erwirken. Mehrere Handys werden sichergestellt. Bei der Auswertung wird ein Foto einer weiteren Frau sichergestellt, die in Unterwäsche fotografiert worden ist.
„Wir rechnen mit einem Dunkelfeld, also weiteren Fällen, die wir nicht mehr feststellen können“, sagt dazu Holger Glaremin. Pressesprecher der Polizei. Ein Hinweis einer anderen Kundin, die sogar eine Kamera in einer Umkleide entdeckt haben will, führt zu keinen Feststellungen. Gleichwohl wächst der Druck auf den Mann - und er gesteht in seiner Vernehmung im Wesentlichen.
Eingestellt nach drei Monaten
Bei der Staatsanwaltschaft wird formal ein Verfahren eingeleitet: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Hier beginnt das Dilemma: Ein Vorfall dieser Art muss gravierend sein, sonst gilt er nicht als Straftat. Nach mehr als drei Monaten wird das Verfahren daher eingestellt. Das Opfer wird per Post darüber informiert.
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„Das heimliche Filmen unter den Rock stellt keine Straftat im Sinne des Strafgesetzbuches dar“, heißt es in der Begründung. Auch der höchst persönliche Lebensbereich sei nicht verletzt worden. Die - juristisch korrekte - Begründung: Die Tat geschah im Verkaufsraum, nicht etwa in einer Umkleide, die ein besonders geschützter Raum sei. Im übrigen habe man keine Fotos des Opfers sicherstellen können, und der Beschuldigte habe erklärt, er habe nur versucht unter den Rock zu fotografieren. Bleibt dieser Vorfall am Ende ohne Folgen? Die Möglichkeit besteht.
5 bis 1000 Euro Bußgeld
Als letzte Alternative wird gerade eine Ordnungswidrigkeit geprüft. Das Fotografieren der Intimsphäre kann als Belästigung der Allgemeinheit gewertet werden, es gibt entsprechende Bußgelder, die in der Vergangenheit verhängt worden sind. Die Stadt Meschede ist dafür zuständig. Sie hat die Unterlagen von der Staatsanwaltschaft Arnsberg erhalten. Der Fall werde sorgfältig geprüft. „Erst dann kann entschieden werden, welche weiteren Schritte eingeleitet werden“, sagte Pressesprecher Jörg Fröhling. Das mögliche Bußgeld beträgt 5 bis 1000 Euro.
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In Zukunft würde dieser Fall vermutlich anders ausgehen. Der Gesetzgeber stellt gerade das so genannte Upskirting, das heimliche Fotografieren unter den Rock oder in den Ausschnitt, unter Strafe. Nach dem Bundestag hat der Bundesrat bereits zugestimmt. In Kraft getreten ist dieses Gesetz jedoch noch nicht, damit wird in den kommenden Wochen gerechnet. Rückwirkend kann es allerdings nicht angewendet werden.
>>> Aufruf der Polizei
Auf einem der Handys hat die Polizei die Fotos eines zweiten Opfers sichergestellt. Die Ermittler suchen diese Frau als Zeugin. Das Foto ist laut Speicher am 21. September 2019 um 12.12 Uhr gemacht worden. Zu sehen ist schwarze Unterwäsche und ein blaues Oberteil.
Die Polizei fragt: Wer hat sich zu dem Zeitpunkt in einem Schneider-Laden in Meschede aufgehalten und verdächtige Beobachtungen gemacht? Hinweise an 90200.