Meschede. In Meschede beherrscht das Krankenhaus ein Verfahren, das oft nur Uni-Kliniken anwenden. Es kann schwer kranke Corona-Patienten retten.

An seinen ersten Patienten mit dieser Therapie erinnert sich Dr. Daniel Gießmann noch sehr genau. Der Mann hatte bereits drei Monate in verschiedenen Kliniken verbracht, durch den Hals war ein Zugang zu seiner Luftröhre gelegt worden, darüber war er über Wochen künstlich beatmet worden. Jetzt litt der Patient wieder unter chronischer Bronchitis, seine Werte waren sehr schlecht, und „er wollte nicht erneut maschinell beatmet werden“, wie er mit Blick auf den vorausgegangenen Behandlungsverlauf sagte. Durch eine Hightech-Therapie gelang es dennoch die schwere Gasaustauschstörung der Lunge zu therapieren. Nach einer Woche hatte sich die Erkrankung soweit gebessert, dass der Mann wieder nach Hause konnte. Dr. Gießmann hatte ein neues, aufwendiges Verfahren bei ihm eingesetzt.

Blut mit Sauerstoff angereichert

Abgekürzt sprechen Mediziner von der ECMO-Therapie. Dabei wird Blut aus dem Körper geleitet, von Kohlendioxid befreit, mit Sauerstoff angereichert und wieder zurückgeführt. Am Klinikum Hochsauerland ist dieses komplizierte Verfahren möglich. Dr. Gießmann, Chefarzt der Kardiologie, hatte es am St.-Walburga-Krankenhaus in Meschede eingeführt. Seit 2008 beschäftigt er sich mit dieser Therapie. Seit dem Zusammenschluss zum Klinikum Hochsauerland kommt es dort regelmäßig zum Einsatz. Die Ärzte verfügen damit über eine Technik, die sonst in der Regel nur in Uni-Kliniken zur Verfügung steht

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„Wir können damit in bestimmten Fällen sehr viel Leid ersparen“, sagt Dr. Fatjon Saliu. Er ist Oberarzt in der Kardiologie in Meschede und zusammen mit Chefarzt einer der Spezialisten für die ECMO-Therapie. Er sagte aber auch: „Oft ist es die letzte Hoffnung. Die Patienten, bei denen es zum Einsatz kommt, stehen mit dem Rücken zur Wand. Aber: Wir haben damit eine zusätzliche realistische Chance ihr Leben zu retten.“

Werte rasant ungünstig

Dazu kam es zuletzt auch bei einem lebensbedrohlich erkrankten Covid-Patienten. Der Mann war mit dem Coronavirus infiziert. Die Blutwerte entwickelten sich rasant ungünstig. Die Möglichkeiten der maschinellen Beatmung erschienen den Medizinern kaum noch erfolgversprechend. Dr. Gießmann schlug als letzte Option die ECMO-Therapie vor. „Bei der Behandlung von Covid-Patienten hatte man anfangs wenig Erfahrungen oder medikamentöse Therapieansätze, so dass wir die Lunge und den Organismus entlasten mussten, um die Zeit zugewinnen, die für die Regeneration benötigt wurde, das war unser Ansatz“, sagt der Chefarzt der Kardiologe. „Wichtig war für uns auch, sehr frühzeitig mit der Therapie zu beginnen.“

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Auch hier bewährte sich das Verfahren: Der Corona-Patient ist längst wieder daheim und hat sich von seiner Erkrankung erholt. Damals wurden das Gerät für die ECMO-Therapie nach Arnsberg zur Corona-Station gebracht, Ober- oder Chefarzt mussten ständig in Bereitschaft sein, dorthin fahren und auch das dafür ausgebildete Pflegepersonal wechselte vorübergehend von Meschede aus dorthin. Vornehmlich findet diese Therapie im Klinikum Hochsauerland am Standort in Meschede statt.„Es ist ein Verfahren, das sehr aufwendig und damit teuer ist und sehr viel personellen Einsatz verlangt“, sagt Stefan Probst, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Standort Marienhospital in Arnsberg, der im Falle des Corona-Patienten intensiv mit seinen Mescheder Kollegen zusammengearbeitet hatte.

Zwei Maschinen für die ECMO-Therapie gibt im Klinikum Hochsauerland, sie kosten jeweils ca. 100.000 Euro. Chefarzt Gießmann rechnet damit, dass dieses Verfahren in Zukunft häufiger eingesetzt wird. „Die Technik hat sich noch weiter entwickelt“, berichtet er. Je nach Erkrankung und Zustand kann diese Therapie den Patienten eine wochenlange künstliche Beatmung ersparen. „Diese ist zwar lebensrettend, aber letztlich pumpen wir Luft mit sehr viel Kraft in die Lunge; das kann die Lunge schädigen.“

Die Gefahr: verbluten

Komplett ersetzen kann die ECMO-Therapie die künstliche Beatmung allerdings nicht, sie kommt nur bei sehr speziellen Fällen zum Einsatz, meist bei hartnäckigen Lungenentzündungen und chronischer Bronchitis. Und auch bei ihr lauern Gefahren. Zum Beispiel, dass ein Patient sich versehentlich einen der Schläuche abzieht. Er könnte dabei binnen Minuten verbluten. Richtig angewendet, kann sich die Lunge erholen und der Patient ist bei gutem Verlauf innerhalb weniger Tage oder Wochen wieder auf den Beinen.

>>> Zur ECMO-Therapie

ECMO ist die Abkürzung für extrakorporale Membranoxygenierung. Es handelt sich um eine Technik, die auf Intensivstationen eingesetzt wird. Dabei übernimmt eine Maschine die Atemfunktion des Menschen.

Der Patient bekommt zwei Zugänge gelegt, über die Blut aus dem Körper heraus- und wieder hereingeleitet wird. Kohlenmonoxid wird dabei gefiltert, Sauerstoff zugegeben.

Als Nachteile der ECMO-Therapie gelten die technischen und personellen Anforderungen, die damit verbundenen Kosten und die Komplikationen beispielsweise durch Blutungen. Die Anwendung bedarf einer großen Erfahrung auf diesem Gebiet.