Bestwig/Ramsbeck. Klaus Selter kandidiert als freier Bewerber für das Amt des Bürgermeisters in Bestwig. Im Interview spricht er Tacheles.

Der Ramsbecker Klaus Selter kandidiert in der Gemeinde Bestwig als freier Bewerber für das Amt des Bürgermeisters. Für ihn steht ohne Zweifel fest, dass er keine Chance haben wird. Warum er dennoch antritt.

Was hat Sie dazu bewogen anzutreten?

Klaus Selter Den Ausschlag hat gegeben, dass sich niemand dafür interessiert, wie man die Zukunft gestalten kann. Als studierter Bautechniker und Inhaber eines kleinen Bauplanungsbüros war ich im Rathaus, mit einer Idee, wie man als Gemeinde hier etwas verändern könnte und zum Beispiel jedes kommunale Gebäude CO2-neutral heizen kann. Dort bin ich aber nicht mal bis zum Bürgermeister vorgedrungen, weil man mich schon im Vorzimmer abgewimmelt hat. Ähnlich ist es mir zuvor auch auf anderen Ebenen ergangen - etwa beim Wirtschafts- und beim Innenministerium. Nirgendwo besteht der Wille zur Veränderung. Vor allem die Erfahrung im Rathaus hat mich so geärgert, dass ich mich entschieden habe, als Bürgermeister zu kandidieren. Wenn sich keiner von den Entscheidern dafür interessiert, wie man die Welt ein stückweit verbessern kann, dann muss man eben selbst versuchen, ein Entscheider zu werden.

Rechnen Sie sich tatsächlich eine ernsthafte Chance aus, nach der Wahl als Bürgermeister ins Rathaus einzuziehen?

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Nein! Für mich steht ohne Zweifel fest, dass ich das nicht schaffen werde. Aber man kann durch die Kandidatur wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit erregen und die Menschen wachrütteln. Wenn ich es schaffe, dass der Bürgermeister nur eine Stunde lang Angst hat, seinen Job zu verlieren, dann habe ich mein Ziel schon erreicht. Bestwig hat eine Gewerbesteuer von 460 und eine Grundsteuer B von 488 - damit liegen wir hier über Städten wie Düsseldorf, Monheim und Münster. Bestwig ist eine der teuersten Kommunen in NRW und trotzdem kommen die hier mit der Kohle nicht hin.

Aber die finanzielle Entwicklung der Gemeinde verläuft doch positiv. Die Haushaltssicherung wird im kommenden Jahr sogar vorzeitig beendet sein.

Ja, aber noch sind wir doch drin. Und was bleibt, sind dann immer noch die völlig überhöhten Gebühren. Mann kann doch Bestwig nicht mit Düsseldorf vergleichen. Wenn ich sage, Bestwig ist ein schöner Ort, um sein Leben zu fristen, dann ist vielleicht eine Grundsteuer von 400 wie in Schmallenberg angemessen, aber doch nicht eine von 488.

Was läuft aus Ihrer Sicht in der Gemeinde falsch?

Oh, vieles! Wenn ich eine Haushaltssicherung habe, fahre ich als Bürgermeister nicht auf Bürgerkosten mit einer Staatskarosse durch die Gegend. Da würde in solchen Zeiten auch ein normales kleines Auto reichen. Das ist der erste Punkt. Und wenn man mit Anregungen ins Rathaus kommt und nicht mal einen Termin bekommt, dann läuft doch wohl auch irgendwas falsch. Das finde ich traurig. Der Bürgermeister ist der Meister der Bürger und sollte ein offenes Ohr haben. Das vermisse ich auf eine gewisse Art und Weise.

Warum sollten die Bestwiger Sie wählen?

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Weil ich mich als Bürgermeister wahrscheinlich ein bisschen mehr für ihre Belange interessieren werde. Ich müsste mich vermutlich erstmal Jahre einarbeiten und gebe auch zu, dass ich im Verwaltungsrecht lange nicht so fundiertes Wissen habe, wie ein studierter Jurist, weil ich Hochbau studiert habe. Aber es hat auch schon genug junge Menschen gegeben, die solche Posten übernommen und eine ganze Menge zum Positiven verändert haben.

Wie denken Sie über SPD, CDU und Grüne?

Zu den Grünen in Bestwig kann ich nicht viel sagen, weil es die im Prinzip ja eigentlich noch nicht gibt. CDU und SPD sind an sich gut arbeitende Vereine. Man kann sicherlich nicht sagen, dass das alles Verrückte sind. Die geben sich schon Mühe. Ich sehe bei den beiden aber die großen Unterschiede nicht mehr.

Wenn man etwas verändern möchte, muss man ja nicht gleich als Bürgermeister kandidieren. Warum sind Sie nicht einfach in die CDU oder die SPD eingetreten, um sich für Ihre Ziele stark zu machen?

Da bin ich zugegebenermaßen zu spät drauf gekommen. Wobei ich auch sagen muss, dass ich versucht habe, übers Internet Kontakt mit der Bestwiger CDU aufzunehmen. Auf die Antwort warte ich bis heute. Ich hätte keine moralischen Bedenken, in die CDU einzutreten. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich allerdings die FDP bevorzugen - die gibt es aber leider in Bestwig nicht.

Und wie denken Sie über die AfD, deren Bundessprecher Sie im vergangenen Jahr gern geworden wären?

