Bestwig. Über Realos, Leerstand – und seinen Waffenfachhandel: Matthias Scheidt tritt in Bestwig für SPD und Grüne als Bürgermeisterkandidat an.

In Bestwig gibt es die ungewöhnliche Koalition: SPD und Grüne haben mit Matthias Scheidt (30) einen gemeinsamen Kandidaten aufgestellt – und der kommt von dem grünen Juniorpartner.

Die Grünen haben sich gerade erst in Bestwig gegründet, sie können nicht alle Wahlbezirke besetzen, stellen aber gleich einen Bürgermeisterkandidaten. Ist das nicht vorwitzig?

(lacht) Vorwitzig würde ich das nicht nennen, ich nenne das mutig! In der Kombination mit der SPD in Bestwig haben wir einen erfahrenen und starken Partner. Es ist ja auch nicht so, dass ich kommunalpolitisch ganz unbeschrieben oder unerfahren bin: Sechs Jahre Kreistag und dort ein Ausschussvorsitz sind nicht mal eben so!

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Wie Grüne und SPD einander fanden

Wer ist im Vorfeld auf wen zugegangen? Sie auf die SPD, oder die SPD auf Sie?

Die SPD ist explizit auf mich als Kandidaten zugegangen, nicht auf die Grünen als Partei. Ich arbeite seit Jahren mit den Sozialdemokraten im Kreistag in Meschede gut zusammen. Da ist oft eine einheitliche Richtung, man hilft sich untereinander. In dem Zuge hat es erste Gespräche gegeben. Dann hat es geheißen: Könntest du es dir vorstellen, hättest du Interesse? Oh, dachte ich: Jetzt brauchst du Bedenkzeit!

Danach gab es das erste Befühlen und Kennenlernen mit der SPD. Wir haben festgestellt: Das passt, wir können etwas Interessantes gemeinsam machen. Ich bin von beiden Parteien in Mitgliederversammlungen gewählt worden. Auf dem Stimmzettel bei der Kommunalwahl steht Matthias Scheidt, SPD/Grüne – nicht umgekehrt. Da geht es nach dem Proporz der letzten Ergebnisse. Auf meinen Plakaten steht deshalb auch erst die SPD, dann wir Grünen.

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Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Schwere Frage! Es gab ja einen SPD-Bürgermeister in der Vergangenheit in Bestwig. Schaut man sich das Ergebnis von knapp 40 Prozent bei der letzten Wahl mit einem relativ unbeschriebenen Kandidaten Daniel Köhne an, dann bin ich zuversichtlich. Durch die Nominierung von beiden Parteien besteht die Chance! Wir wollen eine Menge bewegen.

„Abenteuerlust nenne ich das nicht“

Was gab für Sie den Ausschlag, das auszuprobieren? Abenteuerlust?

Abenteuerlust nenne ich das nicht. Ich bin jemand, der gerne etwas gestaltet, der positive Lösungen sucht und etwas bewegen möchte. Ich möchte die Region nach vorne bringen. Gerade als Bürgermeister ist das eine gute Möglichkeit.

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Woran hapert es in Bestwig?

Ich wünsche mir eine aktivere Gestaltung der Gemeinde. Der konkreteste Punkt ist die Wirtschaftsförderung. Auf der Internetseite ist das ein Dreizeiler, das war es. Ich bin Mitglied in der Gesellschafterversammlung der Kreis-Wirtschaftsförderung: Ich bekomme mit, was sich anderswo tut – und ich merke, andere sind viel aktiver. Aber hier in Bestwig wird das als Nebengeschäft angesehen. In Zeiten von Corona, wo die Wirtschaft schwächelt, aber auch angesichts der Leerstandes alleine hier an der Bundesstraße muss man sagen: Da ist Handlungsbedarf. Neue Unternehmen bekomme ich nur hierher, wenn ich mich gut verkaufe, wenn ich berate und unterstütze. Und das passiert derzeit nicht.

Ist Bestwig denn attraktiv dafür?

Ein ganz klares: Ja! Wir haben den Autobahnanschluss, wir liegen zentral, die Höhe unserer Gewerbesteuer ist noch im Rahmen.

Ortsdurchfahrt in Nuttlar als Problem

Was kann man mit der Ortsdurchfahrt machen? Als Grüner sagen Sie jetzt bestimmt: Einen großen Fahrradweg!

(lacht) Wenn die Fahrradwege nicht mehr halb zugeparkt wären, wären wir schon ein Stückchen weiter. Ich glaube, dass wird gar kein Wahlkampfthema sein: Die Ortsdurchfahrt ist da, sie ist gut, mit einem anderen Verkehrskonzept für das Ruhrtal könnte man sie umbauen. Für mich ist mehr die Ortsdurchfahrt in Nuttlar, die Rüthener Straße, ein Problem, wo die Lastwagen weiter durchfahren. Ich bin definitiv für eine L 776n. Da müsste die Gemeinde regelmäßig Druck bei den Behörden machen. Das Ministerium hätte mich regelmäßig am Telefon: Das Thema ist drängend, da muss was passieren.

