Meschede. Er war einer derjenigen im HSK, die am schwersten am Coronavirus erkrankt waren. Es war im März. Wie geht es Andreas R. heute? Hat er Spätfolgen?

Andreas R. wird er von uns genannt. Er möchte anonym bleiben. R. stammt aus dem Stadtgebiet Meschede und war einer der schwerst erkrankten Corona-Patienten im Hochsauerlandkreis. Seine Tasche trug er im März noch selbst in das Zimmer der Isolierstation, schon kurz darauf wurde er beatmet und lag über Wochen im Klinikum Hochsauerland im Koma. Wie geht es ihm heute?

Sie waren sehr schwer erkrankt und hatten nach ihrer Entlassung gesagt, sie seien froh, dass sie noch leben. Wie ist Ihr Gesundheitszustand inzwischen?

Andreas R.: Mir geht es blendend. Ich bin verhältnismäßig schnell wieder „dabei gekommen“. Als ich aus dem Krankenhaus nach dreieinhalb Wochen entlassen wurde, war alles anders: Ich konnte ich nicht mehr richtig laufen, nicht mehr richtig sprechen.

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Ich hatte zwölf Tage im Koma gelegen, da nimmt die Muskulatur schnell ab. Mir tat alles weh. Ich war überrascht, dass ich nicht stehen konnte, dass mir die Kraft fehlte, eine Wasserflasche zu öffnen. Einer meiner Gedanken war: Du bist im falschen Film… Etwas mehr als zweieinhalb Wochen hatte es nach der Behandlung gedauert, dann ging es mir schon wieder den Umständen entsprechend gut.

Es wird immer wieder über Folgeschäden spekuliert. Spüren Sie noch irgendwas, das mit dem Virus zusammenhängt?

Ich bin mir nicht sicher, ob mein Gehör vorübergehend etwas gelitten hatte. Es hat mehrere Untersuchungen gegeben: der Lunge, des Herzens. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft mir inzwischen Blut abgenommen wurde. Worüber ich froh bin: Es ist nichts festgestellt worden, worüber ich mir Sorgen machen müsste. Nach vier bis fünf Wochen war mein Körper wieder im Normalzustand.

Werden Sie noch weiterhin regelmäßig untersucht?

In der Klinik nicht mehr, ich gehe regelmäßig zu meinem Hausarzt.

Wie hat sich die Krankheit bei Ihnen bemerkbar gemacht? Wann haben Sie gemerkt: Es wird ernst?

Ich bekam an einem Samstag das Ergebnis, dass ich positiv getestet worden war. Bis Montag ging es. Dann fühlte ich mich etwas schlapp. Bald darauf kam ich kaum noch eine Treppe hoch, weil mir die Kraft fehlte.

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Zur Sicherheit sollte ich am Mittwoch ins Krankenhaus. Ich habe gedacht: Sie geben mir ein bisschen Sauerstoff, vielleicht Antibiotika. Auf der Station habe ich meine Sachen noch selbst ausgepackt. Schon nach sehr kurzer Zeit kam die Schwester: Die Blutwerte waren miserabel, es fehlte Sauerstoff. Ich kam im Rollstuhl auf die Intensivstation und dann weiß nicht nichts mehr. Ich wurde intubiert und beatmet.

Sie sind letztlich mit der ECMO-Therapie gerettet worden, dabei wird das Blut außerhalb des Körpers von Kohlendioxid befreit und mit Sauerstoff angereichert. Sind Sie darüber informiert worden, was geschieht?

Nein, ich habe im Koma gelegen und nichts mitbekommen.

Wie haben Sie die Behandlung im Klinikum Sauerland empfunden?

Das sind meine Lebensretter. Das Team war sowas von super. Alle haben zunächst im Dunkeln getappt, weil der Verlauf bei mir so schwer war, und dann sind sie zu der Lösung mit der ECMO-Therapie gekommen, die sonst in Unikliniken aber auch im Mescheder Walburga-Krankenhaus angewendet wird. Damit waren deutschlandweit schon mehrere Corona Patienten behandelt worden.

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Deshalb wurde die ECMO-Maschine kurzerhand nach Arnsberg ins Marien-Hospital gebracht, um frühzeitig mit zu unterstützen. Gerade noch rechtzeitig! Wäre ich einen Tag später ins Krankenhaus gekommen, hätte ich das nicht überlebt, so die Ärzte. Ich habe noch mehr Respekt davor, was diese Menschen leisten, und speziell die Arbeit der Krankenschwestern und -pfleger ist unterbezahlt.

Sie waren kein Risikopatient. Haben die Ärzte rückblickend herausfinden können, warum gerade Sie so schwer erkrankt sind?

Es gibt keine Erklärung dafür. Ich bin 50, habe keine Vorerkrankungen und war noch nie vorher in einem Krankenhaus. Ich kann nur warnen: Mit dem Coronavirus ist Vorsicht geboten. Es kann jeden treffen. Und es kann jeder daran sterben.

Haben Sie eine Ahnung, wo und wie Sie sich angesteckt haben könnten?

Letztlich lässt es sich nicht feststellen. Im Unternehmen, in dem ich arbeite, herrschte nach einem Fall eine Quarantäne. Das ist die einzige Spur.

Wie haben Sie den ersten Tag daheim verbracht?

Ich habe auf der Couch gelegen und mich nur noch gefreut, dass ich wieder Zuhause bin. Ich habe emotional mehrere Tage gebraucht, bis ich die Briefe und Emails lesen konnte, die damals an mich geschrieben worden waren. Meine Frau, die in Quarantäne war, wurde von der Familie, Freunden und Nachbarn mit Lebensmitteln und allem Nötigen versorgt. Die Solidarität von allen, die mich kennen, hat mich umgehauen. Der ganze Ort, in dem ich lebe, hat mir und meiner Familie beigestanden. Für mich wurden Kerzen angesteckt. Es wurde zusammen gebetet. Wenn ich heute Leute treffe, sagen sie, dass ihnen mein Schicksal die Augen geöffnet habe, was für eine gefährliche Sache das Coronavirus ist.

Haben Sie noch Antikörper und sind sie damit, zumindest vorerst, immun?

Ja, die Immunität ist da. Was bemerkenswert ist: Aus meiner Verwandtschaft war zu der Zeit auch jemand erkrankt. Er hatte nur leichtes Kratzen im Hals und etwas Fieber, er war kaum krank. Und er hat fünfmal so viele Antikörper gebildet wie ich.

Wie schauen Sie heute auf das Virus und die weiteren Maßnahmen?

Mein Leben hing an einem seidenen Faden, und ich glaube, dass es jeden treffen kann. Das Risiko ist zwar gering - aber was ist, wenn ich trotzdem am Coronavirus sterbe? Die Leute, die ich kenne, wenden die Hygieneregeln an und halten sich an die Vorsichtsmaßnahmen. Ich bin froh, dass ich in einem Staat wie Deutschland lebe, wo die Krise so gut gemanagt wird. Langfristig vermute ich, dass die Zahl der Infektionen weiter zurückgeht. Wir sollten alle positiv denken.