Meschede. Fast Staatsaffäre: Der türkische Generalkonsul verdächtigt Meschedes Bürgermeister, bei einer Kurden-Feier eine verbotene Fahne gehisst zu haben.

Eigentlich sollten an der Lagerstraße nur Flaggen gehisst werden. Das aber wurde fast zur Staatsaffäre. Bürgermeister Christoph Weber hat nämlich umgehend einen Anruf des türkischen Generalkonsuls in Essen bekommen, der Außenstelle der Botschaft in Berlin. Deutlich wird daran: Der türkische Staat beobachtet ganz genau, was seine Landsleute selbst im Hochsauerlandkreis machen – vor allem die Kurden.

Weber ist am vergangenen Samstag vom kurdischen Kulturverein Mala Kurda in Meschede auf dessen Gelände an der Lagerstraße eingeladen worden: „Ich sollte die deutsche Fahne hissen.“ Dort sind die Außenflächen jetzt von Mitgliedern gepflastert worden, Mala-Kurda-Vorstand Heval Akil hatte auch neue Fahnenmasten für das Vereinsgebäude angeschafft: Zur Feier des Tages sollten die deutsche, die kurdische und die der Deutsch-Islamischen Gesellschaft Kurdistans gehisst werden, der Mala Kurda angehört. Es gab Musik, Essen, Tänze. Akil hatte sich sowohl Genehmigungen für die Masten als auch eine Genehmigung zum Hissen dieser Fahnen bei der Stadt eingeholt.

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Weber muss aufklären

Doch: Im Verhältnis zwischen Kurden und Türken ist offenbar nichts unpolitisch. Mala Kurda wird beobachtet. Das zeigte sich unmittelbar danach Anfang dieser Woche, als der türkische Generalkonsul mit dem Bürgermeister zu sprechen verlangte: Weber sollte sich ihm gegenüber rechtfertigen, warum er als Bürgermeister eine Fahne der in Deutschland als Terrorvereinigung verbotenen Kurdenpartei PKK hisse und bei einer Veranstaltung auftrete, bei der ein Bild von deren (in der Türkei inhaftierten) Vorsitzenden Öcalan gezeigt werde.

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Weber klärte auf: Er habe nicht die PKK-Fahne gehisst, er habe auch keine dort gesehen, auch kein Bild von Öcalan, sagte der Bürgermeister unserer Zeitung auf Anfrage. Weber betonte, er gehe zu keiner Veranstaltung, bei der verbotene Embleme oder Symbole gezeigt würden. Der Generalkonsul räumte den Irrtum ein. Offenbar war es eine Falschinformation, die aus Meschede nach Essen durchgesteckt wurde. Gegenüber unserer Zeitung gab das Generalkonsulat keine Stellungnahme ab.

Falschinformation verbreitet

Fotos auf Facebook zeigen Weber beim Hissen der deutschen Flagge. Es gibt keine Fotos mit ihm, auf der er mit anderen Fahnen zu sehen ist. Denn Weber erklärt, das spreche er ausdrücklich im Vorfeld mit Veranstaltern ab – auch mit den hier aktiven Türken zum Beispiel der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, wenn er zu deren Festen eingeladen werde: „Es gibt vorher klare Absprachen. Ich will nicht mit Fahnen abgelichtet werden. Würden diese Spielregeln nicht eingehalten, verlasse ich umgehend die Veranstaltung und würde die nächsten Male nicht wiederkommen.“

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Wer die Falschinformation weitergab, ist unbekannt. Kurden vermuten: Das kam von türkischer Seite aus Meschede. Andererseits hat Heval Akil, auch als Vorsitzender der Fußballer des FC Mezopotamya, eine große Facebook-Community. Er postet regelmäßig und offen: „Ich werde immer alles posten, was ich kann.“

In der Türkei festgenommen

Akil weiß aber auch, dass gerade die kurdischen Aktivitäten auf Facebook von türkischen Behörden aufmerksam kontrolliert werden.

Ebenfalls über Facebook verbreitet: Christoph Weber im Gespräch mit Heval Akil - Akil hat eine große Facebook-Community.
Ebenfalls über Facebook verbreitet: Christoph Weber im Gespräch mit Heval Akil - Akil hat eine große Facebook-Community. © Privat

Er ist selbst syrischer Kurde und 2013 in der Türkei festgenommen worden – dabei seien ihm auch Fotos von seiner Facebook-Seite vorgehalten worden. Er berichtet auch vom Fall einer Mescheder Kurdin und ihrer Tochter, der vor zwei Jahren ähnliches passierte.

Akil ist sauer über die Einmischung des Konsuls: „Das türkische Konsulat hat hier dem Bürgermeister nichts zu sagen. Der Bürgermeister ist ein freier Mann und kann hingehen, wo er hingehen möchte. Der Bürgermeister ist ein Bürgermeister von allen – da sind wir stolz drauf!“

Falschinformation verbreitet

Akil meint, es sei der Versuch „einer Rufschädigung des Bürgermeisters“. Er betont, bei der Feier habe es keinerlei Zusammenhang mit der PKK gegeben – es sei nichts von ihr gezeigt worden: „Wir haben nichts Illegales gemacht.“ Akil sagt, der Kulturverein bringe sich in alle Veranstaltungen in Meschede ein: Man wolle die Integration.

Allerdings wird im Internet auch dies bekannt: Der 15. August soll als Beginn des bewaffneten Kampfes der Kurden gelten – für Heval Akil ist das ein „zeitlicher Zufall“ gewesen, dass der ausgerechnet am Samstag mit der Mescheder Feier zusammenfiel.

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„Da bleibt ein Restrisiko“

Von diesem Aspekt wiederum wusste Christoph Weber nichts. Er sagt, angesichts der Probleme aus den Überschneidungen von Religion, Kultur und Politik im muslimischen Kulturkreis prüfe er im Vorfeld immer möglichst genau für sich, zu welcher Veranstaltung er bei islamischen Gemeinden eingeladen werde: „Ich weiß um die Brisanz. Da bleibt ein Restrisiko“, räumt er ein. Er sagt, beim nächsten Mal werde er noch gründlicher nachbohren.

Besuchen will er aber auch weiterhin die islamischen Gemeinschaften. Weber sagt auch, er sei kontinuierlich im Austausch mit dem Verfassungsschutz darüber, was in Meschede passiere.

>>>HINTERGRUND<<<

Es wird aufmerksam beobachtet, was der Bürgermeister bei den Kurden machte.

Kritisiert wurde nachher deshalb auch, dass er ohne Mundschutz aufgetreten sei.

Christoph Weber sagt dazu, er habe sich vor dem Hissen der Deutschlandflagge an der Gebäudeecke alleine aufgehalten – der Abstand sei auf der öffentlichen Fläche ohne Mundschutz gewahrt gewesen.

Nur bei einem Foto , das ihn im Gespräch mit Heval Akil zeigt, sei der Abstand zwischen beiden nicht eingehalten worden.

Das sei passiert, als er spontan angesprochen wurde.