Meschede. Nach dem Tod seiner Tochter wird ein Mescheder erst zum Drogen-Konsumenten dann zum Dealer. Er berichtet vor Gericht freimütig, wie es dazu kam.

Das Drama begann von zehn Jahren. „Damals starb meine Tochter bei einem Brand in der Straße Im Rebell“, schilderte der Angeklagte mit erstickter Stimme. „Sie war 13 Monate alt.“ Danach habe er den Boden unter den Füßen verloren. Vor dem Amtsgericht Meschede musste sich der 52-jährige Mescheder jetzt verantworten, weil er mit Betäubungsmitteln gehandelt hatte. Kein kleiner Fisch: Rund ein Kilo Marihuana und Hasch sowie mehr als zwei Kilogramm Amphetamine fanden die Beamten, als sie seine Wohnung durchsuchten, dazu eine Feinwaage, Mobiltelefone, eine Schuldnerliste und 875 Euro Bargeld.

Ein klares Geständnis

Der Angeklagte gab, die Taten zu. Nach dem Tod seiner Tochter habe er angefangen Drogen zu konsumieren. „Wenn es mir schlecht ging, habe ich mich damit wieder aufgebaut.“ Vor allem synthetische Drogen, Ecstasy und Amphetamine, habe er geschluckt. 2017 habe er dann angefangen selbst Handel zu treiben. Damals sei seine Mutter gebrechlich worden, das Haus habe vor der Versteigerung gestanden. Damit sie in ihrem Haus wohnen bleiben konnte, seien Umbauten notwendig gewesen. „Aber ich habe mich nicht selbst bereichert“, betonte er. „Sie sollte ein würdiges Leben haben.“

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Dafür habe er dann in Duisburg und Düsseldorf rund um den Hauptbahnhof nach Lieferanten gesucht. „Ich hatte ja Kontakte in die Szene und wusste, je mehr man abnimmt, desto billiger kommt man dran. Ab einem Kilo wurde es interessant.“ Nach einiger Zeit habe er feste Lieferanten gehabt und immer auf eigene Rechnung verkauft. „An einem Gramm habe ich rund einen Euro verdient.“ Er sei dann aber immer tiefer auf die schiefe Bahn gerutscht. Und der Handel sei für ihn mehr und mehr zur Belastung geworden. Im Dezember 2019 sei er dann erpresst worden. „Der Freund einer Bekannten wollte mich verpfeifen.“ Richter Sebastian Siepe hakte nach: „Haben Sie nicht spätestens zu dem Zeitpunkt mal überlegt, damit aufzuhören?“

Verhaftung als Befreiung empfunden

Der Angeklagte sagte: „Das Ganze ist mir über den Kopf gewachsen.“ Er sei damals regelrecht froh gewesen, als er aufgeflogen sei. „Für mich war es eine Befreiung, als die Polizei kam.“ Ihr Mandant sei kein typischer abgebrühter Dealer, ergänzte die Anwältin. Sie sei überzeugt: „Er ist da reingeschlittert.“ Bis heute habe er ein gutes und liebevolles Verhältnis zu seiner Mutter, die auch über den Prozess informiert sei. „Es tut mit schrecklich leid, dass ich sie in ihrem hohen Alter noch damit belaste“, so der Angeklagte. Die Anwältin hielt wegen einer günstigen Sozialprognose eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, für ausreichend.

Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, Johanna Sandberg, hielt das Geständnis für glaubwürdig. Aber, sie betonte: „Hier handelt es sich um eine erhebliche Menge an Drogen.“ Einmal sei es der 24-fache und einmal der 32-fach Wert der juristisch wichtigen „geringfügigen Menge“. Außerdem müsse man davon ausgehen, dass der Handel dauerhaft gelaufen sei. Strafmildernd könne nur das von Reue getragene Geständnis gewertet werden und dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei. Doch: „Für das Wohlbefinden seiner Mutter und für sein eigenes hat er das Leid fremder Menschen in Kauf genommen.“ Sie plädierte auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Richter Dr. Sebastian Siepe verurteilte den Mescheder zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Er blieb damit zwar unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, verwies aber auch auf die große Menge an Drogen, die der Mann verkauft hatte. „Ich gehe davon aus, dass das noch deutlich mehr war, als das, was wir hier heute vor dem Schöffengericht verhandeln.“ Den Haftbefehl allerdings hob er vorerst auf. „Fluchtgefahr sehe ich nicht.“

>>>HINTERGRUND

2010 bricht am späten Samstagabend ein Feuer in einer Wohnung in der Straße Im Rebell aus. Ein kleines Mädchen, 13 Monate alt, stirbt an einer Rauchvergiftung. Die Eltern sind zu dem Zeitpunkt nicht vor Ort.

Zuerst wird die Mutter verdächtigt. Sie soll beim Verlassen der Wohnung versehentlich Glut aus der Asche ihrer Zigarette in einem Kleiderschrank verstreut haben. Sie bestreitet das und beschuldigt einen ehemaligen Lebensgefährten.

Die Frau wird letztlich freigesprochen - der Fall um den Brand im Rebell nie geklärt.