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Ein Grüner, der eine neue Straße will! Sind Sie ein Realo oder ein Fundi?

Ganz klar: Ich zähle mich zu den Realos! Straßenbau muss man nicht übertreiben. Aber es gibt Stellen, da ist es eben sinnvoll und nötig. Die Rüthener Straße ist so ein Beispiel, wo wirklich Entlastung geschaffen werden muss.

Über „Giftfreies Sauerland“ in die Politik

Warum sind Sie bei den Grünen aktiv geworden?

Das hat 2011 angefangen. Ich habe wegen der zunehmenden Flächen mit Weihnachtsbäumen zusammen mit anderen Bestwigern die Bürgerinitiative „Giftfreies Sauerland“ gegründet. Wir waren relativ erfolgreich, bis hin zur Änderung des Landesforstgesetzes. Wir haben nie gesagt, dass wir keine Weihnachtsbäume in Bestwig oder im Sauerland haben wollen – das ist ein Wirtschaftsfaktor. Uns war wichtig: Weniger, idealerweise gar kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Darüber bin ich zur Politik und auch zu den Grünen gekommen, weil die uns auf Kreisebene gut unterstützt haben.

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Ich stelle mir den Wahlkampf schwierig vor: Sie müssen für sich, aber im Grunde auch für die SPD Wahlkampf betreiben.

Ja, das ist eine Gratwanderung. Wir sind uns bei einer Menge inhaltlicher Punkte einig, da gibt es kleine Differenzen. Ich habe einen guten Weg mit eigenen Inhalten gefunden, um für beide Seiten ein gutes Programm zu fahren. Wir waren uns überparteilich einig: Das ist ein Zeichen für die Bürgerinnen und Bürger, da ist nicht nur eine Partei, die Änderungen an der Spitze der Gemeinde will, sondern da sind gleich zwei.

„Ist das schlimm? Muss immer alles gewöhnlich sein?“

Sie sind Waffenfachhändler von Beruf. Wie verträgt sich das mit grüner Politik? Sollten Schwerter nicht zu Pflugscharen werden?

(lacht) Das klingt nach Leopard 2 oder dunklen Gassen! Deswegen sage ich selbstständiger Kaufmann. Die Frage höre ich trotzdem, Hollywood sei dank, ganz oft! Aber es ist ja anders. Es gibt in der Grünen Partei Forderungen bis hin zu Totalverboten von Waffen. Das ist kein Geheimnis. Auf der anderen Seite verträgt es sich sehr gut, wenn ich sehe, wie viele Forstleute oder Landwirte grünaffin oder sogar Mitglied sind. Da ist auch der ein oder andere Jäger bei, auch bei uns im Kreisverband.

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Denn in unseren Waldflächen geht es nicht ohne waidgerechte Jagd. Und dafür braucht man ein Werkzeug. Auch unsere Schützenvereine möchten beim Schützenfest nicht mit Steinen werfen! Zudem gibt es ja auch regelmäßig olympisches Gold für unsere Sportschützen. Ich habe mich darauf spezialisiert, hauptsächlich hochwertige Jagdwaffen in meinem kleinen Laden in Nuttlar zu verkaufen. Das ist ein ganz normaler, legaler und auch nicht ehrenrührender Beruf. Es mag für einen Grünen ungewöhnlich scheinen. Aber ist das schlimm? Muss immer alles gewöhnlich sein?

Ganz kurz: Wenn Sie Bürgermeister wären, was würden Sie als erste Amtshandlungen tun?

Die Wirtschaftsförderung umstellen, um die Finanzlage zu sichern, einen Ehrenamtsbeauftragten für die Unterstützung unserer Vereine schaffen, dann sollte Bestwig ein eigenes Klimaschutzkonzept bekommen.

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Windräder können Sie sich überall vorstellen?

Nein, auch als Grüner und als jemand, der die Energiewende will, sage ich: Das muss mit Augenmaß geschehen. Selbst der Mitbewerber sagt ja, wir müssten Vorrangzonen neu oder anders planen. Ganz ohne geht es eben nicht. Es geht aber auch nicht überall, und auch nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.

>>>KURZ UND KNAPP<<<

Meine Stärke: dürfen anderen beurteilen
Meine Schwäche: Schokolade
Mein Vorbild: Ich möchte niemandem nacheifern.
Mein Lieblingsverein: Da möchte ich aus der Vielzahl der tollen Vereine keinen auswählen, das wird den anderen nicht gerecht.
Lieblingsgetränk: alkoholfrei: Wasser; warm: Kaffee; alkoholisch: Gin Fizz
Hier bin ich gern: bei meiner Familie und / oder in der Natur
Hobby: siebe oben
Lieblingsbuch: Der Herr der Ringe, J.R.R. Tolkien
Urlaubsort: In diesem Jahr der eigene Garten.
Mein Traum: Als Realist habe ich eher Ziele als Träume.

>>>Zur Person<<<Alter: 30Familienstand: ledig (verlobt)Hobbys: Wandern und ReisenSchule/Ausbildung: Besuch der Realschule Bestwig, Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, Fachhochschulreife am Berufskolleg MeschedeBeruf: Waffenfachhändler