Meschede. Im Fall um den toten Bauarbeiter im Maisfeld bei Meschede: Der Angeklagte hat eine Vorstrafe, die den Staatsanwalt besonders interessiert.
Seit zehn Verhandlungstagen wird am Landgericht Arnsberg bereits versucht, den Fall des Toten im Maisfeld bei Schüren aufzuklären. Jetzt hat der Angeklagte den Richtern der 4. Großen Strafkammer wortkarg Auskünfte über sich selbst gegeben. An einer Stelle wurde Staatsanwalt Klaus Neulken dabei sehr hellhörig.
„Zuhause gab es viel Alkohol“
Ein 38 Jahre alter Pole ist angeklagt, im August 2019 einen 45 Jahre alten Mann aus der Ukraine erschlagen zu haben. Tatort ist eine Unterkunft osteuropäischer Bauarbeiter in Meschede-Voßwinkel: In dem Haus lebten sie zwischen ihren Arbeitseinsätzen.
Auch interessant
„Zuhause gab es viel Alkohol“, schilderte der 38-Jährige, wie er in Polen mit sechs Geschwistern aufgewachsen ist: Vater und Mutter seien Alkoholiker gewesen, „es gab viel Streit und Schlägereien zwischen ihnen“. Ob das Auswirkungen auf ihn gehabt hätte, wollte Richter Pagel wissen: „Schwer zu sagen“, antwortete er.
Als Kind sah er, wie die Mutter auf den Vater mit einem Messer eingestochen hatte – vor Gericht landete der Fall nicht. Er besuchte eine Berufsschule. Wegen Schlägereien kam er in Haft, im Gefängnis lernte er den Beruf eines Schlossers. Fast vier Jahre saß er im Gefängnis. Es war das erste Mal, dass er hinter Gitter kam – aber nicht das letzte Mal.
Danach arbeitete er ein Jahr in Polen auf dem Bau, dann vermittelte ihn ein Bekannter nach England: „Da wird besser verdient.“ Der Mann gab an, in England in Fabriken gearbeitet zu haben. Dort will er selbst angefangen haben, massiver zu trinken – er verlor seine Arbeit und fing an zu stehlen, um sich Alkohol kaufen zu können. Die englische Polizei erwischte ihn, er kam in Untersuchungshaft, erhielt eine Bewährungsstrafe, wurde danach wieder bei zwei Diebstählen erwischt, kam erneut in Haft und wurde nach Polen abgeschoben.
Auch interessant
Verdienst lockte nach Deutschland
Wieder arbeitete er zunächst in seiner Heimat wieder auf Baustellen. Und wieder lockte ein höher Verdienst ihn ins Ausland: Diesmal 2018 nach Deutschland. Er fand eine Anstellung bei der Wuppertaler Baufirma, die auch das Haus in Voßwinkel unterhält. Es erledigt Arbeiten, wie Asbest-Sanierungen oder Abrisse, die Unternehmen mit deutschen Beschäftigten nicht so günstig anbieten.
Auch interessant
Der 38-Jährige berichtete vor Gericht von einem Monatslohn von 1000 Euro. Der Pole wurde zunächst ein Jahr lang auf Baustellen in Berlin eingesetzt. Dann kam er 2019 nach Wuppertal und lernte dann auch die Unterkunft in Voßwinkel kennen: „Dort wurde in Gesellschaft viel getrunken“ – wie offenbar auch im Zusammenhang mit dem Verbrechen.
„Unterhaltung, gestritten, geschlagen“
Die Richter hakten nach und fragten nach weiteren Straftaten in der Vergangenheit. Da fiel dem 38-Jährigen noch ein, dass er 2014 oder 2015 – so genau wusste er es nicht mehr – seinen Schwager in Polen zusammengeschlagen und dafür eine Bewährungsstrafe bekommen habe (die inzwischen widerrufen wurde und die er absitzen müsste, wenn er zurück nach Polen käme).
Auch interessant
Den Schwager habe der 38-Jährige nach einer Unterhaltung verprügelt, weil er der Schwester und deren vier Kindern keinen Unterhalt zahlte. „Unterhaltung, gestritten, geschlagen“, wiederholte Staatsanwalt Klaus Neulken laut und notierte sich das. Denn: So scheint auch die tödliche Auseinandersetzung in Voßwinkel stattgefunden zu haben – man trank gemeinsam, geriet in Streit, es wurde brutal mit tödlichem Ausgang. Die Leiche des Ukrainers wurde in ein Maisfeld bei Schüren geworfen.
>>>HINTERGRUND<<<
Im September versucht das Landgericht noch einmal, mit den polnischen Behörden in Kontakt zu treten. Bislang war das erfolglos. In einer Vernehmung per Video soll ein Mann gehört werden, der derzeit in Polen in Haft sitzt.
Der Mann war am Tag der Durchsuchung des Hauses in Voßwinkel durch die Polizei Fahrer zu den Baustellen.
Dabei waren der Angeklagten und ein ebenfalls verdächtigter 28-Jähriger: Einer soll den Fahrer aufgefordert haben, schnell weiterzufahren.
Die Frage ist: Wer von beiden war beim Anblick der Polizei so sehr in Panik geraten?