Meschede/Arnsberg. Ein 56-Jähriger erkrankt an Corona: Er muss ins Koma versetzt werden und kämpft sich durch die Krankheit. So ist es ihm ergangen.

Andreas R. (56) aus Meschede ist dankbar. Dankbar, dass er noch lebt und dankbar für die Hilfe, die er erfahren hat. Als Unternehmer ist er gewohnt Dinge zu regeln und für andere da zu sein, für Kunden, für Mitarbeiter, für die Familie. Dann versetzt ihn das Coronavirus in eine andere Welt. Mit Unterstützung vieler Menschen gelingt der Kampf zurück ins Leben. Um anderen Mut zu machen und denen zu danken, die ihm geholfen haben, erzählt er nun von seiner Genesung.

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Von Ute Tolksdorf, Jürgen Kortmann, Oliver Eickhoff, Frank Selter, Alexander Lange, Christina Schröer

Andreas R. (Name geändert, da der Patient in der Öffentlichkeit anonym bleiben möchte) ist lange Arbeitstage gewohnt. Er hat keine Vorerkrankungen und kennt Krankenhäuser nur als Besucher. Doch an einem Montag im vergangenen März fühlt er sich schwach und geht früh nach Haus. „Es war aber nichts, worüber ich mir ernste Sorgen gemacht hätte“, sagt er. Drei Tage später erfährt er von der bestätigten Coronaerkrankung eines Mitarbeiters. Er und alle Kollegen werden ebenfalls getestet. Auch sein Testergebnis ist positiv.

Von Tag zu Tag schlechter

In der häuslichen Quarantäne wird sein Gesundheitszustand dann von Tag zu Tag schlechter. „Am Mittwoch der Folgewoche fühlte ich mich derart kraftlos, dass ich meinen Hausarzt angerufen habe. Der hat sofort eine Krankenhauseinweisung veranlasst“, berichtet Andreas R. Von seiner Frau lässt er sich in den Klinikum Hochsauerland, Standort Marienhospital, nach Arnsberg fahren. Die mitgebrachte Kliniktasche trägt er noch selbst.

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„Ich dachte, ich bin am Samstag wieder Zuhause“, erinnert sich Andreas R. Er kommt zunächst auf die Isolierstation und wird untersucht. Die Blutwerte sind katastrophal. Die Sauerstoffsättigung des Blutes ist so niedrig, dass umgehend Sauerstoff über einen Nasenschlauch gegeben wird. Trotzdem verschlechtert sich sein Zustand zusehends.

Sättigung im Blut sinkt

Für Dr. Yvonne Reuß, Oberärztin der Klinik für Innere Medizin, kein Einzelfall. „Wir haben verschiedene Patienten gesehen, deren Sauerstoffsättigung des Blutes infolge einer Covid19-Infektion bereits stark erniedrigt war, obwohl die Patienten noch gar nicht bemerkt hatten, dass sie kaum Luft bekamen. Manche Patienten entwickeln dann innerhalb weniger Stunden einen so schlechten Verlauf, dass sie künstlich beatmet werden müssen.“

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Zur engmaschigen Überwachung wird Andreas R. vorsorglich auf die Intensivstation verlegt. „Weil aber die Sauerstoffsättigung des Blutes trotz Sauerstoffgabe immer mehr absank, musste Andreas R. relativ schnell ins Koma versetzt, intubiert und maschinell beatmet werden“, berichtet Dr. Stefan Probst, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. „Um die Belüftung der Lungen und die Sauerstoffbindung des Blutes zu verbessern, wurde der Patient zudem in Bauchlage gebracht“, so der Chefarzt.

Lungen entlastet

„Als sich abzeichnete, dass sich der Zustand des Patienten trotz invasiver Beatmung progredient weiter verschlechtert haben wir im Behandlungsteam entschieden auf die ECMO-Therapie zurückzugreifen“, erinnert sich Dr. Probst. Bei der extrakorporalen Membranoxygenisierung (ECMO), einem Verfahren, das in der Regel nur in Unikliniken zur Verfügung steht, ersetzt eine Maschine vorübergehend die Funktion der Lunge. Dabei wird das Blut des Patienten außerhalb des Körpers von Kohlendioxid befreit und mit Sauerstoff angereichert. Die Lungen werden entlastet und haben so eine Chance zum Heilen. Das Verfahren erfordert viel Erfahrung von den behandelnden Medizinern.

Im Klinikum Hochsauerland verfügt Dr. Daniel Gießmann, Chefarzt der Klinik für Kardiologie in Meschede, über die meiste Anwendungserfahrung mit dieser speziellen Therapieform. Er fährt täglich nach Arnsberg, um den Patienten gemeinsam mit den Kollegen vor Ort zu versorgen. Als Andreas R. nach zwölf Tagen aus dem künstlichen Koma geholt wird, ist er wach und ansprechbar. An die Zeit im Koma hat er keine Erinnerung. „Ich war komplett in einer anderen Welt. Nur an Alpträume aus der Komaphase kann ich mich erinnern“, so Andreas R.

Schmerzen nur einen Tag

Die ECMO-Therapie läuft dann noch drei Tage weiter. Echte Schmerzen hat er nur am Tag, als die Schläuche der Maschine aus seinem Körper entfernt wurden. Das sei für ihn der schlimmste Tag gewesen, sagt Andreas R. Doch die Schwestern der Intensivstation hätten ihm beigestanden, seine Hand gehalten und gesagt, „Sie sind jetzt schon so weit gekommen, Sie schaffen das“. Andreas R. hat es geschafft.

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Doch der Weg dahin war steinig und es bedurfte vieler helfender Hände, um ihn zu gehen. Andreas R. erinnert sich an seine ersten Standversuche. „Die sind missglückt. Ich bin sofort wieder ins Bett reingefallen“, sagt er. Wieder gibt es Hände, die helfen. Zwei Physiotherapeuten trainieren noch auf der Intensivstation mit ihm. Auch Schwester Ruth reicht ihm immer wieder die Hand bei ersten vorsichtigen „Wanderungen“ rund ums Bett.

15 Kilogramm abgenommen

Dann nach fast drei Wochen auf der Intensivstation hat sich sein Zustand soweit gebessert, dass er auf eine Normalstation verlegt werden kann. „Da hatte ich 15 Kilogramm abgenommen und nur noch Pudding in den Beinen“, sagt Andreas R. Auf der Normalstation intensiviert er sein Training. Auch hier gibt es viele Hände, die helfen, beispielsweise beim Gehtraining auf dem Stationsflur oder beim Stufensteigen im Treppenhaus. Nochmal knapp eine Woche später ist Andreas R. wieder Zuhause. Die Krankheit hat er überstanden. Nun muss sich sein Körper erholen.

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Um Folgeschäden soweit möglichauszuschließen, hält er noch Kontakt zu Hausarzt und Klinik. Besonders genossen hat er den ersten Spaziergang im Wald. „Die Luft war herrlich, aber noch war es anstrengend“, sagt er. Nun will Andreas R. anderen Mut machen und den vielen Menschen danken, die zu seiner Genesung beigetragen haben. Natürlich den Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und weiteren Fachkräften des Klinikums Hochsauerland, seinem Hausarzt, seinem Schwager und seinen Mitarbeitern, die während seiner Krankheit sein Unternehmen gemanagt haben, den Freunden und Nachbarn, die Solidarität gezeigt und die Familie in der Quarantänezeit mit vielem versorgt haben, und nicht zuletzt seiner Frau und Tochter, die um ihn gebangt, mit den Ärzten Kontakt gehalten und alles Anstehende geregelt haben.