Meschede. Die Hebammen im HSK fordern mehr Hilfe vom Gesundheitsamt. Die unklare Lage führe dazu, dass Hebammen die Hausbesuche drastisch reduzieren.
Die Hebammen im Hochsauerland ärgern sich über das Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises. Sie fühlen sich während der Corona-Krise von der Behörde im Stich gelassen.
„Wir kritisieren zum einen, dass es keine verbindlichen Hygienestandards für uns gibt, und zum anderen, dass wir nicht mit Material ausgestattet werden“, erklärt Melina Kramer, Sprecherin des Hebammenverbandes im Hochsauerland. Dies sei zum Beispiel in Münster oder im Kreis Soest der Fall. Kramer vertritt rund 70 der insgesamt 101 Hebammen im Hochsauerlandkreis.
Das HSK-Gesundheitsamt weist die Kritik von sich, dies gehöre nicht zu seiner Aufgabe. Zuständig sei der Deutsche Hebammenverband. Der Dachverband erklärt jedoch, dass die Kreise zuständig seien. Die Hebammen werden gebeten, ihren Bedarf bei den Gesundheitsämtern anmelden.
Deshalb beschaffen die Hebammen ihr Schutzmaterial derzeit weiter selbst, was auch eine Kostenfrage ist. Ein Beispiel: „Unsere Materialpauschale liegt pro Besuch bei 2,41 Euro“, erklärt Melina Kramer. Der Preis für FFP2-Masken läge derzeit jedoch bei über 20 Euro und müsste nach jedem Besuch ersetzt oder aufbereitet werden.
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„Das Gesundheitsamt des HSK ist keine Aufsichtsbehörde für die Hebammen, sondern lediglich für die Zulassung und Niederlassung zuständig (analog Heilpraktiker). Eine weitere Zuständigkeit ergibt sich nicht“, erklärt Martin Reuther, Sprecher des Hochsauerlandkreise. Für die verbindlichen Handlungsanweisungen seien die Berufsverbände der Hebammen zuständig, gleiches gelte für die Ausstattung mit Schutzausrüstung. „So ist beispielsweise die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe ebenfalls für die Ausstattung ihrer Ärzte als Berufsverband zuständig und nicht der HSK“, erklärt Reuther weiter.
HSK verteilt Schutzkleidung nach Prioritätenliste
Die Schutzkleidung des HSK-Krisenstabes werde nach einer Prioritätenliste verteilt – zum Selbstkostenpreis, nicht umsonst, wie Reuther betont: „Ganz oben auf dieser Liste stehen der Rettungsdienst, die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Ärzte usw. - eben das Personal, das direkt und eng mit Erkrankten in Kontakt kommt.“ Auch hier sei der Krisenstab des HSK „nur unterstützend tätig, nicht zuständig“. Die Zuständigkeit bestehe nur für den eigenen Rettungsdienst, nicht für die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Ärzte.
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Für die Hebammen im Sauerland hat sich während der Corona-Pandemie besonders die Nachsorge verändert, also die Betreuung der Mütter und ihrer Neugeborenen. Gerade bei den ersten Besuchen zu Hause und bei Frauen, die zum ersten Mal ein Kind entbunden haben, gebe es viele Fragen und Unsicherheiten, so Melina Kramer.
Immer mehr ambulante Geburten im Sauerland
„Verschärfend kommt hinzu, dass derzeit immer mehr Frauen aufgrund des Besuchsverbots und der Infektionsgefahr ambulant entbinden,“ erklärt Melina Kramer. Das heißt, die Mütter verlassen die Kliniken schon nach wenigen Stunden wieder, liegen nicht erst auf der Wöchnerinnenstation, wo sie vom Pflegepersonal betreut werden. Somit kümmern sich die Hebammen sofort nach der Geburt um die Fragen zum Stillen und die Kontrolle des Gewichts. Auch die Kinderärzte berichten, dass sie derzeit vermehrte U2-Kontrollen übernehmen, die sonst vor der Entlassung im Krankenhaus stattfindet.
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„Die ersten Besuche dauern gern länger als eine Stunde“, erklärt Maya Wiese, Hebamme aus Meschede. Normalerweise. Nicht in Corona-Zeiten. Der Deutsche Hebammenverband rät unter anderem dazu, dass die Hebammen maximal 15 Minuten bei den Frauen bleiben, Mundschutz und Handschuhe tragen, ihre Kleidung nach jedem Besuch wechseln (und bei 60 Grad waschen) und die Dokumentation des Besuchs ins Auto verlegen.
Basishygiene einhalten
Das HSK-Gesundheitsamt rät den Hebammen lediglich, die „die Basishygiene einzuhalten und sich nach den eigenen Hygieneplänen, die erstellt werden müssen, zu richten.“ Dazu gehörte die entsprechende Schutzkleidung mit Kittel, Maske und Brille, „wenn sie sich um eine positive Wöchnerin kümmern möchte“.
Auch dies ist ein Kritikpunkt der HSK-Hebammen. „Wir hätten wünschen uns einheitliche Vorgaben des Gesundheitsamtes“, erklärt Melina Kramer. Das schaffe Sicherheit. Die unklare Lage hätte zum Beispiel schon dazu geführt, dass Hebammen die Hausbesuche drastisch reduzieren. „Wenn die Frau einen Milchstau hat oder das Baby nicht zunimmt, kann ich sie nicht damit allein lassen“, so Melina Kramer.