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Vorab: Meine Bewerbung zum Bundessprecher war damals eher als Scherz gedacht. Natürlich ist mir klar, dass das niemals etwas geworden wäre. Eingetreten bin ich damals direkt zu den Anfängen der AfD, weil ich gedacht habe, das ist eine junge Partei mit vielen Akademikern und hochgebildeten Menschen, mit denen man vielleicht noch etwas verändern kann. Das war mein Grundgedanke. Dann hat sich aber so schnell so viel verändert, dass ich schnell keine Lust mehr hatte, mitzuarbeiten. Als es dann um Flüchtlinge als Menschen zweiter Klasse ging und die Kopftuchdebatte entbrannte, war mir klar: Jetzt musst du hier austreten. Das sind Ansichten, die ich nicht teilen kann.

Wie aktiv waren Sie denn überhaupt in der AfD?

Am Anfang war ich schon aktiv - bis zu dem Zeitpunkt, als ich erkannt habe, dass man mit den Leuten nichts verändern kann. Wenn ich heute ein Resümee ziehe, hätte ich eigentlich viel eher austreten müssen. Ich möchte klar betonen, dass ich trotz meiner ehemaligen AfD-Mitgliedschaft kein Rechter bin. Im Gegenteil: Viele der Unterschriften, die ich für meine Kandidatur als Bürgermeister gebraucht habe, habe ich von unseren türkischen Mitbürgern am Eickhagen bekommen.

Sie wollten schon Landtagskandidat und Bundestagskandidat werden und die Gauland-Nachfolge als Bundessprecher der AfD antreten. Jetzt wollen Sie Bürgermeister werden: Trauen Sie sich eigentlich jedes Amt zu?

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Ach, wie soll man das erklären? Wenn man auf solchen Versammlungen ist, dann steht doch schon vorher zu 99 Prozent fest, wer am Ende gewählt wird. Meine Beweggründe waren immer, dass es auch Gegenkandidaten geben muss. Ich würde nie behaupten, dass ich mir jedes Amt zutraue - und habe auch niemals ernsthaft darüber nachgedacht, wie es als Bundessprecher der AfD wäre. Aber ich glaube schon, dass ich das ein oder andere Amt besser ausfüllen würde, als diejenigen, die dieses Amt inne haben.

Auf Ihrer Facebookseite haben Sie ein Video von der großen Corona-Demo in Berlin gepostet, bei der die Massen auf die Straße gegangen sind, um gegen die staatliche Corona-Auflagen zu demonstrieren. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Da bin ich ganz offen: Ein Corona-Virus hat eine Größe von 0,0000016 Millimetern. Die Größe einer Pore in einer handelsüblichen Schutzmaske ist ungefähr tausend Mal so groß. Das ist so, als wenn ich mir ein Körbchen Tomaten nehme, die Tomaten aus dem Fenster werfe und am Ende gucke, wie viele Tomaten wohl am Fensterrahmen hängen bleiben. In Sachen Corona schließe ich mich klar der Meinung der Professoren Sucharit Bhakdi und Karina Reiss an: Weil in der deutschen Bevölkerung eine Kreuzimmunität besteht, ist das Virus lange nicht so gefährlich wie immer getan wird. Und ich denke auch, dass ein Unterricht mit Masken für die Kinder eine Folter darstellt.

Kurz und Knapp

Meine Stärke: Selbst würde ich mich als einen sehr schlagfertigen bunten Hund ansehen. Hunde sind eigentlich farbenblind, aber bunte Hunde sind in der Lage, Farben zu erkennen. Sie haben also einen Sinn mehr. Meine Stärke ist es, Probleme zu erkennen. Mein starkes Selbstbewusstsein und meine schnelle Auffassungsgabe haben mir immer sehr genutzt beim Leiten meiner Teams.

Mein Lieblingsverein: Einen wirklichen Lieblingsverein habe ich nicht.

Mein Lieblingsgetränk: Caipirinha. Eine sehr leckere Belohnung nach der mühsamen Herstellung! Hier bin ich gern: Diese Frage ist wohl am leichtesten zu beantworten. An der Seite meiner Lieben - vorzugsweise im Urlaub. Gemeinsam haben wir viel sehen dürfen. Von Griechenland bis Afrika über Asien. Wir haben das Sterbehaus von Mutter Maria besucht und sind in der großen Pyramide in Gizeh rumgekraxelt.

Meine Schwächen: Ich habe ein Obrigkeits-Problem. Wenn ich sehe, dass jemand einen Fehler macht, dann weise ich daraufhin und zwar ungeachtet dessen, wer da vor mir steht. Da könnte der Kaiser von China vor mir stehen. Macht er einen schlimmen Fehler, kriegt er meine Meinung aufgedrückt. Ich bin zwar sehr diskussionsfreudig und lernbegierig, aber bevor meine Meinung feststeht, habe ich alle Infos gesammelt, die ich bekommen konnte. Daten und Fakten. Die sind dann eingespeichert und in einer 1/100-Sekunde parat und abrufbar, und zwar alle. Das lässt mich leider oft arrogant erscheinen.

Mein Vorbild: In der Tat habe ich ein Vorbild. Albert Einstein. Ein ständig suchender Tüftler, der einmal den wunderbaren Satz formulierte: Nachdem ich alles ausgerechnet habe, was auszurechnen wert war, bin ich heute doch davon überzeugt, es muss ein höheres Wesen geben.

Mein Lieblingsbuch: Der Medikus.

Mein Traum: Herauszufinden, was Gravitation ist. Denn dieses Problem habe ich in meinen 54 Lenzen noch nicht lösen können.

  • Klaus Selter lebt in Ramsbeck, ist 54 Jahre alt und verheiratet.
  • Der Ramsbecker ist seit vielen Jahren selbstständig.
  • Er führt gemeinsam mit seiner Frau ein Bauplanungsbüro.