Meschede. Sie galten als Helden des Alltags in der Corona-Krise: Kassiererinnen im Supermarkt. Eine Frau aus Meschede berichtet offen, was davon übrig ist.

„Helden des Alltags“ wurden sie in der Corona-Krise genannt, die Frauen und Männer im Einzelhandel. Es gab viele freundliche Worte. „Davon ist nicht mehr viel übrig“, erzählt eine Meschederin, die täglich in einem Discounter an der Kasse sitzt. Und schlimmer: „Der aggressive Ton der Kunden nimmt zu.“

Leergekaufte Mehl-Paletten

Mitte März sprachen wir bereits mit der Frau aus Meschede. Damals ging es noch um leergekaufte Mehl-Paletten und Kunden, die Probleme damit hatten, den Abstand einzuhalten. Was hat sich seitdem verändert?

„Eigentlich ist es jetzt wieder wie vor Corona. Von Dankbarkeit ist nicht mehr viel zu spüren. Anfangs gab es mal Tulpen für alle oder ein Paket Plätzchen. Das war wirklich schön. Immerhin haben die Kunden es jetzt verstanden, Abstand zu halten. Sie geben sich zumindest Mühe. Manche muss ich allerdings immer noch daran erinnern: Bitte benutzen Sie einen Einkaufswagen.“

Kunden genervt

Einige Kunden seien auch weiterhin genervt von den Regelungen. „Das bekommen dann direkt wir ab oder andere Kunden. Es gibt häufiger Streit ums Abstandhalten in den Gängen. Aber für aggressive Worte reicht es schon, wenn das Toastbrot falsch übers Kassenband gezogen wurde. Da muss ich die eigene Wut oft runterschlucken, denn der Kunde hat ja immer recht. So die Firmenphilosophie.“

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Die Kassiererin sagt: „Ich glaube, dass die Leute langsam die Nase voll haben. Ich muss gestehen, dass es mir selbst auch so geht. Wenn ich den ganzen Tag im Geschäft die Maske tragen musste, möchte ich sie nicht noch in meiner Freizeit tragen. Deshalb gehe ich nicht mehr shoppen. Wenn ich etwas brauche, schaue ich online. Ich hoffe, das ändert sich bald wieder.“

Keine Hamsterkäufe mehr

Hamsterkäufe gebe es nicht mehr. „Aber ich habe schon das Gefühl, dass die Menschen insgesamt mehr kaufen. Vielleicht liegt das noch daran, dass die Leute häufiger zu Hause sind und noch nicht alle Kantinen wieder geöffnet haben. Die Restaurant-Betreiber kommen jetzt langsam wieder zurück. Das merken wir auch.“

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Es gebe Kunden, die weiterhin bewusster einkauften als vor Corona. „Es gibt den einen Wocheneinkauf, weil man sich nicht unnötig in Gefahr bringen will und auch, um die Maske nicht so oft tragen zu müssen. So mache ich das auch. Und dann gibt es die Laufkundschaft. Abends komme ich mir manchmal vor wie ein einem Büdchen im Ruhrgebiet. Hier zwei Cola, da eine Tüte Chips und eine Packung Zigaretten.“

Gigantische Umsätze

Von ihrer Firma hat sie Kassiererin eine Belohnung für die vergangenen Monate bekommen. Allerdings: „Die Höhe war nahezu lächerlich. Vor allem, wenn man es im Verhältnis zu den gigantischen Umsätzen sieht, die das Unternehmen in den Wochen gemacht hat, und ohne uns nicht hätte umsetzen können. Lächerlich auch, wenn man überlegt, dass während der stressigsten Zeit nicht mehr Personal in den Schichten eingesetzt wurde. Wir haben immer mit der gleichen knapp bemessenen Anzahl an Leuten geackert wie heute und vor Corona. Von Anerkennung möchte ich deshalb nicht sprechen.“

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Es habe sich nichts verändert an der Situation: „Keine vorgezogenen Tarifverhandlungen, nichts. Ich kann also nur sagen: Dieser gepriesene Helden-Effekt ist total verpufft.“